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Laufberichte

Liebe auf den ersten Blick

 

Im letzten Jahr entdeckt, wurde der Frauenfelder Marathon sofort zu einem meiner liebsten Läufe. Eine Fahrzeit von unter zweieinhalb Stunden bringt uns in eine andere Welt. Nicht, dass die Schweiz mir fremd wäre. Wir sprechen ja annähernd die gleiche Sprache und bunte Geldscheine haben wir ja mittlerweile selbst. Auch die Gegend um den Bodensee ähnelt sehr unserem Zuhause. Nein - ich meine die parallele Welt des Militärs.

In meiner Jugend war die Wehrpflicht in der damaligen Bundesrepublik eine Selbstverständlichkeit. Nahezu alle meiner männlichen Bekannten können die eine oder andere Anekdote aus dieser Zeit erzählen. Mittlerweile spielt die Bundeswehr bei uns, zumindest was das tägliche Leben angeht, eine eher untergeordnete Rolle.

Ganz anders in der Schweiz: Mit dem 18. Geburtstag ist der männliche Schweizer stellungspflichtig, d.h. er wird zur Armee einberufen. Für Frauen ist dies freiwillig. Die Rekrutierung, in Deutschland auch Musterung genannt, stellt die Diensttauglichkeit fest. Dienstuntaugliche können als schutzdiensttauglich eingestuft werden, um dann ihren Dienst im Zivilschutz zu leisten. Das ist nicht ganz unwichtig, denn wer keinen Wehrdienst leistet, hat mit Ausnahme von Invaliden, eine jährliche Wehrpflichtersatzabgabe von drei Prozent des zu versteuernden Einkommens zu bezahlen. So ist es kein Wunder, dass sich die Bevölkerung eng mit ihrer Armee verbunden fühlt und die Wehrpflicht immer noch befürwortet, wie eine Volksabstimmung im Jahr 2013 erneut bewiesen hat.

Damit sind wir schon bei einem der Gründe, warum ich diesen Lauf spontan in mein Herz geschlossen habe: Die Atmosphäre ist einmalig. Jeder, der sich in Uniform und Packung auf die Strecke begibt, wird als Held gefeiert. Ich kenne keine Zahlen, aber aus Gesprächen mit den Akteuren entnehme ich, dass Aufgeben hier keine Option ist. Der Geist der Waffenläufer bringt jeden ans Ziel. Auch für das Publikum scheint der Frauenfelder kein rein sportliches Event zu sein. Es ist eher Ausdruck von Stolz und Hochachtung, mit dem vor allem die vielen älteren Zuschauer die Protagonisten begleiten. Hier als Ausländer mitlaufen zu dürfen, empfinde ich persönlich als große Ehre.

Die Frauenfelder Kaserne liegt mitten in der Stadt. Der Parkplatz ist um die Ecke. Im Hof haben sich bereits viele Soldaten in eingefunden. Ein Wunder, dass ich Daniel Steiner, Schweizer Kollege aus dem M4Y-Team, im neuem Look, sofort erkenne. Er ist stilecht als Waffenläufer unterwegs. Die Startunterlagen gibt es im ersten Stock. Hier sind einige Zivilisten dabei, sich nachzumelden.

Die Soldaten haben Aufstellung genommen. Der Kommandant bittet einige Jubilare, vorzutreten. Geehrt werden 10-, 15-, 20-und 30 malige Finisher des Frauenfelder Waffenlaufs. Zu guter Letzt kommen noch Markus Zink, Jahrgang 47, den ich bereits letztes Jahr unterwegs kennengelernt habe mit 41 und Toni Fluri mit 44 gefinishten Frauenfelder Waffenläufen an die Reihe. Toni bestreitet zusätzlich heute seinen insgesamt 400. Waffenlauf. Applaus begleitet die Jubilare zurück an ihre Plätze.

Die Zuschauer werden aufgefordert, den Weg frei zu machen, denn es wird abmarschiert. Zuerst kommen die Fahnenträger gefolgt von der Kapelle, dann in Zweier Marschformation die Hauptakteure. Es geht durch die Stadt zum mehrere hundert Meter entfernten Marktplatz. Man stelle sich einen großen Platz vor. In der Mitte befindet sich ein Startbanner und eine mit Sägemehl markierter Startlinie über den ganzen Platz. Die kurze Zeit bis zum Start wird mit Fachsimpeln, Frotzeln und Fotografieren verbracht. Ohne den Einheitsdress und das Gepäck (bei Männer sogar mit Waffe) würde man keinen Unterschied zu einer normalen Sportveranstaltung vermuten. Nur die Artilleriekanone passt nicht so recht ins Läuferbild.

Über Lautsprecher wird auf den bevorstehenden Start hingewiesen. Die Mannschaft steht in einer langen Reihe zwar hinter dem Startbanner, aber quer über den ganzen Platz.  Die Kanone wird abgeschossen. Ein Fotograf sucht panisch das Weite. Die Menge jubelt. Für 30 Sekunden ist der Platz in tarngrün getaucht. Die Masse rennt auf eine bestimmte Ecke zu. Wer hat die Engstelle zuerst erreicht? Ich kann es nicht feststellen. Die Führenden sind einfach zu schnell weg. Sofort leert sich auch der Platz. Zum Schluss kommen noch vier, die es nicht so eilig haben. Vermutlich wissen sie, dass so ein Lauf nicht auf den ersten Metern entschieden wird.

Nun aber haben Norbert und ich es eilig. In einer halben Stunde ist bereits der Marathonstart und wir wollen noch einmal zurück zur Kaserne. Dummerweise nehmen wir die falsche Straße und machen einen ungewollten Umweg. Nun sind wir wenigstens schon warm. Als wir den Marktplatz wieder erreichen, hat sich das Bild gewandelt. Über zweihundert bunt Gekleidete haben die Herrschaft übernommen. Erneut wird gefachsimpelt, gefrotzelt und Fotos gemacht. Gerhard sammelt Unterschriften aller Läufer. Er hat in den letzten 10 Jahren jedes Jahr über 10 Marathons gefinsht. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Die Lautsprecher verkünden den Start in zwei Minuten. Irgendwie kümmert sich keiner darum. Erst kurz vor dem Start ist zumindest unter dem Startbanner eine Ordnung zu erkennen. Aber die Startlinie verläuft ja über den ganzen Platz und so ist Gedränge hier nicht angebracht. Der Sprecher empfiehlt dem Publikum Gehörschutz anzulegen. Einige zucken trotzdem gehörig zusammen, als der laute Knall ertönt. Und los geht es.

Das Feld sortiert sich schnell. Norbert und ich reihen uns hinten ein. Es geht auch schon gleich kräftig bergauf. Zuschauer stehen rechts und links der Straße und applaudieren. Wir gehen in zügigem Tempo. Dadurch können wir am Ortsausgang locker anlaufen, denn es wird flacher. Kurz vor dem Wald verabschiedet sich Norbert und läuft davon. Es geht jetzt kurz bergab. Dann aber gleich wieder steil bergauf. Der Wald endet und eine beschauliche Ebene breitet sich vor uns aus. Der offene Schweinestall direkt am Weg erfreut trotz schweinischem Geruch die vorbeikommenden Läufer. Kommt es mir nur so vor oder posieren die süßen Ferkel extra für die Kamera?

Schon erreichen wir Matzingen, km 5. Es geht bergab, mitten durch den Ort und hinten wieder bergauf. An der Steigung steht eine Familie mit einem Schild: „ Press here for Power“. Zur Sicherheit drücke ich - man kann ja nie wissen. Am Weiler Ruggenbühl liegt die erste Verpflegungsstation. Bouillon, das isotone Rivella-Marathon, Wasser und Tee werden angeboten.

Flach geht es weiter. Immer wieder stehen auch an entlegenen Stellen Zuschauer, die jeden Vorbeikommenden kräftig anfeuern. Wir streifen kurz Wängi, um dann in Rosental von Helfern gesichert die Straße und die Schienen der Frauenfeld-Wil-Bahn zu überqueren.

Nun laufen wir nochmals kurz bergauf (km10). Jetzt lässt sich zum ersten Mal die Sonne blicken. Die Wetterprognosen für den Sonntag waren lange uneinheitlich. Die starken Regenfälle der letzten Tage haben pünktlich aufgehört; mit Sonne habe ich aber nicht gerechnet. In sattem Grün erstrahlen große Weideflächen vor uns. Die A1 ist hier „tiefergelegt“, und so können wir sie, ohne Höhenmeter zu machen, überqueren. Dafür erhebt sich dahinter eine größer Berg. Na ja, Berg ist vielleicht übertrieben. Trotzdem ist hier Gehen angesagt. Ich überhole das Besenfahrrad mit Peter, dem letzten Waffenläufer. Er hat noch einen langen Weg vor sich. Kurz vor dem Gipfel haben die Samariter eine Liege für Erste Hilfe aufgestellt. Verlockend, ein Bett auf der Strecke. Da würde ich aber nie wieder hoch kommen, also lasse ich das mal lieber. Von oben haben wir jetzt einen tollen Blick auf Eschlikon. Hier steht die zweite VP mit zusätzlich Bananen.

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Informationen: Frauenfelder Marathon
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