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Laufberichte

Der Feind des Stöckelschuhs

 

Mit dem Namen Montafon konnte ich bis zu unserem Ausflug nicht viel anfangen. Der Titel des Laufs „Montafon Arlberg Marathon“ gibt aber immerhin einen Hinweis darauf, dass man sich zur Teilnahme an diesem Event ins westliche Österreich begeben muss. Genauer gesagt liegt das Montafon in Vorarlberg, dem zweitkleinsten österreichischen Bundesland. Für Reisende aus dem Norden bietet sich die Anfahrt über Bregenz am Bodensee an.

Wir nehmen den Freitag frei, um ohne Stress anzureisen. Leider will ich mal wieder sparen und verzichte auf das Pickerl, das 8 Euro kosten würde. Ein Fehler, der sich noch rächen soll: Die 76 km auf der Bundesstraße von der Grenze bei Lindau ziehen sich fürchterlich in die Länge. Wir sehen viele Geschäfte und Industriebauten sowie einige Ortsdurchfahrten. Erst hinter Bludenz geht es ins Grüne. Ich schwöre hiermit hoch und heilig: Beim nächsten Mal werde ich mir ein Pickerl leisten.

Wenn ich schon mal beim Sparen bin: Mit jedem Kilometer von der Grenze weg sinken die Spritpreise. 50 km machen hier 10 Cent pro Liter aus. Beim Tankstopp in Bludenz dann der erste Kontakt mit dem Vorarlberger Dialekt: Es wird hier ein hoch- oder höchstalemannisches Deutsch gesprochen, das einen Bayern vor richtige Probleme stellen kann. Natürlich schwenkt man mir zuliebe dann auf eine Art Tirolerisch um. Wobei mir das wirklich Spaß macht: Man merkt, dass man wieder mal auf einer schönen Reise ist, wo es halt anders ist als daheim.

Ohne Navi finden wir hinter dem Bartholomäberg (Umweg!) in die Gemeinde Silbertal, Startpunkt des 13. Montafon Arlberg Marathons. Der Ort liegt im 22 Kilometer langen gleichnamigen Tal, umgeben von der Verwallgruppe. Im 13. Jahrhundert kamen die Walser aus dem Kanton Wallis nach Vorarlberg und besiedelten die höher und abseits gelegenen Gebirgstäler.

Hauptanziehungspunkt war damals wohl das Silbererz. So wurde 1319 der Berg „Muntafune“ erwähnt. Heute heißt er Kirstberg und am Marathonstart liegt die dazugehörige Kabinenbahn. Im Sommer kann man hier viele schöne Wanderungen unternehmen. In der kalten Jahreszeit wird dem Wintersport gefrönt. So bietet sich den 900 Einwohnern mit ihren 900 Gästebetten ein weiteres Auskommen neben der Landwirtschaft. Der Erzabbau wurde nach der Entdeckung Amerikas mit den dortigen riesigen Silbervorkommen eingestellt. Für einen Besuch des Bergbaumuseums fehlt uns leider die Zeit.

Unser Hotel „Silbertal“ entpuppt sich als erstklassige Wellness-Location und liegt direkt neben dem von außen etwas antiquiert anmutenden Vereinsheim, in dessen modernem Saal die Startnummernausgabe erfolgt und die Pasta- oder „Sura-Kees-Party“ stattfindet. Wobei sich noch die Frage stellt, was Party wohl auf Alemannisch heißt. Sura Kees  lautet die Bezeichnung für eine der Käsesorten, die hier hergestellt werden. Die Spezialität gibt es schön angemacht mit Folienkartoffeln. Wer's klassischer mag, bekommt natürlich auch seine gewohnten Nudeln. Vier Saucen stehen zur Auswahl. Und Sura Kees gibt’s zum Probieren obendrein. Ich genehmige mir dazu ein Gläschen Rotwein. Vor einem gemütlichen Bergmarathon wird das doch erlaubt sein.

Ein Getränk nach Wahl ist in der Startgebühr von 44,- bis 65,- € enthalten, ebenso wie Tiroler Speck, eine Packung „Hirschboxerl“-Dauerwürstchen und ein Stirnband. Wer noch ein Sackerl braucht, greift zur  bekannten blauen Tasche des Hauptsponsors Sparkasse. „Kuh, Berg, Kuhglocke“ sind drei Piktogramme auf den Helferhemden. Da kann ich mir eine witzige Bemerkung nicht verkneifen. Nicht wissend, dass es morgen ein Finisher-T-Shirt mit ebensolchem Aufdruck geben wird.

Wir lernen Roland aus der Schweiz kennen, der uns von vielen schönen Bergläufen in seiner Heimat vorschwärmt. Und natürlich kann man dann auch viel über Wechselkurse und Ähnliches diskutieren und einige Vorurteile ausräumen – Reisen bildet!

Vom Hotelbalkon aus sehen wir die Sonne hinter den Bergen untergehen und beobachten noch bis spät in die Nacht, wie gegenüber auf dem Friedhof bei der Pfarrkirche die Blumen auf den Gräbern gegossen werden. Ich lese „Das Montafon. Der natürliche Feind des Stöckelschuhs“ im Infoheft. Na ja, Judith und ich haben uns ohnehin für Trailschuhe entschieden und damit die richtige Wahl getroffen.

Nach wenigen Stunden Schlaf weckt uns das Läuten der benachbarten Kirchenglocken pünktlich um 6:00 Uhr. Das Frühstück wird heute bereits ab 6:30 Uhr serviert und von vielen Gästen in Laufkleidung rege genutzt. Mein Tigerentenbadewannenthermometer zeigt eine Außentemperatur von 25° C an. Ich überlege kurz, ob ich das Thermometer mitnehmen soll, belasse es dann aber beim Fotoapparat. Eincremen ist angesagt: Zwar hasse ich den klebrigen Faktor 50, doch will ich meine Haut nicht stundenlang ungeschützt den alpinen Sonnenstrahlen aussetzen.

Danach geht’s zum Feuerwehrhaus, bei dem noch Nachmeldungen und die Abholung der Startunterlagen möglich sind. Auch die Taschenabgabe befindet sich hier. Für die Teilnehmer, die im Zielort St. Anton übernachtet haben, gibt es einen Shuttlebus. Ebenso können die Züge und öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos mit der Startnummer genutzt werden.

Zunächst steht um 8:00 Uhr der T33-Trail an: Drei Bewerbe bei 1190 m Höhenunterschied -  Laufen, Speedhiken und Marschieren - werden gewertet. Eine super Sache für alle, die sich einen ganzen  Bergmarathon (noch) nicht zutrauen. Auch hierfür befindet sich das Ziel in St. Anton, es wird aber gleich talaufwärts gelaufen. Zwei Stunden später wird der 16-km-Panoramatrail gestartet, der in St. Anton beginnt und auch dort endet.

Um 8:25 Uhr bittet Rennleiter Günter Ernst die Marathonis, den Schatten des Feuerwehrhauses  endlich zu verlassen und sich aufzustellen. Er gibt noch ein paar praktische Hinweise zu den heißen Temperaturen: Auf eine Kappe sollte niemand verzichten. Grußworte in heimischem Idiom spricht Thomas Zudrell, der Bürgermeister von Silbertal. Dann der Startschuss. Der Sprecher Martin Ebster, Geschäftsführer des Tourismusverbands St. Anton am Arlberg, stand zu nah an der Pistole und hört erst mal nichts mehr.

Wir laufen auf der Straße zwei Kilometer das Tal hinab, bevor wir auf der anderen Seite des Bächleins Litz nach vier Kilometern wieder zum Dorf zurückkommen. Unsere Wirtsleute, die Familie Zudrell, erkennen uns in der Läuferschar und werden gleich abgelichtet. Nach diesem ersten „Einlaufprogramm“ empfangen uns im Startbereich die Kleinen vom Sparefroh Fröschlemarathon und die älteren Kinder vom Kids- und vom School Run. Da kann man Hände abklatschen... Von einer der größten Freilichtbühnen Europas bekomme ich nichts mit. Dieses Jahr wird dort von Ende Juli bis Ende August das Sagenschauspiel „Silvretta & Vereina – die Töchter des Alfonso Baretto“ aufgeführt.

Auf dem Forstweg geht es am Rande der Litz nach oben. Insgesamt sind 1600 Höhenmeter zu bewältigen. Richtig angenehm kühlt ein laues Lüftchen. Viele spektakuläre Ausblicke auf die Felsen im Fluss gibt es zu sehen. Wasserfälle an den Zuflüssen. Ein Hochwassermarker von 2005 zeigt an, dass es hier ganz schön gefährlich werden kann. In Schruns am unteren Talende wurde nach einem Hochwasser schon 1910 ein Schutzdamm errichtet. Ebenso gibt es weiter unten zwei Wasserkraftwerke. Eine schöne Kombination aus beeindruckender Naturszenerie und Energiegewinnung. In der Infobroschüre wird unter dem Titel „Das Montafon denkt grün“ der Besuch einer Ausstellung in den Silvretta-Pumpspeichern empfohlen. Ein dritter Speicher ist gerade im Bau.

Auf 1.300 Metern Höhe an der Gieslaalpe die nächste große Wasserkaskade. Ein Aussichtspunkt läge nur 50 Meter entfernt. Ich entscheide mich gegen einen Umweg. Ein großer Misthaufen kündigt die Tierzucht an. An der Verpflegungsstelle Alpe Gafluna (1.360 m) gibt es dann erst Schweine zu sehen und danach Kühe sowie einen riesigen Stier. Ein Kameramann legt am Wegesrand einen Sicherungsgurt an. Kurz danach holt ihn ein Hubschrauber ab. Montafon TV produziert einen Bericht vom Marathon. Als der Heli wieder startet, stehe ich mit dem Fotoapparat und neben mir Wolfgang mit Handy bereit. Im Tiefflug kommt das Ungeheuer auf uns zu. Ich zeige auf Wolfgang und rufe: „Er war's“. Er macht dasselbe in meine Richtung. Wen von uns beiden wird es erwischen? Kurz vor uns dreht der Hubschrauber ab und wir machen uns eilig aus dem Staub. Wir überholen einen T33-Trailwalker mit riesigem Werberucksack vom Sponsor Panto Outdoor.

Hinter dem Verpflegungspunkt Untere Freschalpe in 1.566 m Höhe verlassen wir den Wald und haben den Eindruck, in einem Werbeprospekt für das Montafon zu stehen. Eingerahmt von 2500 m hohen Bergriesen auf beiden Seiten taucht der Schwarzsee auf, umgeben von alten Tannen und Fichten in allen möglichen Grüntönen. „Endlich fernsehen ohne Werbung“ verspricht die Tourismusbroschüre mit Recht. Die ersten Latschenkiefern tauchen auf. So könnte es ewig weitergehen.

Dann aber doch Szenenwechsel bei der oberen Freschalpe (1.887 m, km 20). Das Ende der Forststraße ist erreicht. Bis hierher haben wir uns mit einer Kombi aus Laufen und Marschieren hochgeschraubt. Zweieinhalb Stunden sind vorbei. Geübtere „Bergfexe“ konnten sicherlich den ganzen Weg laufend zurücklegen.

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