Gleich nach der Bayerischen Meisterschaft in Lindau einen griabigen (gemütlichen) Marathon in unserer Landeshauptstadt. Des taugt mer guat. Ob es schon wieder flüssig z'Fuaß lafft, des wer i seng.
Zeitig muss ich aus der Kiste raus, denn für die Startvorbereitungen braucht man etwas Zeit, wenn man am Lauftag alles erledigen muss: Parkplatz suchen, Nummern holen, Kleidung deponieren und zum Startgelände laufen. Einige Vereinskollegen wollen es im Marathon wissen, zwei sind für den Halben und einer für den 10 km-Lauf gemeldet. Darunter ist Marathon-„Rookie“ Josef und unser schneller Pizzabäcker Filippo, ein waschechter Italiener, der in seinem Blut ein Ferrari-Gen hat. Schnell ist er schon, aber wenn's weit gehen soll, zwickt ihm gern der Muskel. Mit seiner Bestzeit von unter 40 Minuten auf zehn Kilometer müsste bei Filippo schon die 3.30er-iMarke deutlich fallen. Eine runde halbe Stunde will ich mir mehr Zeit nehmen als am Bodensee, und wenn die vier Stunden gerissen werden, dann ist es mir auch wurscht.
Um 08.00 Uhr biegen wir auf die Parkharfe am Sapporobogen beim Olympiagelände ein. Der große Parkplatz ist jetzt noch total leer. Fünf EUR kostet der Parkschein für den ganzen Tag. In der EventArena erhalten wir unsere Startnummern im Obergeschoss. Die Helfer sind fleißig und aufmerksam. Man soll auch gleich noch seinen Chip testen, ob er auch „scharf“ im Zeitmesssystem ist, so die Empfehlung. Wer noch etwas auf der Laufmesse kaufen will, hat Pech, denn im Erdgeschoss werden die letzten Regale zusammengeräumt. Unten werden auch die Kleidersäcke abgegeben. In der Arena findet man noch genügend Platz, um sich umzuziehen. Wer das im Freien erledigen will, kann das heute auch tun, denn die Temperaturen sind mit rund 12, 13 Grad schon marathontauglich. Und die Sonne hat im Münchener Stadtgebiet den Nebel längst vertrieben.
Filippo schaut erstaunt, warum er denn zwei Startnummern erhalten hat. Nun, die Teilnehmer der Deutschen Meisterschaft und auch die Staffeln sollen sich die zweite an den Rücken pinnen. Und damit kennen sich das große Marathonfeld aus und auch die Zuschauer. Etwa fünf Minuten Fußmarsch muss man kalkulieren bis zur Kleiderabgabe unterm Olympiadach. Die Boxen sind dort deutlich markiert und die Klamotten werden auch bewacht. Nur, Wertgegenstände sollten sich in den Rücksäcken, wie anderswo auch, nicht befinden.
Nach der Kleiderabgabe machen wir uns auf den Weg zum Startpunkt, der sich in knapp zwei Kilometer Entfernung ausgangs des Olympiageländes auf der Ackermannstraße befindet. 15 bis 20 Minuten Spaziergang sollte man veranschlagen. Wer sich einläuft, schafft es schneller. Einlaufen ist beim gemütlichen Marathon ein Schmarrn, mir reicht der Spaziergang dorthin.
Als wir dort eintreffen, beginnt gerade das Warm-Up, präsentiert von Body & Soul. Drei Startblöcke sind eingerichtet. Jeder sollte sich nach seinem Leistungsvermögen einreihen. Ganz vorne die Meisterschaftsläufer und alle, die unter 3.30 Stunden bleiben wollen. Im Block B das breite Mittelfeld und im Abschnitt C die Teilnehmer mit avisierten Zeiten ab 4.15 Stunden sowie alle Staffeln. Überwacht und kontrolliert wird das aber nicht. In den letzten 15 Minuten erhalten wir die letzten Hinweise von Moderator Peter Maisenbacher. Der Countdown beginnt mit der Deutschen Nationalhymne. Die Feldmochinger Böllerschützen machen ihre Schießgeräte scharf.
Die letzten Sekunden werden herunter gezählt und dann haut uns ein Mordsschepperer um Punkt 10 Uhr auf die Strecke. Die beiden anderen Blöcke starten mit jeweils zehn Minuten Abstand. Vorne geht es sofort zur Sache bei den Meisterschaftsteilnehmern. Ich stehe etwa in der Mitte des Blocks A und nach einer Minute Verzögerung jogge ich dann über die Zeitmessmatten von mika-timing.
Der München Marathon boomt auch in diesem Jahr. Frühzeitig ist der Halbe ausverkauft und auch die Plätze für die Staffeln werden am Ende der Anmeldefrist knapp. Im Vergleich zum Vorjahr steigt die Gesamtteilnehmerzahl auf über 21000 Läufer, so hoch wie noch nie. Die festgelegten Startzeiten sind weiter optimiert worden. So starten die Halben erst am Nachmittag um 14.00 Uhr, da befindet sich das Gros der Marathonis schon im Ziel oder auf den letzten Kilometern. Der 10-Kilometer Bewerb beginnt nach unseren Starts um 10.40 Uhr.
Es dauert nur gut zehn Minuten, dann biegen wir auf die Ludwigstraße ein, den zentralen Verkehrsweg in Schwabing. Viele Zuschauer stehen zwar noch nicht am Streckenrand, aber gegen Mittag wird der Zuspruch anwachsen, denn der Wetterfrosch hat für den späteren Tag fast 20 Grad bei Sonnenschein vorhergesagt.
Auf dem einen Kilometer langen Pendelstück kommt frühzeitig die Spitze entgegen. Die ersten haben sich hier schon leicht abgesetzt. Ich kann leider keinen mir bekannten Läufer vorne erkennen. Und dann wird das Feld dichter. Bei Kilometer vier ist die Wende, die Strecke führt nun nach Norden zurück.
Dominiert wird die Prachtmeile Leopoldstraße und Luitpoldstraße vom Siegestor, das nach dem Vorbild des Konstantinsbogens in Rom in den Jahren 1843 bis 1850 erbaut wurde. Die Bavaria mit den vier Löwen obendrauf wird sich wundern ob des Auflaufes der vielen Läufer, denn die laufen jetzt gleich zwei Mal vorbei. Und das Denkmal mahnt uns zu einem friedlichen Zusammenleben mit der Aufschrift auf der Rückseite: Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend.
Auf der anderen Seite wird das Feld lichter, denn der zweite Block ist noch nicht dran. Die jeweils zehn Minuten Abstand der Blöcke zueinander sorgen für ein aufgelockertes Feld. Kurz nach Kilometer fünf biegen wir rechts ab, auf der anderen Seite kommt die Spitze des Blocks B aus der Franz-Joseph-Straße herausgelaufen.
Noch vor dem Englischen Garten sehen wir links in der Biedersteinstraße die erste Wechselstelle der Staffeln. Die zweiten Läufer der Teams warten schon alle gespannt und sind parat für ihren Einsatz. Sehr vorbildlich ist die Streckenführung gelöst, denn die Wechselzone ist von unserer Strecke abtrassiert. So kommt es zu keinen Drängeleien.
Der Englische Garten ist ein Werk eines Amerikaners: Benjamin Thompson hat ihn am Ende des 18. Jahrhunderts erschaffen. Die Gartenanlage zieht sich vom Zentrum bis an die nördliche Stadtgrenze. Mit rund vier Quadratkilometer übertrifft er sogar den Central Park in Big Apple. Leider haben wir hier nur wenig Zuschauer, meist sind es Angehörige von Läufern. Ein wenig Hochnebel macht die Lichtverhältnisse diffuser. Dann sehe ich zwei Badende: Nein, keine Nackerten, sondern zwei Hunde springen in den Bach und schütteln sich am Land das Wasser aus dem Fell.
Eine Blaskapelle hat gerade Pause, wird jedoch von Norbert Wilhelmi dirigiert. Sie sollen sich gut in Szene setzen mit der Läuferschar im Hintergrund. Das Manöver weckt beim M4Y-Fotografen Interesse, aber der Kollege meint: „Lauf du mal weiter, hier gibt es nichts Interessantes.“
Bei Kilometer zehn wird die Zeit genommen. Gleich danach wenden wir im Nordteil der Englischen Gartens, der auch Hirschau genannt wird. Diese Bezeichnung weist auf den Wildreichtum in früherer Zeit hin. Wer von Euch unserer Landeshauptstadt einen Besuch abstattet, sollte in dieser Grünanlage das Rumfordhaus, den chinesischen Turm, das Monopteros, die Steinerne Bank und das Japanische Teehaus besuchen.
Die Leichtathletik-Gemeinschaft Passau betreibt die nächste Verpflegungsstelle. Wasser und Iso-Getränke werden angeboten. Später kommen noch Bananen und Gel hinzu. Und wer nur auf seine eigene Verpflegung vertraut, der muss halt am Vortag seine Ration abgeben. Und die wird ihm dann an die gewünschte Tankstelle transportiert. Am Ortsausgangsschild Passau lese ich: „Viel Glück 31,7 Kilometer“. Na bravo, wird sich mancher denken, der heute schnell unterwegs ist. Zumindest die Teilnehmer der Deutschen haben auf diesen Tag hin trainiert und wollen ein gutes Ergebnis erlaufen. So wie Fritz Edelmann, der bisher keine Ausgabe des Münchener Marathons verpasst hat. „I mog di“, ist seine Einstellung zu diesem Lauf. Ich gehe vorbei und klatsche ihn ab. Er will auf seine Tochter warten.
Bei Kilometer 15 steht unser fröhlicher Franzose Michel am Rand. Wer kennt ihn nicht, den Mann mit dem Baguette, der die Zuschauer auffordert, durchzuhalten, aber mit Applaus. Wir verlassen den Englischen Garten und überqueren die Isar. Auf der Montgelasstraße warten einige Höhenmeter auf unserem Weiterweg.