Kenntnisse, die man nicht anwendet, nutzen aber gar nichts. Ich schaue mir die Reisebedingungen zur gebuchten Kreuzfahrt jedenfalls erst an, als ich in Palma entspannt auf dem Hotelbett liege. Gar nicht so sehr klein gedruckt steht da: „Deutsche Staatsangehörige benötigen für Mittelmeerkreuzfahrten einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass.“ Mein Reisepass ist gültig bis 2017 – liegt aber zuhause. Super, das war es dann mit meiner ersten Kreuzfahrt.
Ich vergewissere mich bei der Reiseleitung. „Ja, Reisepass ist erforderlich.“ Vielleicht stellt mir das Konsulat einen provisorischen Pass aus? Es ist Freitag, 16.00 Uhr. Die sind bestimmt schon im Wochenende. Trotzdem, ein Versuch ist es wert. Ich rufe an, eine nette Dame meldet sich, hört sich das Problem an und erklärt, dass zur Ausstellung eines Passes die Einwilligung der für mich zuständigen Meldebehörde erforderlich ist. Wo soll ich die aber bis Sonntag herkriegen? Man kennt sie doch, unsere Staatsbediensteten. Nie da, wenn man sie braucht. Und wenn doch, haben sie immer schnell einen Paragraphen parat mit dem sie begründen, warum etwas nicht möglich ist.
Um mir meine Vorurteile bestätigen zu lassen, wähle ich die Nummer des Einwohnermeldeamtes in Baden-Baden. Wusste ich es doch, der Anrufbeantworter belehrt mich darüber, dass ich außerhalb der Bürozeiten anrufe. Aber dann, ganz am Schluss, kommt ein wichtiger Hinweis. Wenn mein Anruf nämlich dringend ist, soll ich einfach dran bleiben, er würde zur Feuerwache weitergeleitet. Genau - da muss ich hin, bei mir brennt’s.
Tatsächlich meldet sich die Feuerwache. Ich beginne, mein Problem zu erläutern, immer darauf vorbereitet, gleich unterbrochen zu werden mit dem Einwand: „Tut mir leid, da kann ich Ihnen auch nicht helfen.“ Nix da, der Mann hört sich meine Geschichte an und meint dann: „Da gibt es nur eine Möglichkeit – ich muss versuchen, einen Sachbearbeiter des Einwohnermeldeamtes zu erreichen und ihn bitten, das für Sie zu erledigen. Moment mal bitte.“
Ich brauche sowieso gerade eine Pause. Habe ich richtig gehört? ER will versuchen für MICH was zu erledigen? Da bin ich gespannt.
Dann wieder der Feuerwehrmann: „Eine Dame habe ich ausfindig gemacht, aber sie ist nicht erreichbar. Ich suche weiter, warten Sie bitte.“ Spätestens jetzt hätte er doch sagen können, dass er mir nicht helfen kann. Aber der Mann ist nicht zu bremsen. Nach genau 20 Minuten meldet er sich zurück. „Ich habe jemanden gefunden, es ist Frau W., ich verbinde. Viel Glück.“ Sprachlos wie ich bin, bringe ich gerade noch ein „Vielen Dank“ raus, bevor sich Frau W. meldet. Sie ist am Handy irgendwo zwischen Supermarktregalen beim Einkaufen. Ja, sie könne mir helfen. Ich solle ihr die Daten geben und die Faxnummer vom Konsulat, sie macht das. Wann? Gleich, heute noch, wenn es sein muss. Nein, morgen Vormittag ist ausreichend. Umso besser.
Jetzt das Konsulat anrufen. Ich erreiche die freundliche Dame wieder sofort. Ja, sie geht morgen ins Büro um das Fax in Empfang zu nehmen. „Bringen Sie ein Passfoto mit, biometrisch bitte.“ Jetzt nennt sie mir noch die Adresse eines Fotostudios in Palma und bestellt mich für Samstagmittag ins Konsulat. Träum ich, oder ist gerade wirklich ein ganzer Behördenapparat ausschließlich darum bemüht, einen blöden Fehler von mir auszubügeln?
Beim Laufen habe ich es hin und wieder mit dem inneren Schweinehund zu tun. Was ist aber das für ein Teufelchen, das sich jetzt bei mir meldet und sagt: „Abwarten, irgendwas wird schon noch schief laufen.“
In der Nacht träume ich von Kreuzfahrtschiffen, die den Hafen verlassen, tausende Passagiere an Bord, alle mir zuwinkend, während ich auf meinem Koffer am Kai sitze und den Schiffen hinterher fotografiere.
Am Samstag rufe ich wieder die Notrufnummer des Konsulates an. „Ja, das Fax ist da, Sie können mit den Fotos kommen.“ „Nein, das Konsulat ist heute geschlossen“, sagt der Portier. „Ich werde aber erwartet.“ „Das ist was Anderes, bitteschön.“ Die Damen sind zu zweit und nur wegen mir hier. Dafür, dass ich ihnen den Samstag verderbe sind sie ganz gut drauf. „Was, Sie laufen den Marathon? Den ganzen?“ „Meine Tochter läuft auch, ich glaube aber nur 10 km.“
Zehn Minuten später habe ich meinen Reisepass. Dafür habe ich ein anderes Problem. Wohin mit meinen Vorurteilen gegenüber unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Staatsdienst?
Falls Euch jetzt noch interessiert, was ein Läufer auf einem Kreuzfahrtschiff erlebt, lest einfach weiter.
Überhaupt nicht. So jedenfalls meine Meinung bis dahin. Wieder so ein Vorurteil. Ich kann deshalb ganz gut mit ihnen leben, weil ich andererseits auch neugierig bin. Der Termin im Anschluss an den TUI Marathon in Palma passt auch ganz gut. Und als ich dann auch noch die Sondererlaubnis bekomme, vorzeitig nach 6 Tagen von Bord zu gehen, ist die Sache geritzt. Normalerweise ist das nicht möglich. Aber länger möchte ich mich nicht „außer Dienst“ begeben.
Kreuzfahren mit Mein Schiff sind neu bei der TUI. Das 2000 Passagiere fassende Schiff wurde erst dieses Jahr in Dienst genommen, nächstes Jahr folgt bereits das zweite. Einchecken tut man wie am Flughafen. „Der ist ja grün?“ Wegen der Farbe fällt mein nagelneuer Reisepass sofort auf. Sonst passt alles, ich bin durch, die Investition hat sich gelohnt. Das Gepäck wird mir abgenommen, ich finde es schließlich in meiner Kabine wieder. Per Webcam wird ein Foto gemacht, das mit den persönlichen Daten auf einem Bord-Pass abgespeichert wird. Dieser Pass dient an Bord als Zahlungsmittel und muss bei jedem Verlassen und erneutem Betreten des Schiffes eingelesen werden.
Per Lift kommt man zur Rezeption und auf die verschiedenen Decks. Spätestens jetzt glaubt man sich einem großen Hotel. Alles hat mindestens 4-Sterne-Niveau, auch meine Kabine ist mit 17 qm und kleinem Balkon, DU/WC, Minibar, TV, Telefon und Espresso-Maschine ganz gut ausgestattet.
780 Menschen sind auf dem Schiff beschäftigt, 140 davon alleine in Küche, Bäckerei und Konditorei. Wie viele Restaurants es gibt? Ich glaube, man kann während der Kreuzfahrt jeden Abend in ein anderes gehen. Das Angebot reicht von der Sushi-Bar, dem Buffet-, Steak- und Hauptrestaurant bis zum sterneverdächtigen Gourmetrestaurant. Das meiste ist in den All-Inclusiv-Tarifen enthalten, ansonsten muss man etwas aufzahlen.
Wer auf Müsli + Co auch auf hoher See nicht verzichten will, findet zu allen Mahlzeiten reichhaltige Vita-Buffets oder –Menüs. Ich habe auf meiner ersten Kreuzfahrt ja keine Vergleichsmöglichkeiten, aber es fällt mir auf, dass es sehr großzügige Räumlichkeiten und Rückzugsmöglichkeiten gibt, viele Bars und ein Theater. Im Wellnessbereich soll Mein Schiff sogar der Branchenprimus sein.
Ich mag ja keine Mucki-Buden. Aber es ist schon ein Unterschied, ob man sich auf einem Laufband in einer ehemaligen Fabrikhalle einen Wolf läuft, oder mit Blick auf’s offene Meer oder auf einen malerischen Hafen sein Laufpensum absolviert. Aber es muss gar nicht das Laufband sein. Auch die lange geplante und immer aus Zeitgründen hinausgeschobene Leistungsdiagnostik lässt sich hier wunderbar einplanen. Es gibt auch eine Joggingrunde an Bord. Nicht lang, dafür einmalig schön und mit täglich wechselnder Kulisse.
Den ersten Tag unserer Reise sind wir auf See. Schon die Nacht ist ziemlich stürmisch, Kenner sprechen von 5 m hohen Wellen. Probleme habe ich damit nicht, zum Arzt muss ich trotzdem wegen meiner Verletzungen. Ob das nicht Zeit bis heute Abend habe, fragt die Helferin. „Nein, das muss jetzt sein.“ „Na, dann kommen Sie mal rein.“