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Laufberichte

Das Rennen am Lago Maggiore

13.11.05
Autor: Klaus Duwe

Im Land des Viktor Röthlin wird schnell gelaufen

 

Schon die Fahrt ins Tessin ist an diesem Wochenende ein Vergnügen. Nicht der sonst dichte Verkehr Richtung Süden oder der obligatorische Stau vor dem Gotthard trübt die Vorfreude auf Sonne, Wasser und Laufen. Die riesigen Lärchenwälder an den Berghängen und Tälern leuchten in sämtlichen Herbstfarben. Die Berggipfel sind mit ganz wenigen Ausnahmen noch völlig schneefrei.

 

Veranstaltungsort des Maratona Ticino ist Tenero am Lago Maggiore. Ungefähr 20 % des zweitgrößten oberitalienischen Sees (nach dem Gardasee) liegt in der Schweiz mit den durch den Maggia-Fluß getrennten Städte Ascona und Locarno.

 

Die 15.000 Einwohner zählende Stadt war schon im Mittelalter recht wohlhabend und wurde durch die Mailänder Familien Visconti und Rusca gegen die Schweizer verteidigt, bis es Anfang des 16. Jahrhunderts doch an die Eidgenossen fiel und 1803 Teil des selbständigen Kantons Tessin wurde.

 

1925 trat Locarno in den Mittelpunkt der Weltpolitik, als die Außenminister Belgiens, Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Polens und der Tschechoslowakei die Locarno-Verträge aushandelten, die Deutschland den Beitritt in den Völkerbund ermöglichten und zunächst wesentlich zur Entspannung in Europa beitrugen. Im Verhandlungssaal im Castello Visconteo ist heute ein Museum eingerichtet.

 

Das Zentrum der Stadt ist die Piazza Grande, ein mit faustgroßen Kieselsteinen gepflasterter Platz, der als der schönste des ganzen Tessin bezeichnet wird. Alle Straßen und Gassen der Altstadt sind auf diesen von Laubengängen mit Geschäften, Restaurants und Cafés umgebenen Platz ausgerichtet.  Bei open-air-Konzerten oder dem berühmten Filmfestival versammeln sich hier bis zu 7.000 Menschen. Ursprünglich lag der Platz direkt am Seeufer. Aber die Maggia schwemmte immer mehr Geröll und Erde in den See und Locarno als auch Ascona wuchsen so mehr und mehr  in den See hinein. Nicht nur auf der Piazza Grande genießen heute viele Menschen ihren Espresso im Freien, auch die vielen Cafés an der Uferstraße sind gut besucht.

 

Die Marathon-Veranstalter konzentrieren sich ganz auf den Sport und haben kein Rahmenprogramm mit Pasta-Party oder ähnlichem vorgesehen. Deshalb hole ich mir meine Startunterlagen im eidgenössischen Sportzentrum und bin am Abend wieder in Locarno. Zufällig mache ich ein Marktrestaurant ausfindig, bei dem es nicht nur ein Nudel-Buffet gibt, sondern auch die frischen Zutaten für die Soße selbst ausgesucht werden können. Alles wird dann appetitlich vor meinen Augen zubereitet. Selten habe ich bessere Pasta gegessen und selten mehr.

 

Mein Quartier habe ich im Hotel Montaldi. Das ist ganz praktisch, weil es mitten in der Stadt liegt und ich alles zu Fuß machen kann. Am Sonntagmorgen gibt es das Frühstück extra früh und danach fahre ich die paar Kilometer nach Tenero.

 

Erst kurz vor dem Ort begegnen mir die ersten Autos. Alles Läufer, versteht sich. Rund um das große Sportzentrum, in dem es auch Übernachtungsmöglichkeiten gibt, und dem großen Einkaufszentrum der Coop gibt es genügend Parkplätze. Die Infrastruktur ist perfekt. In einem kleinen  Café nehmen die weiter Angereisten ihr Frühstück ein. Viel braucht der Italiener (und ich zähle die Tessiner jetzt mal dazu) dafür ja nicht: Kaffee, Panini, oder Corno, fertig.

 

Es sind auch etliche Deutsche Läuferinnen und Läufer da, die meisten aus dem Badischen. Und dann gibt es natürlich wie überall ein paar Paradiesvögel. Einer hat es mir besonders angetan: kurze Hose, dicke Mütze und Handschuhe, Riesen-Sonnenbrille, dazu dicke gelbe Socken, die mich als „Gelbfüßler“ richtig neidisch machen. Er ist sich seiner Wirkung bewusst und stolziert wie ein Gockel auf und ab.

 

Erst als der Sprecher 5 Minuten vor dem Start noch einmal einen Aufruf startet, versammeln sich circa 300 Marathonis und die schnellsten Halbmarathonläufer zum Start. Um 9.15 Uhr geht es los. Die anderen Läuferinnen und Läufer (noch einmal rund 1.300) gehen 15 Minuten später auf die Strecke. Jetzt klatschen sie erst einmal Beifall.

 

Ich nehme mir vor, langsam zu laufen. Allzu schnelles Anfangstempo ist mir bei den letzten Rennen nicht so gut bekommen. Als ich mich nach genau 6 Minuten und einem Kilometer  umschaue, sehe ich 4 Läufer hinter mir. Das war’s. Im Land des Viktor Röthlin wird halt schnell gelaufen.

 

Die erste Schleife führt uns hinaus in die fruchtbare Magadino-Ebene, vorbei an abgeernteten Maisfeldern, Wiesen und Gewächshäusern. Bis auf einen kurzen Anstieg nach einer Unterführung bei Kilometer 3 ist die Strecke vollkommen flach und durchgängig asphaltiert. Rechts ist ein kleiner Flugplatz, links habe ich einen herrlichen Blick in das weite Tal und auf die Berge. In einiger Entfernung sind vereinzelte Bauernhöfe zu sehen. Es ist ruhig, Zuschauer sind keine unterwegs, nur die Servicekräfte tun ihre Pflicht und feuern uns an: „Forza, forza“.

 

Gleich bei der ersten Verpflegungsstelle gibt es das volle Programm aus dem Sortiment der Sponsoren Coop und Rivella: Wasser, Tee, Marathon-Getränk, Riegel, Bananen und Zitronen.

 

Nach vier Kilometern sehe ich, wie vor mir die Strecke in einer Linkskurve zurück Richtung Tenero führt. Jetzt wird’s hektisch. Die Halbmarathonläufer haben den Rückstand aufgeholt und überholen jetzt massenweise. Zurück am Sportzentrum werden wir von vielen Zuschauern beklatscht. Wir kommen zum Einkaufszentrum und laufen dann auf einer Nebenstraße hinunter an den Lago Maggiore (km 10,5). Auf dem teilweise schmalen  Uferweg geht es entlang von Palmen, bunten Laubbäumen, dem tiefblauen See und prachtvollen Villen und Appartementhäusern  Richtung Locarno.

 

Kaum hat der Andrang der überholenden Läufer nachgelassen, kommen uns die Schnellsten bereits wieder entgegen. Für Abwechslung ist hier also gesorgt. Links liegen Boote auf dem ruhigen See, alle schon winterfest gemacht. Wir erreichen Locarno (km 14) und laufen über die stark frequentierte Kreuzung zur Piazza Grande. Kurz vor dem prachtvollen Platz geht es links vorbei am Glaspalast der Post und durch ein paar enge Gassen gelangen wir zum geschichtsträchtigen Castello Visconteo. Wir umrunden das  große Rondell und laufen wieder Richtung See, kommen zum Hafen und laufen am Ufer dann den schon bekannten Weg zurück nach Tenero.

 

Zwei Kilometer vor dem Sportzentrum ist noch einmal eine Verpflegungsstelle. Danach geht noch um ein paar Kurven und dann links für die „Halben“ zum Zieleinlauf und für die Marathonis auf die zweite Runde.

 

Auch die wird nicht langweilig. Dauernd kommen Läufer entgegen, außerdem kann ich mich an der Landschaft und den Bergen nicht satt sehen. Nach wie vor scheint die Sonne vom blauen Himmel und es werden mittlerweile wohl an die 14 Grad erreicht sein. Das Laufen macht einen Riesen-Spaß und ich freue mich, hier dabei zu sein. Vor mir sehe ich vier Läufer, hinter mir sehe ich drei. Bis zum Sportzentrum habe ich die Vier „eingesammelt“, einer ganz in Weiß hat mich überholt.

 

Dann geht es noch einmal auf den Uferweg entlang des Lago Maggiore. Die Strecke hat auch bei der Wiederholung nichts von ihrem Reiz verloren. Ich komme richtig ins Schwärmen. Die Lokale in Locarno sind gut besucht, die meisten Gäste sitzen im Freien. Permanent kommen Läuferinnen und Läufer entgegen, wir muntern uns gegenseitig auf. An der großen Kreuzung wird jetzt nur für mich der Verkehr angehalten. Ich genieße den Lauf mit allem Drum und Dran.

 

Als ich wieder den See erreiche, sind noch 4 Kilometer zu laufen. Ich spüre, dass ich mir  meine Kräfte gut eingeteilt habe. Ich bin fit und lege etwas Tempo zu. Die Letzten des Läuferfeldes kommen mir jetzt entgegen. Noch einmal kann ich ein paar Läufer überholen, darunter auch den „ganz in weiß“, der nach seinem Tempolauf jetzt ziemlich platt ist. 

 

Fast unbemerkt laufe ich nach zwei fast zeitgleichen Hälften ins Ziel (4:22 Stunden). Die Aufmerksamkeit der Zuschauer ist gerade auf eine Preisverlosung gerichtet. Nur die Dame mit dem Zeitmessgerät nimmt mich zur Kenntnis. Die Zielverpflegung ist nicht sehr üppig, es gibt praktisch nur Rivella. Dafür wurden ja auch gestern an jeden Teilnehmer ein Verpflegungsbeutel mit Getränk, Banane und Riegel ausgegeben.

 

Mir ist es recht so. Ich nehme noch einen Espresso im Stehen, und sage „Ciao“. Der Heimweg ist weit.

 

Streckenbeschreibung

Zwei Wendepunktstrecken in der Magadino-Ebene und am Lago Maggiore entlang nach Locarno, zweimal zu durchlaufen.

 

Starterpaket

T-Shirt, Verpflegungsbeutel mit Getränk, Banane und Riegel

 

Logistik

Parkplätze ausreichend in der Nähe des Sportzentrums, dazu Duschen und Umkleidemöglichkeiten

 

Zeitnahme

Data Sport 

 

Informationen: Maratona Ticino
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