marathon4you.de

 

Laufberichte

Neapel - Stadtmarathon pur

27.01.13

Zur Einstimmung

 

In den 1980er Jahren war ich ein paar Mal auf Ischia. Da jobbte Sabine, die beste Freundin meiner Ex-Freundin - ebenfalls Sabine - nach dem Abitur in einem Hotel und heiratete dann auch einen feschen Einheimischen, nebenbei stolzer Besitzer eines Alfa Romeo Spider. So bekamen wir die Gelegenheit, an einer süditalienischen Hochzeit teilzunehmen.

Die beste Freundin hat uns bei unserem nächsten Aufenthalt in ihrer kleinen Pension zwar redlich ausgenommen, ist aber beste Freundin geblieben. Ich habe inzwischen die Freundin gewechselt und war seit 1992 nicht mehr in Neapel, wo sich die  Bahnstation zur Fähre nach Ischia befindet. Meine Erinnerungen an „Bella Napoli“ waren erschreckend: viele dunkle Gestalten, die an den Straßenrändern lauern und dich ausrauben wollen. Dementsprechend habe ich Judith auf diese gefährliche Gegend vorbereitet: Wertsachen gut verstecken und so weiter.

Nach unserem kurzen Marathon-Ausflug muss ich dieses Urteil nun revidieren. In den vergangenen dreißig Jahren hat sich manches zum Besseren gewendet: Die Jugendlichen spielen mit ihren Handys und lassen einen in Ruhe. Auch die Mülltonnen werden (wieder) regelmäßig geleert. Sogar Mülltrennung wurde theoretisch eingeführt. Leider landen viele Papierabfälle immer noch auf der Straße – aber das ist eine andere Geschichte. Die U-Bahn ist teilweise fertig. Die Neapolitaner sprechen mit uns Touristen Hoch-Italienisch, nur miteinander nach wie vor den einheimischen Dialekt. In dem kleinen russischen Supermarkt vor unserem Hotel erhält man eine ordentliche Quittung, wie fast überall. Die PKWs sind nur ein wenig verbeult. Mutti sitzt mit ihren drei Kindern auf dem Beifahrersitz.  Papi fährt und telefoniert gleichzeitig. Keiner ist angeschnallt. Die Polizisten aber auch nicht. Man hält sich im Prinzip an die Ampelsignale. Nur die Fußgänger gehen immer noch ohne zu schauen über die Straße und die Autofahrer halten an. (Bitte nicht in Norditalien probieren! Funktioniert nur ab Rom südwärts).

Judith und ich reisen am Samstag nicht mit dem Auto an, sondern landen abends nach einem aufregenden Flug durch die Häuserfluchten auf dem kleinen Airport von Neapel, der rund 1 Mio. Einwohner zählenden Hauptstadt der Region Kampanien.

 

Jetzt geht’s los

 

Die kleine Marathonmesse ist auf der zentralen, neoklassizistischen Piazza del Plebiscito aufgebaut. Der Flughafenbus (3,- €) hält gleich in der Nähe. Es ist 19:30 Uhr. Bis 20 Uhr gibt es die Startnummern. Am Schalter stehen viele Offizielle, die sich gut unterhalten und uns geflissentlich übersehen. Erst als ich laut „Buona sera“ rufe, geht es ganz schnell: Startnummer mit Einwegchip, Startertüte mit schönem Funktionshemd, ein Päckchen Nudeln, Energiepulver und Bonbons.

Zurück zu Fuß über eine Einkaufsstraße zum Hotel am Bahnhof. Die Geschäfte schließen um 20:00 Uhr; die Gegend wirkt multikulturell. 

Nachts schlafe ich schlecht. Denke an das große Erdbeben von1980 und an die Ausbrüche des Vesuv in den Jahren 79 und 1944.

Um 7:30 Uhr am Sonntag fahren wir mit dem Bus zum Start bei der Marathonmesse. Irgendwann nach 8:30 Uhr fällt dann der Startschuss. Ca. 2.000 Teilnehmer aller Bewerbe haben sich ohne Blockeinteilung aufgestellt. Alle sind gut gelaunt. Gleich geht es in die Einkaufsstraße Via Toledo. Natürlich sind um diese Zeit die Geschäfte noch geschlossen. Viele bleiben es aber den ganzen Tag über  - eher untypisch für Italien.

Wir laufen in einige Straßen, die ausreichend breit sind, sodass kein Gedränge entsteht. Auffallend ist schon jetzt, dass es recht hügelig zugehen wird. Ich grüße einen Läufer des 100-Marathon-Clubs mit seinem Namen: „Roger“ steht auf seinem Hemd; er hat die Nummer 300. Zu Hause stelle ich fest, dass es sich um den Vorsitzenden des 100-MC Großbritannien handelt. Er ist schon über 700 Marathons gelaufen. Auffallend gute Stimmung bei den Läuferinnen und Läufern. Es wird viel gescherzt. Nach wenigen Kilometern kommen wir schon an einem Highlight vorbei, dem Castell Nuovo aus dem Jahre 1271, jetzt Rathaus mit bemerkenswertem Portal. Kurze Zeit später ein Hinweis auf die erste Runde.

Wir laufen an der Galleria Umberto I vorbei; sie ist der berühmten Mailänder Einkaufsgalerie nachgebaut und ebenso imposant. Noch einmal in die Via Toledo. Diesmal etwas weiter bis zum Nationalmuseum. Dort sind die Fundstücke aus Pompeji und Herkulaneum ausgestellt. Muss man ges

ehen haben. Jetzt geht’s ins Centro Storico (historisches Zentrum), Weltkulturerbe seit 1995. Hier befinden sich große, leider oft auch ziemlich verkommene Häuser an engen Gässchen. In einem Fernsehbericht hieß es einmal, dass hier noch viele Geschäftsbesitzer in ihren kleinen Läden wohnen. Sehr interessante Umgebung, soweit man das während des Laufens wahrnimmt. Den Untergrund bilden große Platten aus schwarzem Vulkangestein (Pipernum), von denen manche gefährlich herausstehen. Über uns hängt Wäsche aus dem Fenster. Bin happy. Ich schieße viele Fotos, die leider wegen der Dunkelheit in den Gassen oft verwackelt sind.

Vor uns auf einmal eine kleine Prozession mit Fahne – heute ist ja Sonntag und der Neapolitaner ist sehr religiös. Auf einer längeren geraden Straße kommen wir am Dom vorbei. Wenigstens den unteren Teil des Bauwerks kann ich fotografieren. In ihm befindet sich die Grabstätte des Stadtheiligen San Gennaro. Darunter sein Kopf in einer Goldbüste und sein Blut, das sich auf wundersame Weise und unter größter Anteilnahme der Bevölkerung jedes Jahr mehrmals verflüssigt, wenn es in die Nähe des Hauptes des Heiligen gebracht wird.

Stimmungsvoller Blick über die abfallende, schön sanierte und mit kleinen Bäumen versehene Straße auf den Hafen und das Meer. Vorher sind aber noch ein paar Kurven über kleine Plätze mit netten Kirchen zu bewältigen. Vor dreißig Jahren baten einen ältere Bewohner höflich, diese Gässchen zu meiden. Man wollte keine Fremden dort. Ich glaube, das ist heute nicht mehr der Fall. Abends werden wird hier ohne Furcht noch unterwegs sein. Obwohl eine etwas bessere Straßenbeleuchtung nicht schaden würde.

12
 
 

Informationen: Napoli Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner
 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024