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Laufberichte

(Fast) immer im Mai

 

Als Judith vor Jahren an einem Wochenende beruflich in Würzburg zu tun hatte, traf sie morgens im Hotelflur eine sportliche Familie, die sich auf dem Weg zum Marathon befand. Damals beschloss sie, auch einmal an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Zur 16. Auflage des läuferischen Großereignisses ist es endlich so weit: Um 9 Uhr fällt neben dem Congress Centrum Würzburg der Startschuss und wir sind dabei. Vom Gefühl her könnten die zahlreichen Marathon-Transparente mit dem Slogan "immer im Mai" recht haben. Der Kalender weist jedoch den 12. Juni aus, auch wenn es für die Jahreszeit etwas zu kühl ist.

Würzburg ist Sitz der Regierung von Unterfranken und Bischofssitz der gleichnamigen römisch-katholischen Diözese. Die mit rund 125 000 Einwohnern nach München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Ingolstadt sechstgrößte Stadt Bayerns liegt im sogenannten Maindreieck in einem Talkessel im mittleren Maintail. Die Hanglage und die klimatischen Bedingungen machen Würzburg zu einem bekannten Weinanbaugebiet. 

Kurz vor Ende es Zweiten Weltkriegs wurde das eindrucksvolle Zentrum der anno 704 als „Castellum Virteburch“ erstmals urkundlich erwähnten Stadt durch einen Bombenangriff schwer beschädigt. Unter den später rekonstruierten historischen Gebäuden sind vor allem der Dom St. Kilian, ein Hauptwerk der deutschen Baukunst des 11. und 12. Jahrhunderts, die spätgotische Marienkapelle auf dem Marktplatz mit Skulpturen Tilman Riemenschneiders sowie die Residenz mit den berühmten Deckenfresken des italienischen Malers Giovanni Battista Tiepolo zu erwähnen. Letztere wurde 1981 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen, als zweites deutsches Bauwerk nach dem Aachener Dom. Überragt wird die Stadt von der weithin sichtbaren Festung Marienberg, im 13. Jahrhundert gegründet und fast 500 Jahre lang Sitz der Fürstbischöfe. Von einer mittelalterlichen Burg wurde die Anlage später zu einem Renaissanceschloss und schließlich zu einer Barockfestung umgestaltet. 

Im Gegensatz zu früheren Zeiten haben die Marathon-Organisatoren diesmal keine Preisgelder ausgelobt, was den Lauf für bestimmte Läufergruppen uninteressant macht. Das gibt einheimischen Läufern die Möglichkeit, sich weiter vorn zu platzieren. Auf internationale Spitzensportler muss Würzburg Marathon dennoch nicht verzichten: Die Vize-Weltmeisterin 2013 und Vize-Europameisterin von 2014, Valeria Straneo, die mit 2:23:44 auch den italienischen Rekord hält, will nach einer Verletzungspause den Würzburger Marathon zu einem Leistungstest für Olympia in Rio nutzen. Und die aus Äthiopien stammende Belgierin Alemitu Bekele will an gleicher Stelle die Olympianorm ihres Landes unterbieten, die bei 2:37 liegt. Sie wird aber, wie unlängst schon in Zürich, vorzeitig aus dem Rennen aussteigen, als feststeht, dass sie dieses Ziel nicht erreichen kann.

Wir reisen am Samstagmittag an und treffen prompt auf die Italienerin, die am Ende Platz 1 bei den Frauen belegen wird. Auch Spitzensportler müssen hier ihre Startunterlagen abholen. Bei der Marathonmesse im Congress Centrum bietet sich noch die Gelegenheit für letzte Einkäufe. Das schöne Veranstaltungshemd kostet moderate 22,- €. Die Sponsoren informieren über ihre Produkte. Und es begegnen uns wieder diese Stoffhäschen mit den extra langen Ohren, die uns schon in Regensburg und Tuttlingen aufgefallen sind.

Am Infostand erhalten wir einen Umgebungsplan und erkunden damit die Altstadt. Lediglich die Bergpassage zur Festung lassen wir weg. Viele Kirchen liegen an der Strecke und nach und nach stelle ich fest, dass wir auch beim Marathon hier vorbeikommen werden. Dann noch mal zum Congress Centrum zur Pasta-Party, die im Preis enthalten ist und auf geht`s ins romantische Veitshöchheim. Leider können wir keinen lauen Sommerabend am Main verbringen, da es zu nieseln beginnt. 


Marathon-Tag

 

 


Bei der Taschenabgabe im Congress Centrum merkt man schon, dass ein eingepieltes Team bei der Arbeit ist.  Da flutscht alles. Wer zehnmal teilgenommen hat, ist an einer roten Startnummer zu erkennen. Dieses Jahr wird erstmals kostenloser Kaffee an die Läufer ausgeschenkt. Denn ein kleiner Koffeinschub vorab weckt bekanntlich die Lebensgeister und kann durchaus leistungfördernd wirken.

Der Startbereich liegt hinter dem Congress Centrum neben dem Maritim Hotel in der Pleichertorstraße. Wer noch ein dringendes Bedürfnis hat, findet zusätzlich zu den Toiletten im Congress Centrum auch noch am Main eine Reihe mobiler Häuschen. Gleich neben der Pleichertorstraße gibt es rund um die Kirche St. Gertraud nette alte Gebäude, die den Krieg offenbar unversehrt überstanden haben.

Die Zuordnung zu den drei Startblöcken nimmt man selbst vor. Gestartet wird drei Mal im Abstand von fünf Minuten, jeweils begleitet von Böllerschüssen. Wobei dann auch die Bruttozeit für den jeweiligen Block neu beginnt. Um 9:05 Uhr geht es für uns los. Über die breite Veitshöchheimer Straße laufen wir am Kulturspeicher am Alten Hafen vorbei. Der ehemalige Getreidespeicher beherbergt nun unter anderem das Kabarett Bockshorn, in dessen kleinen Kellerräumen namhafte deutsche Künstler auftreten.

Geradeaus ginge es weiter nach Veitshöchheim, eine Gemeinde am Main, die überregional durch die - auch von Politkern gern frequentierte  - "Fastnacht in Franken" bekannt wurde. Dort haben wir am Samstagabend noch den Garten des Sommerschlosses bewundert. ICE-Fahrgäste können von der großen Mainbrücke auf die Ortschaft hinuntersehen. Wir biegen aber ab auf die "Brücke der Deutschen Einheit" über den Main. Irgendwie fühle ich mich an die Istanbuler Hängebrücke erinnert, über die ja auch der Marathon führt. Links erblickt man die Festung Marienberg.

 

 

Die nächsten sechs Kilometer werden wir im Stadteil Zellerau herumrasen, eine Mischung aus Wohn- und Gewerbegebiet. Nur wenige Zuschauer haben sich in die Daimler- und Dieselstraße verirrt. Einige Bewohner schauen von ihren Balkonen oder von Fenstern aus zu und applaudieren. 

Vor dem Eingangstor zum Exerzitienhaus Himmelspforte drehen wir ab. Von der Mainaustraße kann man den Fluss auf der rechten Seite sehen. Ein kurzes Begegnungsstück zeigt mir, dass Judith schon wieder einige Meter zwischen uns gebracht hat. M4Y-Leser Jürgen fragt mich, welche der versprochenen Bands ich an der Strecke schon gesehen habe. Na ja, die "Crash Kidz" an der Brücke haben schon mal richtig aufgedreht und am Start war eine Sambatruppe, aber die "Empire of Dirt" bei km 6 sind wohl vor dem schlechten Wetter geflüchtet. Inzwischen hat es nämlich ordentlich zu regnen angefangen. Trotzdem halten die meisten Zuschauer durch. Für sie ist es ein Leichtes, uns an mehreren Ecken abzupassen, da wir öfter mal um den Block herum müssen. Dabei sehen wir auch die Kletterhalle des Alpenvereins und die staatliche Feuerwehrschule. 

Die Verpflegungsstelle wird von der FDP betreut. Der lustig verkleidete "Schlachtenbummler" Michel, den wir schon von anderen Marathons kennen, ist auch dabei und feuert uns an. Die Crash Kidz, die eigentlich gar nicht so kindlich wirken, scheinen sich von dem bisschen Regen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Auch die Stimmung bei den Teilnehmern ist bestens. Die Zuschauer stehen unter Brücken und Balkonen und die Standbetreuer werden ja eigentlich immer von ungestümen Läufern nassgespritzt. Eine Mitstreiterin freut sich darüber, dass es nicht mehr so schwül ist, und ich merke an, dass es in Zürich noch Schneeregen gab, hier jedoch perfekte Lauftemperaturen herrschen.

 

 

Auf der Dreikronenstraße geht es mainaufwärts. Links schöne Blicke auf die Türme der Innenstadt, vor uns die Alte Mainbrücke, 1120 errichtet und im 18. Jahrhundert mit Heiligenskulpturen versehen. In den Kneipen kann man ein Glas Frankenwein kaufen und das Treiben auf der Brücke oder die Schiffe in der Schleuse betrachten. Das ist an einem warmen Abend sicher wunderschön. Rechts das Spitäle, die Hofspitalkirche mit frühklassizistischer Fassade, heute eine Galerie. Danach das Frauenzuchthaus aus dem Jahre 1810 mit seinen Säulen und Giebeln. Es wurde inzwischen wohl zur Jugendherberge umfunktioniert.

Unter der Ludwigsbrücke die nächste Trommelgruppe. Für die ist so ein Marathon mal eine Möglichkeit, im Freien ihre Künste zu zeigen, an dieser Stelle durch die günstige Positionierung sogar schallverstärkt. Schnurgerade weiter über die Maria-Theresia-Promenade, zu den gut gelaunten "Samba Osengas". Kilometer 10, Sebastian-Kneipp-Weg. Bisher habe ich noch trockene Socken. Im Dallenbergbad wird heute niemand auf der Liegewiese Platz nehmen, dafür gefällt mir hier die Laufstrecke unter dem Straßenbrückengewirr. 

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Informationen: WVV Marathon Würzburg
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