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Laufberichte

42 Kilometer durch meine Heimatstadt

13.10.13

Nach 2,5 Kilometern wird es dann lauter, wir biegen rechts in die Leopoldstraße. Wegen der nahen U-Bahnstation ist hier ein großes Stimmungsnest. Die Moderation macht Klaus Ruscher, der ein Lauffachgeschäft betreibt. Hier beginnt auch die erste Begegnungsstrecke. Es geht Richtung Stadtmitte über die Leopoldstraße. Links die weiße Skulptur „Walking Man“ vor der Zentrale der Münchener Rück alias MunichRe, vor uns das Siegestor, „Dem Bayerischen Heere“ gewidmet und 1850 von Friedrich von Gärtner erbaut. Dessen Kreationen werden uns noch ein paar Mal in München begegnen.

Früher fuhr stilvoll die legendäre Linie 8 der Münchner Trambahn durch das Tor. Seit 1971 verläuft hier die U-Bahn-Strecke, und die Straße ist alleine für die Autos da. Bis auf wenige Tage im Jahr, so auch heute. Hinter dem Tor die  Erdinger-PowerZone. Wir sind jetzt auf der Ludwigstraße, angelegt in den frühen Jahren des 19. Jahrunderts. Ludwig I wünschte sich eine Prachtstraße, welche die Säulen des Bayerischen Königreichs repräsentierte. Es gab schon damals viel Ärger mit den Bürgern, da einige bereits vorhandene Häuser diesem königlichen Bauvorhaben zum Opfer fielen. Hinter der Bayerischen Staatsbibliothek kommt die Wendestelle, sodass man auf dem Siegestor lesen kann: „Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend“ Das Tor wurde im 2. Weltkrieg schwer beschädigt und man kann sehen, dass es absichtlich nicht komplett restauriert wurde, um zum Frieden zu ermahnen.

Am Ende der Begegnungsstrecke geht es in die Mandlstraße. Wir sind jetzt in Altschwabing. Das Gebäude vor uns mit den Säulen ist ein Standesamt. Wegen seiner romantischen Optik und der Nähe zum Englischen Garten hat es sich als einziges seiner Art der Verlagerung ins Kreisverwaltungsreferat widersetzt. Dafür kann man im nüchternen Kreisverwaltungsreferat mit dem Aufzug aus der Tiefgarage zur Hochzeit gelangen. Jeda wia er's mog.

Links die sehenswerte Kirche St. Sylvester. Dahinter beginnt die Kneipenzone rund um die Occamstraße, die vor allem Touristen und die Landbevölkerung anzieht. Einheimische fahren lieber aufs Land, nach München- Haidhausen, in die Clubs der Münchner Innenstadt oder in die Düsseldorfer Altstadt. Oder etwa nicht?

Nach der Staffelwechselzone am Studentenwohnheim Biederstein, das bekannt ist für seine legendären Faschingspartys, queren wir den Mittleren Ring und kommen in die Osterwaldstraße. Hier wohnen viele Besserverdienende in hübschen Villen und Häusern. Als wir nach rechts in die Hirschau abbiegen, kann man die Sportanlagen und das Freibad der Bayerischen Landesbank sehen. Ich verkneife mir nicht, meine Mitläufer darauf hinzuweisen, dass die Bank, die wir mit 10 Milliarden Euro unterstützt haben, hier ein luxuriöses Sportzentrum besitzt. Rechenbeispiel: Auf dem Oktoberfest werden ca. 6 Millionen Maß ausgeschenkt. Wie viel muss jede Maß kosten, um 10 Milliarden Euro zusammenzubekommen? Da stellt sich doch ein Gefühl für die Größenordnungen ein. Nicht verheimlichen darf man, dass auch die „Allianz“ ein Stück weiter ein Sportzentrum hat, so wie viele alteingesessene Münchner Firmen.

Die „Münchner Bläserbuben“ reißen mich aus diesen Zahlenspielen – mit  fetziger Blasmusik. Wenn man genau hinsieht, wird man feststellen, dass hier nicht nur Buben zünftig aufspielen.

Auf der olympischen Marathonstrecke geht es Richtung Norden. Weil die Strecke  recht eng ist, halte ich mich mit meinem Rad auf einem anderen Weg. Die Sonne strahlt nun hell. Die Blätter der Bäume leuchten in sämtlichen Herbsttönen. Und dazwischen die Läuferschar auf dem Weg zurück. Leider sieht man heute keine Schafherde. Die grast hier nämlich gelegentlich. Links in den Hochhäusern befindet sich die größte Studentenwohnanlage Deutschlands. Bei km 10,5 erreichen wir den Aumeister, ein netter Biergarten. Nebenan eine Verpflegungsstelle und der Hinweis, dass „nur noch“ 31,5 Kilometer zu bewältigen sind.

Wir drehen zurück Richtung Zentrum. Natürlich sollte man hier keine Scharen jubelnder Zuschauer erwarten. Aber trotzdem sind immer wieder Schlachtenbummler an der Strecke. Insgesamt führt der Weg sieben Kilometer durch die Isarauen, oft durchzogen von lauschigen Bächen. Einer davon kommt am südlichsten Ende des Gartens, beim Haus der Kunst, aus einem unterirdischen Kanal und bildet die weltbekannte Surfwelle. Da wird sommers wie winters gesurft. Nach der Verpflegungsstelle bei km 14 kommen wir in den Südteil des Englischen Gartens. Hinter der Band „Confusion“ liegt das Seehaus am Kleinhesseloher See. Ein Biergarten, den man oft im Fernsehen sieht, wenn im Winterhalbjahr die Münchner an einem schönen Tag ihre Maß oder Halbe draußen genießen.

Den Englischen Garten gibt es schon seit dem 18. Jahrhundert. Er wurde, wie der Name sagt, einem ursprünglich aus England stammenden Landschaftsideal nachempfunden. Im Sommer herrscht hier im Südteil des Gartens Hochbetrieb. Am Chinesischen Turm, den Touristen aus dem Reich der Mitte nicht wirklich authentisch finden, lädt einer der größten Münchner Biergärten zum Verweilen ein – oft mit Live-Blasmusik. Den Turm sehen wir leider nicht, dafür viele Zuschauer, die den kurzen Weg von der km-5-Markierung hier herübergekommen sind. Nach der Erfrischungsstelle - bei der wie an vielen Verpflegungspunkten neben exzellentem Münchner Leitungswasser aus den Voralpen auch Iso-Getränke und Bananen verteilt werden - geht es über die Isar. Am Fluss gibt es die schönsten Strecken für lange Trainingsläufe. Judith und ich sind meist isarbawärts unterwegw, zig Kilometer ohne eine einzige Straßenquerung. Die Isar kann als Gebirgsfluss recht wild werden, der Wasserstand um den Faktor 10 schwanken. Diesen Sommer habe ich festgestellt, dass das Wasser auch über zwanzig Grad warm werden kann.

Danach die einzig nennenswerte Steigung des Marathons, an der ich M4Y-Autor Herbert Orlinger mit meinem Fahrrrad locker überhole. Es geht den Isarhang hinauf. Die Montgelasstraße bringt uns in den Stadtteil Bogenhausen. Der Franzose Maximilian von Montgelas war von 1799 bis 1817 Minister unter dem Kurfürsten und späteren König von Bayern, Maximilian I. Er hat Bayern eine tiefgreifende Reform der öffentlichen Verwaltung gebracht.

Über die Oberföhringer Straße geht es stadtauswärts, immer an der Isarhangkante entlang. Beim Queren des Mittleren Rings kann man die Hochhäuser des Arabellaparks sehen und das schicke Hypo-Haus. Zwei komplette Familien unterhalten hier schon zum dritten Mal in Folge die Läufer mit Blasmusik und versorgen sie mit Getränken. Ich sage das ausdrücklich, um zu zeigen, dass beim München Marathon einige Anlieger beim Marathon mitmachen, statt dagegen zu sein. Nächste Überraschung: Eine Mutter mit zwei Kindern fütter die Läuferinnen und Läufern mit Bananen. Na bitte, es geht doch.

Nach einem Rechtsknick laufen wir über den historischen Salzenderweg. Der Salzhandel war einst eine wichtige Einnahmequelle der bayerischen Herzöge. Hier, in dem damals zu Freising gehörenden Oberföhring, gab es eine Isarbrücke. Diese zündete Herzog Heinrich der Löwe im Jahr 1158  an, um die Salztransporte über eine neue Brücke durch München zu leiten. Somit gilt 1158 als das Gründungsjahr der heutigen bayerischen Landeshauptstadt.

Von der folgenden Fußgängerbrücke aus kann man links einige Schuppen sehen. Eine alte Ziegelei nach dem Motto „Ohne Lehm dat's München net geb'n“. Und da, wo wir jetzt unterwegs sind, gab es viel Lehm. Als der abgebaut war, kaufte Josef Schörghuber viele brachliegende Grundstücke, baute die Hochhäuser im Arabellapark und legte so den Grundstein für das Imperium der Schörghuber-Unternehmensgruppe.

Der Weg führt uns durch die Cosimastraße. Jedes Jahr sieht man hier mehr Zuschauer, die sich aus ihren schmucken Einfamilienhäusern auf die Straße trauen. Außerdem gibt’s eine preisgekrönte neue Trambahnstrecke, auf der ich mir immer einen historischen Wagen mit der Straßenbahnerkapelle wünsche. Vielleich nächstes Jahr.

Am Cosimabad (U-Bahn) dann wieder viele Zuschauer und viel Stimmung am Verpflegungsstand. Kurz danach dann der Halbmarathonpunkt und eine große Staffelwechselstelle. Um 14:00 Uhr fällt hier der Startschuss für die 21,1 Kilometer.

Wer schon immer mal wissen wollte, wo unsere Geldscheine herkommen: Von Giesecke und Devrient vor der Autobahnunterführung. Danach schließt sich ein Kilometer Industriegebiet an. Links die Druckerei der Süddeutschen Zeitung, vor uns das neue Verlagshochhaus. Dieses Jahr veröffentlichte die heimische Tagespresse erstmals viele Seiten zum Thema Marathon. Das hatte nur leider nichts mit dem Sport zu tun, sondern mit der groß angelegten, in Bayern über eine Woche dauernden Blitz-Aktion zur Erfassung von Verkehrssündern. Aber auch zum Marathonlauf wächst die Berichterstattung in der Münchner Medienlandschaft konstant. Besonders die Werbezeitung „Hallo“ mit ihren Stadtteilblättern ist da sehr aktiv. Vielleicht sind diesem Trend die vielen neuen Zuschauer auf den zurückliegenden Kilometern zu verdanken?

Am GPS-Killer „Berg-am-Laimer Eisenbahnunterführung“ warten meist allerlei Gaudiburschen. Da wird oft gejodelt. Kurz vor der nächsten Erfrischungsstelle hatte ich letztes Jahr Damen im Sari gesehen, dem nahegelegenen hinduistischen Tempel sei’s gedankt. Hinter dem Ostbahnhof bei km 26 wieder viele Zuschauer. Der beißende Geruch kommt von einer Dampflok, die mit ihren Lokalbahnwagen Rundfahrten unternimmt. Links das Optimol-Gelände, eine bei der Münchner und auch auswärtigen Jugend beliebte Partyzone.

Und jetzt geht es richtig los.

Wir kommen ins Innenstadtgebiet. In der Rosenheimer Straße können sich die Anwohner auf den einzigen Tag im Jahr ohne Straßenverkehr freuen. Immerhin ist das hier eine stark befahrene Einfallstraße ins Zentrum. Ich beglückwünsche die Zuschauer laut zu ihrem „autofreien Sonntag“ und ernte nur Kopfschütteln. Schön wäre natürlich, wenn die Anlieger die Sportveranstaltung für ein Straßenfest nutzen würden, wie man das von vielen Stadtmarathons kennt. Kneipen gibt es ja hier genug. Ich habe auch schon mal diesbezüglich an den Bezirksausschuss Au-Haidhausen geschrieben. Dem reicht aber das jährliche Seifenkistlrennen im Frühjahr als Event völlig aus. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Unser Vorbild kann man beim Hamburg Marathon besichtigen. Ach ja, in Haidhausen wohne ich übrigens.

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