Fotos: Thomas Hagel
Im vergangenen Jahr feierte dieser Waldmarathon im heimischen Mittelgebirge seine Premiere. Ich konnte damals aber nicht dabei sein, weil mich eine hartnäckige orthopädische Verletzung daran hinderte.
Mit einer mehrmonatigen Laufabstinenz gab ich meinem Körper Zeit und Gelegenheit mittels Selbstheilungskräften dieses Malheur zu beseitigen. Und das war genau die richtige Entscheidung, denn meine orthopädische Gesundheit ist vollständig wiederhergestellt.
Der Hochwaldort Schillingen mit etwas über 1.200 Einwohnern liegt gerade mal 17 km von meiner Wahlheimat Trier-Tarforst entfernt. Wegen der geographischen Nähe und dadurch dass mein Lauffreund Hans-Peter Roden bei dem Marathonveranstalter dem Verein Spiridon Hochwald sehr engagiert ist, war es gerade ein Muss, mich für die Teilnahme zu melden.
Beim Betrachten der Webseite des Veranstalters fiel mir auch der Satz auf: „Ganz unabhängig vom Alter und Geschlecht, für jeden gibt’s das passende Tempo!“ Damit fand ich meine eigene Sichtweise über das Laufen bestätigt.
Um 13.00 Uhr wird der Startschuss abgefeuert und ein überschaubares Häuflein von etwa 50 Läufern rennt los.
Über einen geteerten Feldweg verläuft die Rennstrecke einige 100 m bergan, vorbei an dschungelartig undurchdringlichen Maisfeldern in der mittäglichen Frühherbsthitze von ca. 25 Grad C. Ja, ich spüre die eigentlich sommerliche Wärme sofort und lasse mich in Begleitung von Hans-Peter Roden in seiner Eigenschaft als Schlussläufer von der Läuferhorde zurückfallen.
Nach wenigen Minuten erreichen wir den nahen, Schatten spendenden Wald und die Temperatur fällt wieder auf Wohlfühlgrade.
Wie fast immer in der letzten Zeit laufe ich ohne Uhr und orientiere mich ausschließlich an meinem persönlichen Wohlfühlrhythmus. Es ist mittlerweile für mich das mehr als 300. Langsteckenrennen und ich bin mir sicher, genau zu wissen, was gut ist für mich. Denn ich werde im November mein 66. Lebensjahr vollenden und habe ernsthaft vor, auch weiterhin meinen geliebten Laufsport durch Teilnahmen an Marathon- und Ultramarathonveranstaltungen auszuüben.
Gut kann ich mich noch an den Slogan der „Trimm-Dich-Bewegung“ der 70-er Jahre erinnern, der da lautete: „Laufen ohne zu Schnaufen.“ Leider haben sich dann später die Lauftreffs zu regelrechten Zeitbolz-Treffs gewandelt, in denen hauptsächlich 10 km-Rennen durchgeführt wurden.
Und das war von Anfang an n i c h t meine Welt, konnte es auch schwerlich sein, da ich erst im Seniorenalter von 54 Jahren zum Laufsport kam. Da ist die Zeit zur Erlangung von Grundlagenschnelligkeit vorüber.
Aber der spätjugendliche Körper ist sehr wohl für Ausdauerleistungen wie Marathons, 100-km-Läufe und mehr geeignet, wenn die Zielzeit nicht in den Vordergrund gestellt wird.
Hans-Peter geht als Schlussläufer auf meinen Rhythmus ein und wir unterhalten uns gut in diesem noch spätsommerlich wirkendem Mittelgebirgswald, wo allerdings erste Herbst-Ankündigungen durch sich verfärbendes Laub sichtbar werden. Er erzählt von seinen für ihn wohltuenden Barfußläufen und empfiehlt mir, gleiches zu versuchen. Aber meine Skepsis demgegenüber ist nach wie vor sehr groß. Ich erinnere mich als wenn es gestern gewesen wäre an einen ca. 40-jährigen Barfuß- Läufer, den ich nach 66 km auf dem Emmedamm beim Bieler Hunderter 2010 überholte und dessen Füße aus Hunderten von Schnittwunden bluteten…
Der Streckenverlauf findet teilweise auf mir sehr bekannten Wegen, nämlich dem SH-Steig statt, auf dem Anfang Juni das erste 2-Tages-Etappenrennen von Idar-Oberstein nach Trier verlief.
Und viel schneller als erwartet sind bereits die ersten 11 km zurückgelegt, wo es nach einer Verpflegungsstelle über den sogenannten Knüppeldamm trockenen Fußes über ein Hochmoor weiter geht.
Das uns gut bekannte, weit und viel laufende, immer Lebensfreude ausstrahlende Paar Sascha Kaufmann und Brigitte Mollnar, sowie der ebenfalls sehr lebenslustige Thomas Hagel machen gerade Photoaufnahmen, die man wirklich als Demonstration der Leichtigkeit des Seins betiteln kann. Wie immer sind diese angenehmen Zeitgenossen guter Dinge und ich fühle mich in ihrer Gesellschaft sehr wohl.
Über Wurzelpfade mit weichem Fichtennadelteppichboden laufen wir wie junge Ziegen mühelos den Berg hinab, um dann langsam joggend oder schnell gehend einen steilen Forstwirtschaftsweg bergan zu schreiten.
Und so geht es weiter, immer wieder auf und nieder. Selten nur ist die Strecke flach. So nach 20 km kommen wir zum 2. Mal an den Keller See, verlassen den Schatten spendenden Wald, und zum ersten Mal beeinträchtigt jetzt doch diese Sonnenhitze mein Wohlgefühl. Leichter Nieselregen würde mir jetzt gut gefallen.
Hans-Peter und auch Thomas springen jetzt im kindlichen Übermut durch einen ca. 40 cm tiefen und an dieser Stelle 3 m breiten Bach. Meine Erfahrungen mit fürchterlichen Blasen an meinen Füßen, so geschehen bei einem Abenteuerlauf auf der franz. Antilleninsel Martinique, hindern mich daran, gleiches zu tun.
Bei der nächsten VP wählen meine Begleiter als Erfrischungsgetränke Bitburger Pils. Dieses „Heilwasser aus der Eifel“ verschmähe ich normalerweise auch nicht, aber der Zeitpunkt während dieser Langstreckenbelastung erscheint mir dann doch nicht so günstig, und ich konsumiere weiterhin nur Wasser und Coca-Cola.
Feste Nahrung nehme ich nicht zu mir, da ich sie erstens nicht benötige und zweitens sich mein Körper an den reichlich eingelagerten Reserven bedienen soll.
Die VP’s kommen so alle 5 km und an einer Stelle, wo die Gefährten sich wieder Bier greifen und sogar Grillfleisch verzehren, sehe ich nur alkoholische Getränke im Angebot und glaube daher, dass dies gar keine reguläre Verpflegungsstelle ist und renne weiter, in der Annahme eine Wasserstelle käme gleich danach.
Leider muss ich später erfahren, dass dieser Platz sehr wohl Cola und Wasser bevorratete. Nach wenigen km macht sich durch diese Irrung das Dahinschwinden meines Wohlgefühls stark bemerkbar. Ich komme in Durstnot, meine Beine bewegen sich nicht mehr so leicht, und mein Körpergewicht hat sich gefühlsmäßig verdoppelt … Das Ganze geschieht bei ca. 30 km.
Ah, jetzt sehe ich hinter einer Kurve wieder einen Verpflegungsstand und rechts wieder den Knüppeldamm. Dort mache ich eine schöne Pause und trinke viel Wasser und Cola, während meine Begleiter der Bitburger Brauerei weiteren Umsatz bescheren. Thomas verkündet vollmundig, ich sollte mich daran beteiligen, sei ich doch total unterhopft.
Die weitere Reise ist eine Wiederholung, zuerst der Knüppeldamm, dann der Wurzelpfad mit einem weichen Teppich ähnelndem Fichtennadeluntergrund. Nur ich fühle mich gegenwärtig nicht mehr wie ein hoppsender Ziegenbock, sondern eher wie ein afrikanischer Hyppothamus, auch Nilpferd genannt.
Egal, den ansteigenden Waldweg nehmen wir wieder gehend und die dann folgende Bergabwärtspassage wird wieder flott gelaufen.
Mit Hans-Peter unterhalte ich mich intensiv über Brutal-Läufe wie dem Marathon des Sables, UTMB und Grand Raid de la Reunion, die Zeit vergeht wie im Flug. Schon kommt das 40 km-Schild, und wir verlassen wieder den Wald. In der Ferne kann ich einen flügellahmen Läufer erkennen, der gehenderweise sich dem nicht mehr weiten Ziel nähert.
Es ist Detlef Stemmler, den wir dann wenige 100 m vor dem Finish einholen. Ein kurzer Anstieg ist noch zwischen den Maisfeldern zu überwinden, und dann geht es steil bergab dem Triumphbogen aus Gummi und Luft entgegen.
Hand in Hand laufen wir nun zu Sechst mit Freudengeschrei durchs Ziel. Und statt einer Medaille bekommen wir eine wirklich sehr schöne Läuferfigur aus Metall. In der Halle findet dann noch die Siegerehrung mit einer darauffolgenden Tombola statt.
Thomas gewinnt gerade das für ihn Richtige, ein 5-l Bierfässchen nämlich. Und ich gewinne eine Tragetasche mit Milch - und bleibe also weiterhin unterhopft.
Beim Verlassen der Festhalle hat bereits die Dämmerung eingesetzt und der Herbst macht sich mit jahreszeitlich kompatiblen Temperaturen bemerkbar.
Ein für mich sehr schöner Tag geht zu Ende.
Laufberichte | ||||||
05.09.15 | Zu guter Letzt |
Birgit Fender |