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Laufberichte

Rund um Seurasaarenselkä Fölisöfjärden

 
Autor: Joe Kelbel

Als ich in Taka-Töölö Bortre Tölö ankomme, suche ich den Lähtö, denn dort ist der Töölön Kasahalli, der in der Nähe vom Maali ist. Das ist in etwa links vom Töölönlahti Tölöviken.

Also der Lähtö, der Start des Marathons, ist in der  Mäntymäentie an der Nordenskiöldlinkatu, dort ist auch das Töölön Kisahalli, die Sporthalle von Töölö mit der Startunterlagenstelle. Und der Maali, das Ziel, ist nebenan im Olympiastadion von Helsinki. Die Jugendherberge (Stadion Hostel, 12-Bett Zimmer, 29 €) ist unterhalb der Tribüne des Stadions. Der Seurasaarenselkä Fölisöfjärden ist der Golf von Helsinki, den wir am Samstag zweimal auf verschiedenen Routen umrunden werden.

Den Verpflegungspunkt nennt man Virkistysasema, Schwammstationen heissen Huuhteluasema. Wie Salzgurken, die Hauptverpflegung beim Helsinkimarathon heißen, habe ich nicht recherchiert. Ging auch gar nicht, habe erst Donnerstag den Flug für Freitag gebucht. 

Der Flug nach Tampere, dem Billigflughafen, lohnt sich nicht wirklich. Von dort sind es nochmals 2,5 Stunden und 45 € (einfache Fahrt) nach Helsinki.

Der Helsinki Marathon ist eine spontane Entscheidung, Sabine hat selkärankaa oder so und mir deswegen ihre autojen määrä, also die Startnummer geschenkt. Ich lasse die autojen määrä in der Töölön Kasahalli für 10 € auf meinen Namen umschreiben und erhalte einen Champion-Chip zur Leihe, so wie jeder Läufer.

Für „Ausländer“ gibt es einen separaten Startnummernschalter. Die Aneignung dieses Töööröm Töröö während des kurzen Fluges hätte ich mir also auch sparen können. Aber witzig ist es schon, zumal ich bald feststelle, dass das erste Töööömtömtöm der Ortsbezeichnungen finnisch, das zweite Töröö schwedisch ist. Man lebt hier also doppelsprachig.   

Vom Olympiaturm hat man einen wunderbaren Blick auf das Stadion, wo morgen der Zieleinlauf ist, die Stadt und die glitzernde Bucht mit den vielen Inseln, unsere morgige Laufstrecke.

In der Markthalle am Hafen erstehe ich ein dickes Stück Lachs, das ich vehement gegen die aufdringlichen Möwen verteidigen muss. Besser isst man auf dem Marktplatz, wenige Meter weiter. Dort werden Schlemmer mit Netzen vor den Biestern geschützt.

Allerlei Beerenobst wird auch angeboten, 250 Gramm Erdbeeren kosten 7 €. Für den Sundowner beim Café Mattolaituri (Teppichbrücke) muss man noch tiefer ins Portemonnaie greifen, dafür überträgt sich die Ruhe der edlen Schärensegler, die im goldenen Abendlicht zwischen den Inselchen segeln.

 

Der Lauftag

 

Der Start ist um 15 Uhr (Finnlandzeit + 1 Std). Zeit genug, die durch die schlechte Matratze in der JH beleidigten Knochen zu sortieren. Ich hatte wortwörtlich das letzte Bett in der JH erwischt. Die Schlafgeräusche der schwedischen Marathon-Kameraden waren enorm und drangen sogar durch die Kaugummies, die ich mir in die Gehörgänge stopfte. Aber glaubt mir, ich habe mich gehörig und unvergesslich revanchiert!

Der Marathon beginnt mit einer Runde um den Eläinterha Djugarden, dem Zoogarten. Der Zoo wurde nie realisiert, nur ein traumhafter Park. Bei km 3 am Töölönlahti -See, ist Helsinkis berühmte Joggingstrecke. Den Park muss man sich unbedingt sonntags anschauen, wenn die Finnen ihre weissen Picknickmöbel aufstellen.  An der Südseite der Bucht die Finnlandia Halle, Nationaloper und Nationalmuseum.

Wir sind jetzt im Süden vom Einkaufscenter Taka-Töölö Bortre Tölö und laufen durch das attraktive Wohngebiet Taka-Töölö Frame Töld. (Ich muss jetzt selber lachen, beschränke mich ab sofort nur noch auf die finnische Ortsbezeichnungen, sonst wird das heute nix.)

Bei km 6 geht ein Weg auf die Schäreninsel Rajasaari, auf Meilathti (km 7) residiert der finnische Premierminister. Zwei Kilometer weiter führt ein Weg über eine schmale Holzbrücke zur Insel Seurasaari. Ein traumhaftes, unbewohntes Eiland mit von Gletschern geschiffenen Grantifelsen und einem Freilichtmuseum mit richtig urigen Schrumpelhäusern.

Auf der Schäreninsel Kuusisaari  (km 10) leben die ganz reichen Finnen. Sämtliche Botschaften sind hier angesiedelt. Von der nächsten Brücke ist die Insel Keilaniemi (km 12) sichtbar. Unverkennbar, dass hier der business district von Helsinki ist. Im Norden schliesst das Univiertel an.

Km 15, ich  genehmige mir ein Lapin Kulta (Lappland Gold). Nun gibt es in Lappland recht wenig Gerste, also gar keine, weswegen man diese wichtige Zutat per Containerschiff ins Land bringt. Das Wasser dort oben scheint so gut zu sein, dass sich der Aufwand auch für die weit südlich wohnenden Konsumenten lohnt.

Bald geht es wieder ostwärts entlang der Länsiväylä, der Autobahn,  nach Lauttasaari, einem wunderschönen Wohngebiet. Bevor es über die lange Lauitasaarensahmi-Brücke ( km 18 ) geht, gibt es es eine der kalten Duschen, die etwa alle 5 km installiert sind. Rechter Hand der Länsisatama, also klar, der Hafen mit den großen Fährschiffen.

Ab der Halbmarathomarke kommen wir zu den Superlative: Links oben, auf dem Felsen steht das höchstgelegene Klohäuschen Finlands. Vor der Teppichbrücke, dort, wo ich gestern den Sundowner einahm, sitzen drei Schönheiten. Auf der Teppichbrücke, einer Holzanlage am Ufer, werden noch immer die Teppiche gewaschen und zum Trocknen auf die Holzgestelle gehängt. Dass hier auch Läufer (Merkt ihr das Wortspiel?) gewaschen werden, halte ich für ein Gerücht, obwohl ich mich angesichts der drei Mädels nicht wehren würde.

Die Festungsinsel Suomenlinna wurde während des Krimkrieges (1854-1856) zerstört. Die Franzosen finanzierten den Wiederaufbau, um den russischen Einfluß zu begrenzen. Ein finnischer Bekannter von mir musste den Brunnen wieder ausgraben, er hatte Wehrdienst und Zivildienst verweigert. Ein Jahr später hatte er uraltes Leergut und Münzen ans Tageslicht gefördert, berief er die Presse ein, präsentierte dem Parlamentsgebäude seinen blanken Arsch und hat nun Finnlands berühmtesten Hintern.

Das Km-Schild 23 fotografiere ich so, dass die beiden Gebäude der verfeindeten Segelclubs Helsinkis (grün und rot) zu sehen sind. Vor dem grünen Gebäude liegt die SY Blue Marlin (1937). Das stolze Schiff, mit dem Greta Garbo segelte, wurde in Südamerika gefunden, per Container hierher verfrachtet und originalgetreu restauriert.

Vor dem Olympiahafen blicken wir direkt auf ein wunderschönes gelbes Eckhaus. Es war die Residenz von Nikolai Iwanowitsch Bobrikow, dem russischen Generalgouverneur. Finnland war von 1809 bis 1917 autonomer Teil Russlands.

Es geht weiter Richtung Hafen, vorbei an der Markthalle Vanha Kauppahalli. An hölzernen Ständen in dem Backsteingebäude von 1888 kann man die besten Delikatessen genießen. Wer nicht wie ich ein fettes Stück Lachs mit den Möwen teilen will, dem empfehle ich saunageräucherten Schinken oder dickes Bärenfleisch. Das mögen die Fluggäste bestimmt nicht.

Das 40 Meter hohe Riesenrad hat Glasboden in den Gondeln. Links davon sieht man die Russisch-Ortodoxe Kirche(1869). Unter der Kirche befindet sich Finnlands Internetknotenpunkt. Kaum zu glauben, aber die Finnen sind auch nicht blöd. Heimlich gruben sie einen Bunker unter der Kirche, der nun, nach dem Kalten Krieg, als Rechenzentrum genutzt wird.

Bei km 24 erreichen wir den Kauppatori, den Marktplatz mit dem Obelisken samt russischem Doppeladler und dem Stein der Zarin. Wir laufen links in Richtung Esplanade. Der Brunnen, mit der freizüge Meerjungfrau Havis Amanda (1906) ist mit einem häßlichen schwarzen Kasten überbaut. Nein, er wird nicht renoviert. Ein „Künstler“ baute hier ein Schlafgemach in den Armen von Havis Amanda, das man mieten kann. Nun zahlen die Leute Eintritt, um reichen Mietern, die sich gerne die Havis Amanda von unten anschauen, beim Pennen zuzuschauen.

Wir passieren die Sommerbühne. Man kann sich die Hotelübernachtung sparen und hier die Nacht verbringen, wenn Alleinunterhalter und Nachwuchskünstler ihr Können darbieten. Der Eintritt ist frei. Noch besser lässt sich das Treiben von gegenüber, der Terrasse des Cafe Kapelli, beobachten. Die Namen der großen, imposanten und stilistisch wunderbaren Kaufhäuser zeugen von der Gründung durch Münsteraner Hansekaufleute.

Ein Besuch in der Kämp Galerie, dem architektonisch bewundernswerten Kaufhaus, lohnt sich. Parallel zur Pohjoisesplanadi (Esplanade, wie ich sie nenne), ist die belebte Fußgängerzone Aleksanterinkatu. Darüber leuchtet der Dom von Helsinki. An der Ecke das Cafe Engel, welches nachts ein  beliebter Treffpunkt für Streuner wie meinereiner ist. Der Berliner Architekt Carl Ludwig Engel baute ab 1812 Helsinki zur Hauptstadt aus.

Die Pohjoisesplanadi ist die Haupteinkaufstrasse und km 25 leider der Wendepunkt.  Gerne wäre ich noch vorbei am Dom, oder der Russischen Kirche und entlang der alten Speicherhäuser gelaufen. Ein Trost: beim Savoy, rechts rein. Beim „König Helsinki“ sollte man seine Abende verbringen. Beim Helsinkimarathon ist der weibliche Anteil 30%, dort im Hinterhof sind es 70%. Einige Mädels haben einen Gänseblümchenkranz im langen, blonden Haar. Das Auge trinkt mit! Wie sagte Sampsa zu mir: „ If you d´ont find one here, you will never find one !“ Gut, aber  ich bin zum Laufen hier!

Ernüchternder Blick auf Vanhakirkko, der alten Kirche, die inmitten des Ruttopuisto, des Pestparkes liegt. 1180 Tote der Pest von 1710 liegen hier. Hört sich nicht viel an, aber zu der Zeit lebten nur 1800 Menschen in Helsinki. Es gab keine Administration, die eine Beseitigung der verseuchten Leichen organisierte. Wer trug die Pesttoten hierher? Als die Russen die Stadt eroberten, fanden sie lediglich noch lebende 30 Bewohner vor.

Nun laufen wir die Runde im Uhrzeigersinn zurück. Wie in Stockholm ist die zweite Runde leicht abgeändert und quert die Seurasaarenselkä-Bay über kleine Schäreninseln, die über Brücken verbunden sind.

Bei km 30 geht es wieder über die Lauitasaarensahmi-Brücke (vorher km 18) und mit einem Schlenker durch Lautasaari, bevor wir bei km 33 „Neuland“ betreten. Es ist die Abkürzung  auf die 400 Meter lange Schäreninsel Kaskisaari hinüber nach Lehtisaari. Bis 1950 war Kaskisaari aufgeteilt zwischen einem Apotheker und einem Geschäftsmann. Erst 1961 wurde die Insel besiedelt. Der Rennfahrer Kimi Räikkönen wohnt hier auf einem der schönsten Inselchen in Hauptstadtnähe. Nur Stockholm, Auckland und Apia könnten da mithalten.

Lehtisaari (Insel der Blätter) bietet auf der Südseite in einem sonnendurchfluteten Park wieder eine Traumlandschaft. Bei km 36 treffen wir auf die Route des Hinweges (km 10), auf der Insel Kuusisaari. Aber zwei Kilometer weiter verlassen wir den Hinweg wieder und begeben uns für einen Schlenker nach Ruskeasuo. Hier überqueren wir über die imposante Fußgängerbrücke die Mannerheimintie, benannt nach dem Marschall Mannerheim. Von ihm ist folgende Geschichte überliefert:

Hitler besuchte Mannerheim, um ihm zum 75. Geburtstag zu gratulieren. Bei dieser Gelegenheit wollte der GröFaZ den Finnen zu einem stärkeren militärischen Vorgehen gegen Rußland zu drängen. Mannerheim steckte sich demonstrativ eine Zigarre an, um den militanten deutschen Nichtraucher mit dem komischen Oberlippenbart zu düpieren. In der Schlacht von Tali Inhantala besiegte Mannerheim dann die Russen, handelte 1944 einen separaten Waffenstillstand mit der Sowjetunion aus und vertrieb die deutsche Wehrmacht.

Nach den zahllosen kleinen Steigungen der Strecke verlangt der Hügel im Laakso-Park die letzten Reserven, dann geht es hinein ins Olympiastadion (1952) zum Maali, dem Ziel. Die Runde im lichtdurchflutenden Stadion vertreibt mir an diesem Abend die letzten Zweifel, ob meine operierte Achillessehne halten wird. Ich bin zurück. Das Leben geht endlich weiter! Die Scheinwerfer sind nur für mich! Herrlich, ich habe gesiegt!

Fazit:

Der Helsinki Marathon ist wunderschön. Aber es ist nicht ganz der Park-und Seen-Marathon, wie er vom Veranstalter angepriesen wird. Dafür geht es zu viel über und entlang von Strassen.

Im Ziel werden Unmengen an Lebensmittel verteilt. Aber ich kann unmöglich vier Brote, Bananen, Quarktöpfchen, Müsliriegel usw. in meinem Fluggepäck mitnehmen. Und ein Kilo Butter ist mein Jahresbedarf! Gerne hätte ich diese Dinge an den kargen Verpflegungsstationen gehabt, denn nur mit Bananen, Gurken, Iso und Wasser kann ich nicht laufen.

Der Finne – nüchtern betrachtet- ist freundlich, lieb und nett. Doch hat er keine Ahnung, wie man Party macht. So bleibt für uns Deutsche dieser Hauptstadtmarathon ein netter Lauf im Rahmen eines unterdurchschnittlichen Sommers. Besondere Highlights sind die genannten Ausgehtipps! So wird der Helsinki Marathon dann doch noch unvergesslich!

 

Informationen: Helsinki Marathon
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