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Laufberichte

Primavera in Messina

19.04.09

Co-Autor: Jens Rochti

Vor einem Jahr feierte la Maratona della Città di Messina seine Premiere. Am 22. März erfuhr ich in Rom von der zweiten Austragung des Marathons in Messina am 19. April 2009 und schon stand mein Entschluss zur Teilnahme fest. Jens brauchte auch nicht lange überredet werden und so flogen wir von Köln nach Palermo. Per Mietwagen ging es nach Taormina, einem meiner Lieblingsplätze in Sizilien.

Von Taormina aus hat man einen fantastischen Blick über das gut erhaltene griechische Theater hinüber zum Ätna, der sich der Jahreszeit gemäß noch schneebedeckt zeigte. Schon der Geheimrat Goethe war auf seiner Italienreise von diesem Ausblick begeistert.

Geheimtipp mit großem Potenzial

Gegenüber den großen italienischen Marathonläufen wie Rom, Florenz oder Venedig hat der Marathon in Messina einen noch vergleichsweise bescheidenen Zuspruch. Der Marathon hat jedoch großes Entwicklungspotential. Man kann den Marathon sehr schön mit einer Reise durch Sizilien verbinden. Es gibt unzählige historische Stätten und Kulturdenkmäler zu besuchen. Hinzu kommt die Schönheit der Landschaft mit ihrer großartigen Natur.

Diese Kombination wird dem Lauf in den nächsten Jahren sicherlich weitere Zuwächse bringen. Gegenüber der Premiere 2008 verzeichneten die Veranstalter bereits eine beachtliche Teilnehmersteigerung von 20%.

Von Taormina fuhren wir über die Autobahn in einer halben Stunde nach Messina. Dort trafen wir weitere Teilnehmer aus Deutschland, die über LaufKultTour eine Reise zum Marathon gebucht hatten. Sonja, die Chefin, war selbst mit von der Partie. Wir schlossen uns unseren Landsleuten an und hatten ein unterhaltsames und interessantes gemeinsames Wochenende.

Kulturprogramm vom Feinsten

Am Freitag waren wir alle gemeinsam mit italienischen Freunden bei Familie Aliberti in Messina zum Abendessen eingeladen. Antonello Aliberti ist der Veranstalter des Marathons. Zusammen mit seinen Schwestern Pinella Aliberti, Senatorin der Stadt Messina und Lucia Aliberti, einer weltbekannten Opernsängerin, hatte er in sein Haus geladen. Mama Aliberti hatte Pasta mit Salsiccia und andere Köstlichkeiten vorbereitet. Es schmeckte wunderbar. Wir ignorierten alle Regeln einer sinnvollen Marathonvorbereitung und folgten den Aufforderungen von Mama Aliberti zuzugreifen. Schließlich sei alles „Benzina“ für den Marathon. Wir ließen es uns schmecken.

Pinella Aliberti lud uns noch für Samstag ins Rathaus der Stadt ein, wo wir sogar vom Bürgermeister persönlich empfangen wurden. Der Bürgermeister freute sich über den Zuspruch zum Marathon und wünschte allen beim Lauf die Schönheit der Landschaft hautnah erleben zu können und Messina laufend zu erleben.
Im Rathaus von Messina schlug im Übrigen einst eine der Geburtsstunden der Europäischen Gemeinschaft. 1955 trafen hier die Außenminister der Gründerstaaten der EG zusammen und bereiteten die Römischen Verträge vor, die 1956 in Rom unterzeichnet die EG begründeten.

Neuaufbau nach Erdbeben

Kurz nach unserem Marathon in Rom wurde die Region um L’Aguila in den Abruzzen von einem schweren Erdbeben heimgesucht. Ganz Italien war tief betroffen. Erdbeben kennt man nur zu gut auch in Sizilien. Messina wurde im Jahr 1908 durch ein schweres Beben völlig zerstört. Durch das Erdbeben und die dadurch ausgelöste Flutwelle kamen zehntausende Menschen ums Leben.
Wer heute durch Messina geht sieht eine neu aufgebaute Stadt. Nur an einigen Stellen kann man noch die ursprüngliche Höhe der Bebauung erkennen, wie zum Beispiel am wieder aufgebauten Dom. Die neue Stadt wurde auf den Trümmern der zerstörten Häuser errichtet, so dass der Boden der Stadt angehoben wurde.

Sightseeing mit Fabio - mit Blick auf den Ätna

Fabio, Sizilianer mit Leib und Seele, in Catania geboren und in Berlin arbeitend, zeigte uns im Anschluss an unseren Besuch im Rathaus einige der Schönheiten Messinas, u. a. den Dom und das Glockenspiel am Campanile. Nach dem Abholen der Startunterlagen im Marathon Village an der Piazza Cairoli fuhren wir mit Fabio als Reiseführer ins Hinterland.

Bei Randazzo konnten wir noch recht junge Lavaströme des Ätna sehen. Der Vulkan ist ständig aktiv. Stets umweht eine Dampfwolke aus dem Inneren des Vulkans den Gipfel. Regelmäßig bricht der Vulkan aus und stößt Lava aus. Allein die Stadt Catania zu seinen Füßen wurde bereits achtmal durch den Vulkan zerstört.

Der Ätna ist über 3.340 Meter hoch. Der Gipfel war noch schneebedeckt. Man kann sogar Skifahren dort, wenn der Vulkan nicht gerade wieder einmal ausbricht. Ich bin nicht zum ersten Mal hier. Vulkane üben eine große Faszination auf mich aus und ich bin wieder von der Schönheit des Vulkans überwältigt. Die Sizilianer nennen den Berg Mongibello – Berg der Berge. Wenn man den Ätna in seiner Schönheit und Gewaltigkeit sieht versteht man warum er so genannt wird.

Tipp für Geniesser

Fabio führte uns nach Floresta, wo wir in der Trattoria del Rocca hervorragend speisten. Wir waren hier auf einer Höhe von 1.200 Metern und es herrscht ein raueres Klima als an der angenehm warmen Küste. Es gab wiederum köstliche Pasta, vorweg Vorspeisen, diverse Fleischgerichte und einige Flaschen Wein. Für 10 Personen für Ganze 150 Euro!

Dazu gab es kostenlos hinter der Trattoria einen markanten Felsen, der bereits frühgeschichtlich besiedelt wurde. Wir ließen es uns nicht nehmen den Felsen zu besteigen und genossen die Aussicht.

Auf der Rückfahrt machten wir noch einen Abstecher nach Bronte und besuchten das Castello Nelson, ehemaliger Besitz von Lord Nelson, dem Sieger der Seeschlacht von Trafalgar. Ein englisches Schloss am Ätna, wer hätte das gedacht.

Jens und ich hatten vom Mittagessen in der Trattoria del Rocca noch genug und begleiten Fabio nicht zum Abendessen. Die Gefahr, am Sonntag nicht mehr laufen zu können war uns zu groß.

Frühlingslauf

Am Sonntag scheint die Sonne vom Himmel. Wir frühstücken in Ruhe und machen uns dann auf den bekannten Weg nach Messina. Um acht Uhr ist noch nichts los. Wir können ungehindert in die Nähe des Starts an der Piazza Cairoli fahren und unser Auto parken. Im Marathon Village treffen wir wieder auf Fabio, Sonja und unsere weiteren Freunde. Alle sind bester Stimmung und freuen sich auf den Lauf. Sonja, Martin, Karl-Heinz und Jens laufen mit mir den Marathon. Fabio, Alessandra, Margherita und Philipp begnügen sich mit dem Halben und haben daher keine roten, sondern blaue Startnummern. Ein Kinderlauf und Handbike-Marathon runden das Programm ab.

Zur deutschen Truppe stößt noch Christoph. Er ist auf Urlaub in Sizilien und hat vor Ort von dem Lauf erfahren und sich spontan angemeldet. Vor dem Start treffen wir Pinella Aliberti wieder. Zusammen mit dem Sportdezernenten der Stadt wünscht sie uns viel Spaß.

Den werden wir haben. Die Sonne lacht vom Himmel, es herrschen angenehme Temperaturen, die Akkus der Kamera sind gefüllt, es kann losgehen. Fabio hat lustige kleine Sonnenschirme als Kopfbedeckung organisiert und wir sind nunmehr für jeden als Tedecso (Deutsche) erkennbar. Der Gag kommt an.
Kurz nach neun fällt der Startschuss und wir verlassen die Piazza Cairoli. Wir werden sie noch mehrmals im Laufe des Tages wiedersehen, führt der Kurs doch in mehren Schleifen mit Wendepunkten insgesamt fünfmal an die Piazza Cairoli.

Stadtbummel mit Besuch bei der Marine

Die erste Schleife führt uns über die Via Guiseppe Garibaldi vorbei am Theatro und dem Municipio und wieder zurück. Die leichte Steigung hinauf zur Piazza Cairoli merke ich hier gar nicht. Sie wird mir erst beim letzten Anstieg bewusst. Nun folgt eine Schleife über die Viale S. Martino, erneut die Piazza Cairoli und eine Schleife um den Hafen. Wir dürfen sogar in die Marine Basis laufen.

Der Besuch bei der Marine ist für mich einer der Höhepunkte des Laufes. Man sieht hinüber zur Küste Kalabriens, läuft auf die Madonnina dello Stretto, dem Wahrzeichen des Hafens von Messina, zu. Im Marinehafen liegen Minensuchboote und andere Marineschiffe vor Anker. Gewaltige Anker liegen nebeneinander aufgereiht zu Füßen der Madonnina dello Stretto, Marinesoldaten grüßen die Läufer in schmucker Uniform. Kurz vor dem Verlassen des Marinestützpunktes kommt mir der Besenwagen entgegen. Ihn werde ich aber heute nicht mehr sehen.

Lauf ans Ende Siziliens

Nach der vierten Passage vorbei an der Piazza Cairoli geht es erneut über die Via Guiseppe Garibaldi und vorbei am Teatro und Municipio. Nun aber heißt es ans Capo Peloro, das nordöstlichste Ende der Insel Siziliens, zu laufen. Von Weitem grüßt dort ein gewaltiger Turm die Läufer. Er markiert den Wendepunkt der Laufstrecke.

Bevor die Marathonläufer Messina vorübergehend verlassen ist für die Halbmarathonis der Wendepunkt erreicht. Sie laufen unter einen blauem Bogen zurück Richtung Start. So kommen mir viele Läufer mit blauer Startnummer entgegen. Ich sehe auch Fabio und Alessandra wieder und wir klatschen uns ab. Sie haben es wie die anderen Halben bald hinter sich, mein Vergnügen hält noch eine Weile an.

Wir laufen entlang der Küste mit herrlichem Blick hinüber zum Festland. Kalabrien ist deutlich sichtbar. Mir fällt Homer und Odysseus ein.

Stretto di Messina, so nennen die Italiener die Meerenge zwischen Sizilien und Kalabrien. Die gefahrvolle Straße von Messina war seit jeher unter den Seefahrern gefürchtet. Strudel und Strömungen forderten ihren Tribut.

In der Antike beschrieb Homer die Gefahren in dramatischer Weise. Er setzte die Naturgewalten mit den beiden unsterblichen, den Seefahrern den Tod bringenden Wesen Skylla und Charybdis gleich. Skylla wohnte nach Homer auf einem Felsen an der Küste Kalabriens, Charybdis gegenüber auf der anderen Seite auf dem nordöstlichsten Sporn Siziliens. Skylla besaß zwölf missgestaltete Füße und sechs Hälse, jeden mit einem Haupt versehen in dem sich drei Reihen von Zähnen befanden. Mit jedem ihrer sechs Rachen schnappte Skylla nicht nur Meerestiere sondern auch vorbeifahrende Seefahrer. Von Charybdis hingegen ging Todesgefahr durch das Einschlürfen des Wassers der Meerenge aus.

Wehe den Seefahrern, die sich den beiden Ungeheuern in der Meerenge näherten. Ein Entkommen war unmöglich. Homer lässt in seinem Werk die Felsen der beiden Küsten nur wenige Meter voneinander liegen. In Wirklichkeit beträgt die Entfernung drei Kilometer.

Zu Sizilien gibt es viele weitere Sagen und Geschichten aus der Antike, etwa den Flug des Daidalos auf der Flucht vor der Rache des Minos, den Tod des Minos oder die Abenteuer des Herakles.

Unser Abenteuer hat genau eine Länge von 42,195 Kilometern und führt uns zum Sporn der Charybdis, immer mit Blick auf die gegenüberliegende Seite Skyllas.

Einsam im Regen

Das Wetter verändert sich. Die Sonne verschwindet und es fängt an zu regnen, gerade als ich die erste Hälfte hinter mir habe. Nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei. Die Temperaturen bleiben angenehm zum Laufen, da die Sonne sich zwar zeigt, es aber immer wieder Phasen mit bedecktem Himmel gibt.
Läufer habe ich nur noch wenige um mich herum seit die Halben weg sind. Aber auch so macht das Laufen Spaß. Die Strecke bietet vor dem Erreichen des markanten Turmes noch zwei Überraschungen. Wir müssen zwei schöne Seen umlaufen. Wir sehen den Turm schon recht nahe, müssen aber immer wieder abbiegen, bevor wir ihn endlich erreichen. Turm ist übrigens nicht richtig formuliert. Das Ding sieht aus wie ein Sendemast ohne Sendeeinrichtungen bzw. Strommast ohne Stromkabel. Ist aber gewaltig. Hat auf der kalabrischen Seite auch ein Gegenüber. Skylla und Charybdis?

Fisch nur zum Anschauen

Fischliebhaber kommen nun voll auf Ihre Kosten. Die Strecke führt entlang der Küste mit tollem Blick auf das greifbar nahe Kalabrien zurück nach Messina. Wir laufen durch kleine Fischerdörfer. Immer wieder sehe ich Fischläden, in denen frischer Fisch zum Verkauf ausliegt. Ein Fischhändler winkt mich in seinen Laden und ich schaue mir das Angebot an. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Verschiedene Fische, Muscheln, Austern, Langusten, usw. Ich kann gerade noch so den Laden verlassen. Fisch gibt es eben später (beim Abendessen mit Fabio und Freunden in Taormina).

Zuschauer haben wir nicht viele an der Strecke. Dafür aber Autofahrer. Die Strecke ist jedoch zumeist gut abgesichert. Es sind viele freiwillige Helfer und Carabinieri im Einsatz.

Auch ohne Fisch ist für die Läufer gut gesorgt. Es gibt ausreichend Verpflegungsstände mit Wasser und Isogetränken in Bechern und Flaschen. Dazu gibt es Bananen- und Apfelsinenstücke, Kekse und - was mich besonders freut – Rosinen. Verhungern und verdursten muss keiner. Ich greife gerne bei Keksen und Rosinen zu und freue mich schon auf das Abendessen in der Gewissheit, dass Fabio wieder etwas Besonderes aussuchen wird. Ich sollte nicht enttäuscht werden.

An den Schwammstationen zur Erfrischung der Läufer lehne ich stets dankend die angebotenen Schwämme ab und tauche lieber meine Kappe ins Wasser. Es ist immer ein schönes Gefühl sie mit Wasser gefüllt aufzusetzen.

Verkehr in der Stadt

Entlang der Küste mit Blick zum Meer nähere ich mich Messina. Plötzlich taucht Jens vor mir auf. Wir laufen zusammen und erleben nicht mehr die ruhige Stadt des frühen Sonntagmorgen. Messina ist aufgewacht und es herrscht reger Verkehr auf den Strassen.

Noch einmal laufen wir über die Via Guiseppe Garibaldi und sehen leicht erhöht die Piazza Cairoli vor uns. Wir laufen unter dem Beifall der Zuschauer ins Ziel und erhalten unsere Finisher-Medaille. Dazu gibt es eine nette Überraschung. Wir bekommen ein Handtuch mit dem Logo des Messina Marathons. Freundliche Helfer lösen die auf der Rückseite der Startnummern befestigten Chips und wir nähern uns zielstrebig der Zielverpflegung und holen wir uns Obst (Banane und Apfelsine) und Wasser- und Isoflaschen.

Wir treffen rasch unsere Halben wieder. Fabio, Alessandra und Philipp haben ihren ersten Halbmarathon geschafft und sind guter Dinge. Sonja, Martin und Karl-Heinz kommen auch bald und alle freuen wir uns bei Pasta und Vino Rosso der Freiwilligen Feuerwehr über einen schönen Lauf.

Heimspiel in Taormina

Den Abend verbringen wir noch gemeinsam in Taormina. Diesmal haben Jens und ich Heimspiel. Die Stufen im Teatro Greco fallen nicht allen von uns leicht. Fabio hat natürlich wieder eine Restaurantempfehlung, die wir nicht abschlagen. Es wird ein schöner Abend, in dessen Verlauf wir unsere Kohlenhydrat- und Flüssigkeitsdepots auffüllen und viel Spaß haben. Man sieht sich wieder in Messina.

Fazit

Ansprechende Veranstaltung mit viel Potential, optimal mit einem Urlaub zu kombinieren. Sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Für 20 bzw. 25 € erhält man ein Funktionsshirt, Medaille, Handtuch und eine Packung Pasta im Starterbeutel. Grandiose Landschaft und die Kulturdenkmäler Siziliens gibt es gratis dazu.

Sieger

Frauen

1. Guiseppina Chiolo, Italien  3.14,24 Std.
2. Lara La Pera, Italien  3.19,49 Std.
3. Tatiana Betta, Italien  3.22,15 Std.

Männer

1. Philemon Kipkering Metto, Kenia 2.18,56 Std.
2. Joshua Rop Kipchumba, Kenia 2.20,54 Std.
3. Maarouf Abderrahim, Marokko 2.33,13 Std.

 

Informationen: Messina Marathon
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