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Laufberichte

Über Vortopp, Großtopp und Besan

16.06.13

Vortopp, Großtopp und Besa, das sind die drei Masten der Gorck Fock. Der Wilhelmshavener Marathon hat eigentlich zwei Namen. Es ist der Gorch-Fock-Marathon und es ist auch der meer-marathon. Den Namen Gorch-Fock werden wohl die meisten kennen, durch das Segelschulschiff der Bundesmarine. Es ist bereits die Gorch-Fock II, die heute die Weltmeere befährt. Der Dreimaster ist eine getakelte Bark, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. weit verbreitet als Hochseefrachter genutzt wurden.

Wenn schon Gorch-Fock-Marathon, dann auch ein paar Daten zum Schiff. Die Gorck-Fock II hat einen Stahlrumpf und drei Masten. Die Takelage besteht aus dem 45m hohen Vortopp, dem mittleren 44,9m hohen Großtopp und dem hinteren 39,8m hohen Besantopp. Die gesamte Takelage gliedert sich in 23 Segel mit einer Gesamtfläche von rund 2.000 m2.

Das Segelschulschiffes wurde nach dem Mundart- und Heimatdichter Johann Wilhelm Kinau benannt. Er verfasste Anfang des 20. Jh. viele Gedichte und Erzählungen in Plattdeutsch. Sein Roman „Seefahrt ist Not!“ beschrieb das Leben der Hochseefischer auf Finkenwerder in heroisierender Weise und fast jeder Junge hat zu damaliger Zeit das Buch gelesen. Der Name Gorch Fock war einer seiner Schriftstellernamen, den er aus Namen seiner Vorfahren gebildet hat.

Der Gorch-Fock-Marathon steht schon länger auf meiner Marathon-Wunschliste und nun wird es wahr. Dieter und ich fahren schon am Samstag über die Ostwestfalenstraße von Warburg nach Herford und weiter über das Wiehengebirge vorbei am Neustädter und Goldenstädter Moor (Moormarathon am 25. August 2013) über Oldenburg an den Jadebusen. Hier am Nordwestufer liegt die Kaiserstadt Wilhelmshaven die 1869 nach König Wilhelm I. von Preußen benannt wurde. Das „v“ im haven ist kein Schreibfehler, sondern niederdeutsche Schreibweise.

Hier findet schon zum 8. Mal der Gorch-Fock-Marathon mit den 6. Bundeswehrmeisterschaften im Marathon statt. Am Samstagnachmittag rennen die Kleinen (Kinder und Schüler) um die Wette. Die langen Strecken 10km, HM und Marathon starten am Sonntag. Initiator und Veranstalter des Events ist die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung e.V. (EAS), die im Laufe der Jahre die Unterstützung bzw. als Co-Veranstalter die Stadt Wilhelmshaven, die Marine am Standort sowie den Kreis-Leichtathletikverband Wilhelmshaven (KLV) gewinnen konnte.

Mit jährlich über 1 500 Teilnehmern an den zwei Tagen hat sich die Veranstaltung etabliert. 186 Marathonis werden dieses Jahr im Ziel gewertet. Unser erstes Anlaufziel ist das Gorch-Fock-Haus, denn hier ist das Meldezentrum und die Pasta-Party, sowie der Start und das Ziel.

Sonntag, der Startplatz an der Virchowstraße füllt sich langsam. Es treffen so nach und nach um die 1.200 Läuferinnen und Läufer ein. Es ist 9:30 Uhr und die 10-km Läufer, die knapp die Hälfte ausmachen, gehen auf die Reise um den Großen Hafen, zum Ausrüstungshafen und zurück.

Jetzt gibt es ein wenig Platz und die Marathonis (ca. 170) und die Halbmarathonis (ca.550) versammeln sich unter bzw. hinter dem roten Startbogen. Um 15:15 Uhr ist Zielschluss, maximale Laufzeit für den Marathon also 5 ½ Stunden. Die Halbmarathonis müssen um 13:00 Uhr (Laufzeit 3 ¼ Stunden) im Ziel sein. Wir starten gemeinsam um 9:45 Uhr.

Der Wetterdienst sagt Tageshöchsttemperaturen von 16 Grad, eine Niederschlagswahrscheinlichkeit von 60% und 8 Sonnenstunden voraus. Vorweg: Es gibt, außer vom Regen, von allem mehr.

Die Meute wird heute nicht mit einem Schuss auf die Strecke geschickt, denn wir sind bei der Marine und da wird angeglast. Vorne geht es wie immer ordentlich zur Sache, die Halben wollen schnelle Zeiten auf dem flachen Kurs laufen. Bei mir hinten geht es gemütlicher zu. Hier wollen viele den Tag und den Lauf genießen.

Am Theater vorbei laufen wir in die Fußgängerzone, wo am Morgen kaum jemand auf der Straße ist.  Am Ende der autofreien Straße kommen wir durch eine Siedlung mit den typischen, roten Backsteinhäuschen. Wenig später führt uns der Banter Weg durch die Südstadt direkt runter zum Kanalhafen, den wir über die Rüstringer Brücke überqueren.

Gleich nach der Brücke kommt die erste Getränkestelle und wir kommen ins Industriegelände. Vorbei an  einigen Gewerbehallen kommen wir zum Hafengelände der Segel-, Kanu- und Wassersportler am Banter See. Die ersten 5km sind geschafft.

Zwischen dem Banter See und dem Jadebusen laufen wir jetzt in Richtung Großer Hafen. So nah am Wasser ist es erstaunlicherweise windstill. Man kann  entspannt laufen und so komme ich mit Patricia ins Gespräch. Sie erzählt, dass sie vor einem Jahr noch 110kg auf die Waage brachte und durch Laufen  und Kampfsport über die Hälfte ihres Gewichtes verloren hat. Sie läuft heute ihren ersten Halbmarathon und wird ihn in unter 2:20 finishen und damit auch noch die Altersklasse gewinnen. Hut ab, Klasse.

Hinter km 6 kommt Carsten zu mir aufgelaufen. Wir kennen uns schon von Chemnitz. Auch heute werden wir den weiteren Weg zusammen laufen, frei nach Goethe:  „Man reist nicht um anzukommen, sondern um unterwegs zu sein“.

Bei km 7 geht es über den Deich runter ans Wasser. Wir laufen an einigen Mobil-Homs vorbei und haben jetzt leichten Rückenwind. Es gibt wieder eine Versorgungsstation, mit Flüssigem und Obst. Wir sind am Jadebusen, dem wir ein Stück folgen.

Der Jadebusen ist eine 190 km2 große Meeresbucht,  die bis zum Einbruch des Meeres im Mittelalter eine schwimmende Moorlandschaft war. Das Sehestedter Schwimmende Moor am östlichen Jadebusen ist weltweit das einzige Außendeichmoor.

Die nächsten knapp vier Kilometer folgen wir dem Wasser und dem Watt in Richtung Oceanum. Wir sind auf dem Südstrand. Der Wilhelmshavener Südstrand ist der einzige nach Süden ausgerichtete Strand an der deutschen Nordseeküste. Er ist jedoch kein breiter Sandstreifen, sondern ein Rasenstrand mit gepflasterter Uferböschung. So ist er gleichzeitig Deich und Küstenschutz.

Mir fällt ein alter Volkssport der Friesen ein, den man auch in Wilhelmshaven betreibt. Es ist das Bosseln. Ziel ist, eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine bestimmte Distanz zu werfen. Ähnliche Wettbewerbe sind das Klootschießen und  Kloatscheeten.  In manchen Regionen gibt es richtige Wettkämpfe, Dorf gegen Dorf.

Am Ende des Südstrandes sind 10km geschafft!  Am Seewasseraquarium vorbei kommen wir zum  Hafen mit den Helgolandfähren. Von hier aus kann man auch zu einer Hafenrundfahrt starten. Eine Gruppe junger Mädels vom Karnevalsverein betreut uns freundlich an der Getränkestelle.

Wir überqueren den Deich und es geht weiter dem Deich entlang, vorbei an der Nassaubrücke und dem Senckenberginstitut. Neben uns liegen noch drei ehemalige Hafeneinfahrten, die jedoch zugeschüttet sind. Nur die gewaltigen Kaimauern ragen noch ins Wasser.

Dann erreichen wir die Ostmole. Hier heißt es STOPP für Zivilisten. Ausnahmsweise dürfen die Läufer heute passieren. Es besteht Gefährdungsstufe ALPHA, was „alles im grünen Bereich“ bedeutet. Die höchste Stufe ist Delta und bedeutet „dicke Luft“.

Bis zur Wende haben wir Gegenverkehr.  Freudestrahlend kommt mir Vielstarterin Maria entgegen. Sie wird heute den 2. Platz in ihrer AK erringen. Ihr folgt eine Gruppe junger Soldaten, die um die Bundeswehrmeisterschaften kämpfen. Einige von ihnen kommen am Nachmittag ziemlich breitbeinig oder gebückt daher.

Würde man die Mole bis zum Ende laufen, käme man zu den Speicherkavernen, in den die Deutschlands Erdölreserven lagern. Dass Wilhelmshaven sehr eng mit der Marine verbunden ist, sehen wir im Tiefwasserhafen. Es ist der zweitgrößte Standort der Bundeswehr und der größte Hafen der deutschen Marine. Direkt neben der Laufstrecke steht die F212 (Fregatte Karlsruhe) und auch die F219 (Fregatte Sachsen). Fregatten werden oft als Geleitboote einsetzt. Sie sind die kleinsten Kriegsschiffe, die noch selbständig operieren können.

Die Strecke führt uns bis zum Ende des Großen Hafens. Bei Gegenwind ist das Laufen jetzt etwas schwerer. Auf dem alten Signalturm könnte man nächtigen. Dann sind wir am Deutsche Marinemuseum. Auf dem  3000m2 großen Freigelände kann man unter anderem ein Minenjagdboot, einen Lenkwaffenzerstörer und ein U-Boot besichtigen.

Die Kaiser-Wilhelm-Brücke wird gerade restauriert. Mit 159 Metern Spannweite ist sie die größte Brücke in Wilhelmshaven. Als sie zwischen 1905 und 1907 erbaut wurde, war sie die größte Drehbrücke Europas. Noch heute ist sie eines der Wahrzeichen der Stadt.

Am Ende des Hafens ist es auch mit dem Gegenwind vorbei. Am Bontekai  liegen die Museumsschiffe Kapitän Meyer und das Feuerschiff Weser liegen. Dann biegen wir ab zur Innenstadt.

Sowas wie an der Christuskirche habe ich auch noch nicht erlebt. Hier ist ein richtiges Stimmungsnest. Der Pfarrer begrüßt jede Läuferin und jeden Läufer namentlich und die Gemeinde feiert die Ankömmlinge. Die Christus- und Garnisonskirche ist ein roter Backsteinbau und eng mit der Stadtgründung verbunden, denn die Gründungsurkunde dieser Kirche ist zugleich das Dokument, in dem Kaiser Wilhelm der Stadt ihren Namen gab.

Gleich gegenüber laufen wir zum Kaiser-Wilhelm-Platz. Am Ende des kleinen Parks steht eine Skulptur  zur Erinnerung an die Arbeiter in der Kaiserlichen Werft. Dann sind wir wieder auf der Marktstraße. Nach einem kurzen Stück sind wir vor der Marathonweiche, Marathonis links vorbei und geradeaus in die Fußgängerzone, Halbmarathonis rechts ab in die Zielstraße.

Wir laufen erneut durch die noch immer verwaiste Fußgängerzone, dann ist die Hälfte geschafft.  Vor der 40 Meter langen Rüstringer Brücke über den Ems-Jade-Kanal laufen wir diesmal nicht drüber, sondern folgen dem Kanal bis zur Mariensieler Schleuse (km 26), die den Kanal mit dem Wilhelmshavener Hafen verbindet.

Wir überqueren den Kanal und laufen jetzt bis zum Flughafen Wilhelmshaven-Mariensiel, von dem aus man auf die ostfriesischen Inseln fliegen kann.  Nach einem kurzen Anstieg sind wir auf dem Deich und haben einen herrlichen Blick auf den Nationalpark Wattenmeer.

Neun Kilometer vor dem Ziel passiert, was passieren muss. Der Radler mit der Roten Laterne holt uns ein. Wir übernehmen jetzt die ehrenvolle Position von Ioanna von der Offiziersschule der Luftwaffe. Sie läuft heute ihren ersten Marathon.

Na so was, im Gespräch mit dem Rote-Laterne-Fahrer stellt sich heraus, dass er und ich 1988 in Berlin unseren ersten Marathon gelaufen sind. Unsere Position wird uns in der Folge mehrfach streitig gemacht. Aber alle Kandidaten werden eingesammelt und im Auto ins Ziel gebracht.

Km 40, wir nähern uns der Christuskirche. Diesmal kommt uns der Pfarrer aber nicht ohne Erinnerungsfoto davon. Dann ist unser Lauf auch gleich vorbei. Es gilt nur noch, rechtzeitig vor Zielschluss über die Matte zu rennen.

Geschafft, Zielfoto und ein alkoholfreies Weizen.

Fazit: Ein schöner Lauf durch die Stadt und am Jadebusen entlang. Nie langweilig nur manchmal windig. Wer keine Berge hat, hat wenigstens den Wind. Schade, dass man die Startzeiten gegenüber dem letzten Jahr verändert hat, denn es ist schöner wenn die Halben und die 10er zeitversetzt nach den Marathonläufern auf die Strecke gehen.

Ins Ziel kamen 153 Marathonis, 417 Halb-Marathonis, 514 10-km Läufer und noch viele Bambinis, Kinder und Schüler. Insgesamt haben sich 1.785 Läufer gemeldet. 1.544 sind durchs Ziel gelaufen.

Marathonsieger:
Männer
1. Raphael Igrisianu  Don Marathon Running  2:57:52
2. Stephan Wendeling  Freiwillige Feuerwehr Sande 3:01:09
3. Markus Mikat   Hubschraubergeschwader 64 3:03:09

Frauen
1. Gabriele Schulte  Marathonclub Walsrode  3:27:19
2. Petra Thoms   LTV Kiel-Ost   3:55:22
3. Beate Tüncher   1. Marineoperationsschule 3:59:06

 

Informationen: Gorch-Fock-Lauf
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