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Laufberichte

Stadtfest in St. Wendel

01.05.11
Autor: Klaus Duwe

Wer an diesem Wochenende im Saarland nicht in den Mai getanzt ist, der Familie keinen Maiausflug versprochen hat und auch zu keiner Kommunion eingeladen ist, steht in St. Wendel  an der Startlinie. Das sind nicht wenige, aber auch nicht viele.

Jedenfalls waren es schon mehr. Die Verantwortlichen hatten es befürchtet, trotzdem am Termin 1. Mai festgehalten. Jetzt machen Bürgermeister Klaus Bouillon und sein Orga-Chef Thomas Wüst gute Miene zu den schlechten Meldezahlen, lassen aber in ihren Bemühungen nicht nach, denen, die nach St. Wendel kommen, eine perfekte Veranstaltung zu bieten.  Das Wetter passt ideal -  Sonne und mit 20 Grad ist es (den meisten) nicht zu warm.

Wenn man nicht aus dem Saarland oder der angrenzenden Gegend kommt,  weiß man vielleicht gar nicht, wo  St. Wendel liegt (ca. 36 km nordöstlich der Landeshauptstadt Saarbrücken) und kennt auch nicht den sagenhaften Ruf der  Kreisstadt als die vielleicht sportlichste Stadt im (nach Einwohnern gerechnet) zweitkleinsten Bundesland.   Rad-, Mountainbike- und Motorsportveranstaltungen mit internationalen Meisterschaften und Cup-Wertungen  sind hier zuhause. Und seit 2007 gibt es den Marathon.

Am ehesten ist St. Wendel jenen ein Begriff, die sich mit den Heiligen auskennen. Der Schutzpatron von Bauern, Landleuten und Tagelöhnern, der Heilige Wendelinus, hat im 6. Jahrhundert hier missioniert. Sein Grab befindet sich in der Wendalinusbasilika. Und das kam so:

Als der charismatische Hirte, wegen seiner bescheidenen Lebensweise, seiner Demut und großen Hilfsbereitschaft und vieler als Wunder bezeichneten Taten hohes Ansehen genießend, starb, errichteten ihm die Mönche ein prachtvolles Grabmal. Am Morgen nach der Beisetzung fand man das Grab geöffnet, der Leichnam lag daneben. Als sich das ein paar Mal wiederholte, kamen die Mönche auf die Idee, dass sie wohl nicht den richtigen Platz für Wendelins Grab ausgewählt hatten. Wie diesen aber finden? Sie luden den Leichnam auf einen Ochsenkarren und ließen den Tieren freien Lauf. Sie zogen den Karren bis an die Stelle, wo heute die Basilika steht und sich seither auch das Grab des Heiligen Wendelin befindet, der auch der Stadt den Namen gab.

An der Basilika muss man vorbei, wenn man vom Schlossplatz, wo das Start- und Zielgelände ist, zum Saalbau will, um seine Startunterlagen abzuholen. Die Pasta-Party ist bei Live-Musik im Festzelt in der Mott. Rätselhafter Name, nicht? Hier die Auflösung: Im 10. Jahrhundert baute man zum Schutz des Ortes auf einem aufgeschütteten Hügel eine kleine Burg, umgeben von einem Palisadenzaun und Wassergraben. Solche Wasserburgen nannte man „Motte“. Das "e" am Ende eines Wortes läßt der Saarländer gerne weg.

Direkt beim Festzelt ist auch eine Tiefgarage. Dort gibt man am Sonntag seinen Kleiderbeutel ab. Das hört sich alles sehr dezentral und nach langen Wegen an. Aber: St. Wendel ist mit 26.000 Einwohnern alles andere als ein Großstadt. Und wäre es hier nicht ziemlich hügelig, könnte man alles mit einem Blick erfassen.

Da drängt sich dem aufmerksamen Leser doch gleich die Frage auf: Wie funktioniert in einer hügeligen Kleinstadt ein Marathon? In Berlin oder New York können sich die Verantwortlichen da wenig abkucken. Sie müssen sich schon an dem orientieren, was sie selber haben und daraus das Beste machen. Und darin sind sie geübt, die Sportfanatiker im Rathaus in St. Wendel.

Ich sag es gleich vorweg: Eine außergewöhnlich schöne Laufstrecke ist dabei nicht herausgekommen. Obwohl die Landschaft rund um St. Wendel das ohne weiteres hergeben würde. Aber man will in der Stadt oder zumindest in der Nähe bleiben und das schränkt die Möglichkeiten ein. Also startet man dort, wo St. Wendel am schönsten ist, auf dem Schlossplatz. Mit leichter Steigung geht es zum Bahnhof, von dort nach links in die Werkstraße und nach der ersten Wende zurück. Einen zweiten Wendepunkt gibt es ganz im Süden auf der B 41 bei Niederlinxweiler (km 10/30) und im Norden in Urweiler (km 19/39). Als Marathoni hat man das ganze zweimal zu laufen.

Macht jetzt nicht den Fehler und winkt gleich ab. Das Beste kommt jetzt. Sportstadt wird nicht, wer im Rathaus zwei „Verrückte“ sitzen hat. Da gehört schon mehr dazu. Ideen müssen in einer perfekten Organisation umgesetzt werden, sie müssen von der Bevölkerung gelebt und getragen werden und in der Wirtschaft Unterstützung finden. Das trifft in St. Wendel zu, das spürt man und das sieht man. Im Starterbeutel findet man jede Menge Rabatt-Gutscheine der unterschiedlichsten Einzelhändler, die Gastronomie hat spezielle Marathon-Menüs und am Sonntagmorgen ein Marathon-Frühstück im Angebot. Und last but not least ist der Handelsriese Globus (31.000 Mitarbeiter, ca. 6 Mrd. Euro Umsatz) mit im Boot. Das 1828 von Franz Bruch gegründete Unternehmen (Lebensmittel, SB-Warenhäuser, Baumärkte, Gartencenter) ist noch heute in Familienbesitz und mit seiner Koordinationszentrale in St. Wendel zuhause.

Das wichtigste aber sind die Menschen. Gingen in Berlin, gemessen an der Einwohnzahl, so viele Leute für den Marathon auf die Straße wie hier in St. Wendel, gäbe es keinen Platz mehr für die Läufer. Glaubt mir, das Finale vom Bahnhof hinunter ins Ziel auf dem Schlossplatz ist einfach sensationell. Auch unterwegs lässt man die Läuferinnen und Läufer nicht alleine. Gäbe es eine Meisterschaft im Feiern, die Saarländer würden, ganz anders wie im Fußball (kennt noch einer den 1.FC Saarbrücken? Felix Magath hat dort mal gekickt!), immer vorne mitmischen. 35 Mal (sagen die Veranstalter) gibt es Live-Musik. Aber nicht nur dort werden die Aktiven begeistert angefeuert.

Zuerst gehen um 9.30 Uhr die Marathon- und Staffelläufer auf die Strecke, um 11.00 Uhr wird der Halbmarathon gestartet. Das ist keine schlechte Strategie, denn so ist das Feld für die Marathonis auf der zweiten Runde etwas belebter. Da ich nur eine Runde und die auch ohne Wertung laufen will, entscheide ich mich sofort für die zweite und erlebe den Marathonstart und die ersten und letzten Kilometer der ersten Runde als Zuschauer und Fotograf.

Die Stimmung ist klasse, Cheerleader tanzen und vom Bahnhof her sind rockige Klänge zu hören. Als dann die ungefähr 1300 Halbmarathonläufer auf die Strecke gehen, ist in der Stadt die Hölle los. Viel ernster als ich es sonst so kenne, gehen viele zur Sache. Einige schütteln den Kopf ob meiner Fotoaktivitäten. Sind das die, die nachher mailen, ich solle ihnen ein Foto schenken?

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Informationen: St. Wendel Marathon
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