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Laufberichte

In Deutsch-Polnischer Freundschaft

 

Dass Görlitz jederzeit eine Reise wert ist, weiß ich, weil ich am Europa Marathon bereits zweimal teilgenommen habe. Das gilt aber nicht nur für die Stadt, sondern für die Lausitz allgemein. Ich war auch schon beim Oberlausitztrail und in Zittau bei der Senioreneuropameisterschaft. Nun bin ich zusammen mit Henriette beim 20. Europa-Marathon in Görlitz gemeldet und werde euch Besonderheiten der Stadt näherbringen.

Mit Sonja, Henriettes Tochter, mache ich mich frühzeitig per Bahn auf den Weg nach Görlitz. Henny muss noch etwas für das Bruttosozialprodukt tun (Arbeit!) und wird später nachkommen. Am Freitagnachmittag erreichen wir den Bahnhof Görlitz, der vor dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutender Fernverkehrsknoten war. Heute ist er natürlich kleiner und gilt als Regionalknoten im Bahnverkehr der Lausitz. Das Bahnhofsempfangsgebäude wurde 1917 eröffnet, das Interieur mit der achteckigen Bahnhofsuhr und den imposanten Deckenleuchten sollte man schon gesehen haben.

 

 

Der Check-In in der Pension am Neißeufer und am Altstadtrand ist schnell erledigt, so dass wir noch ein Spaziergang möglich ist. Am nächsten Tag heißt es zeitig hinaus, denn wir wollen den Park Nadnyski parkrun in der Nachbarstadt Zgorzelec besuchen. Der liegt nicht weit an der Stadtbrücke. Von den 51 Läufern sind die Hälfte beim Europamarathon eingeschrieben. Parkruns, die immer in der Nähe von Marathonveranstaltungen stattfinden, profitieren vom Lauftourismus. Das habe ich schon in Leipzig, Dresden und München erlebt. Der parkrun mit den fünf Kilometern dient uns als Warm-Up und zur Akklimatisierung, denn heute und mehr noch am Wettkampfsonntag wird es heiß mit Temperaturen bis an die 30 Grad.

Am Nachmittag schlendern wir durch Görlitz und bleiben schon am ersten Besichtigungspunkt länger hängen. Im Stadtpark Görlitz findet das Fest der Kulturen statt. Geboten wird ein Familienfest mit Mitmachaktionen für Kinder, Vorführungen, Musik und natürlich auch etwas für den Gaumen. Zu spät für eine weitere Stadtbesichtigung können wir uns lösen. Aber wir sind uns einig: Das holten wir im nächsten Jahr nach.

Rechtzeitig erscheinen wir am Startgelände in der Elisabethstraße, zentral in der Altstadt, um unsere Startunterlagen in der Freien Evangelischen Oberschule zu empfangen. Dort „werkelt“ schon der Orga-Leiter Detlef Lübeck an verschiedenen Stellen. Mir berichtet er kurz, dass sie im Verein über die Entwicklung der Teilnehmerzahlen höchst zufrieden sind, denn nach den zwei mageren Jahren nach der Coronapause geht es nun in Richtung Rekord. Die Ergebnissen weisen später insgesamt 2239 Finisher aus, ohne 250 Bambinis, für die es keine Zeitnahme gibt.

 

 

Ein großes Sportfest für die Region! Vom Bambinilauf und Kinderlauf (0,4  und 1,5 Kilometer) und  dem 5,6 und 10 Kilometer-Lauf (als Läufer und Walker) bis hin zum Halbmarathon und Marathonbewerb wird für alle etwas geboten. Für den halben und ganzen Marathon sind auch Team-Wettbewerbe ausgeschrieben. Sehr günstig ist die Startgebühr. Für den Halben zahlt man maximal 40 Euro, beim Ganzen 55 Euro, eine zeitige Meldung ist sogar noch günstiger. In der Startgebühr enthalten ist ein Gutschein für die anschließende Pastaparty, wahlweise mit Tomatensauce oder mit Gulasch.

2004 wurde der Europamarathon anlässlich des EU-Beitritts von Polen ins Leben gerufen. Bei der Gründungsveranstaltung war Detlef Lübeck eher zufällig dabei, hat dann aber die Organisation übernommen. „Lieber drei Marathons laufen, statt einen organisieren“, meint er und weist damit auf die vielschichten Aufgaben hin, die damit zusammenhängen, zumal die Strecke (4mal 10,5 km) ja über die Grenze nach Polen führt. Für mich bedeutet der Zwei-Runden-Kurs, der immer noch an seiner Ausdauer arbeitet und bei dem mitunter das Laufgestell noch nicht rund läuft, dass ich beim Halbmarathon mitmachen kann und trotzdem die ganze Strecke sehe.

Am nächsten Morgen bin ich dann gut eine halbe Stunde vor dem Start der beiden langen Strecken um 09.00 Uhr wieder im Zielbereich. Schon jetzt hat es rund 25 Grad, es wird heute eine Hitzeschlacht werden. Kurze Hose und Singletrikot sind erste Wahl, Sonnenschutz Pflicht. Die Kleidung kann in der Oberschule abgegeben werden. Einen bekannten Marathoni treffe ich auch noch: Rob Deafrunner, mit seinem richtigen Namen Robert Boyde-Wolke, war tags zuvor noch beim Skatstadtmarathon in Altenburg, den ich ebenfalls sehr empfehlen kann.

 

 

Zwei Minuten vor dem Startschuss gibt es, wie anderswo auch, die Grußworte der Vereinsoberen des Europamarathon e.V. und der Oberbürgermeister Octavian Ursu (Görlitz) und Rafał Gronicz (Zgorzelec). Beide betonen, dass das Sportereignis mit heute 2700 Läufern weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beliebt ist. Dann heizt der Moderator die Stimmung an und es fällt nach dem Herunterzählen der Startschuss. Auf geht’s.

Ich drücke die Laufapp und mache mich zusammen mit knapp 400 Laufbegeisterten auf den Weg, unterstützt von einer Trommlergruppe. Wir laufen auf den Frauenturm zu, den die Einheimischen Dicken Turm nennen. Der ist ein Teil der historischen Stadtbefestigung und wurde im 13. Jahrhundert sehr massiv erbaut. Ist es euch bekannt, dass Görlitz mit seinen etwa 4000 Denkmälern als größtes Flächendenkmal gilt und die Stadt eine der am besten erhaltenen Altstädte Mitteleuropas hat?

Am Naturkundemuseum steht eine Gruppe der Sachsen-Rundfahrt, die für ihre Veranstaltung werben. Nur Augenblicke später sehen wir den Reichenbacher Turm, Teil der westlichen Stadtbefestigung. Vermutlich wurde der im 14. Jahrhundert erbaut, als der Obermarkt errichtet wurde. Der ist einer der größten Plätze in der Altstadt. Geprägt wird er durch viele Bürgerhäuser, der Dreifaltigkeitskirche und dem Kaisertrutz.

Nun verläuft unsere Strecke zur Jägerkaserne am südlichen Rand der Nikolaivorstadt. Ich muss aufpassen, nicht in die Straßenbahngleise zu treten. Denn dann könnte das Rennen zu Ende sein, bevor es richtig angefangen hat. Ja, der Untergrund wechselt häufig und das wird bis zum Schluss so sein. Die Jägerkaserne wird heute von der Stadtverwaltung genutzt.

Es geht leicht bergab hinunter zum Heiligen Grab mit der Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz. Die Anlage aus dem 15. Jahrhundert gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und steht bei meinem nächsten Besuch ganz sicher auf meine to-do-Liste

Nun folgt eine längere Strecke auf der Friedhofstraße, die kaum Schatten bietet.  Am Ende überqueren wir Straßenbahngleise, eine kurze Wendepunktstrecke beginnt in der Schlesierstraße. Viele Helfer und Polizisten stehen an Gefahrpunkten und leiten uns sicher weiter.

 

 

Etwa 500 Meter lang ist die Begegnungsstrecke, die Wende wird am westlichen Ende des Friedhofs angezeigt, dann geht es auf der Straße wieder zurück. Noch sind viele Läufer um mich rum, drei Kilometer sind wir unterwegs. Die erste Trinkstelle wartet am Stadtrand mit Wasser und Apfelschorle, Cola sehe ich auch. Beginn der Wasserschlacht. Zwei, drei Schlucke H2O für den Rachen, der Rest wird über die Birne gekippt. Das kühlt herrlich, aber wie lange?

Die Schlesische Straße führt hinunter über Felder, kein Schatten, auf den links verlaufenden Radweg scheren einige Läufer aus. Ich bleibe auf der offiziellen Laufstrecke, wenigstens haben wir ein laues Lüfterl. Wenig später tauchen wir wieder in die städtische Bebauung ein. Und dann sehen wir etwas erhöht über der Neiße, das markante Stadtbild von Görlitz, die evangelische Pfarrkirche St. Peter und Paul (hier wird sie auch Peterskirche genannt). Diese wurde im 15. Jahrhundert erbaut. Die Vorgängerkirche, natürlich kleiner, ist noch zweihundert Jahre älter.

Unterhalb der Peterskirche spornt uns nun die Sambaband an, die schon am Start gespielt hat. Sehr viele Leute stehen am Straßenrand, klatschen und feuern uns an. Zwei Mädels halten uns motivierende Sprüche vor die Nase, z.B.:“If you can read this, you’re not running fast enough“. Abwarten, der Weg ist noch lang.  

Es geht auf die Altstadtbrücke und über die Neiße, die Flussmitte markiert die Grenze zu Polen. Kontrolliert wird nicht, auch wenn an beiden Brückenrampen Polizisten stehen. Sie sorgen eher für einen sicheren Ablauf des Events. Links sehen wir die Dreiradenmühle, in der früher Getreide vermahlen wurde. Markant ist direkt an der Brücke der 34 Meter hohe Siloturm.

Auf der anderen Seite kommen schon schnellere Läufer von ihrem Ausflug aus Polen zurück. Die haben bereits vier Kilometer mehr abgespult. Nur gut 100 Meter lang ist das Begegnungsstück, am Ende biegen wir in die Wroclawska ab. Viele Restaurants, Eisdielen und Geschäfte für Bier und Zigaretten sehe ich. Dann ist eine Rockband zu hören, die am Ende der Straße steht. Kurz zuvor können wir unter einer Wasserdusche durchlaufen, was auch viele tun.

Nach dem „schweren Metall“ der Band geht es für 200 Meter steil bergan, mehr als zehn Prozent schätze ich. Ein älterer Läufer,M 70, aber total fit, läuft rückwärts hinauf. Verrückt, aber so könne er seine Ratio ausschalten. Nur mit Mühe kann ich die Steigung hochlaufen.

Zgorzelec hat 30000 Einwohner. Die Stadt war bis 1945 die östlich der Neiße gelegenen Vorstadt von Görlitz. Dann kam ja die Trennung von Ost und West mit der Oder-Neiße-Linie. Doch die Wende führte beide Städte wieder zusammen und seit 1998 geht man als Europastadt gemeinsam voran, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten.

Durch Wohnstraßen des Stadtteils Manhattan (ja wirklich) führt uns der Kurs nun in den Park Ignacego Paderewskiego mit etwas Schatten, dafür aber immer leicht bergan. Am Ende biegen wir zweimal links ab auf eine Ausfallstraße, wo ich gleich danach die PGE Turow Arena sehe, Heimat einer Basketball-Profimannschaft.

 

 

Die zweite Trinkstelle, Cola in den Hals und zwei Becher Wasser auf den Kopf, und weiter. 1,5 Kilometer laufen wir durch das Industriegebiet, zuletzt geht es wieder auf Kopfsteinpflaster und Betonplatten abwärts und wir sehen die Altstadtbrücke wieder. Zehn Kilometer liegen hinter uns. Auf der anderen Brückenseite sind die schnellsten Marathonläufer zu sehen. Wann wird mich die Spitze einholen? Die Sambaband spielt immer noch. Denen steht mittlerweile auch der Schweiß auf der Stirn. Die Neißstraße geht es nun wieder bergan in die historische Altstadt.

Dort sehen wir am Untermarkt das Rathaus Görlitz, das seit dem 14. Jahrhundert ein Ort der Verwaltung und Gerichtsbarkeit ist. Noch heute hat die Stadt dort einige Ämter untergebracht. Die Rathausuhr ist ein Werk von Bartholomäus Scultetus. Um eine Besonderheit zu erkennen, muss man genau hinschauen, denn beim Umspringen der vollen Minute ändert sich der Kopf des dargestellten Stadtwächters. Der hat nämlich den Stadtbrand von 1556 verschlafen und wurde deswegen der Legende nach lebendig im Turm eingemauert. Er reißt minütlich den Mund und die Augen auf.

Sonja steht an der Strecke und macht mit lautem Rufen auf sich aufmerksam. Ein Drückerle mit ihr und Henny, dann mache ich mich auf in die zweite Runde. Von der anderen Seite machen sich die 5,6 Kilometer-Läufer und Walker auf ihren Einsatz bereit. Es dauert nur wenige Minuten, dann kommen schon die schnellen Sprinter und kurz danach die Masse der Volksläufer. Ich bin total geflasht, weil in dem Feld so viele Jugendliche mitlaufen. Seit ein, zwei Jahren sinkt das Durchschnittsalter bei Laufveranstaltungen. Gut so, die Zukunft unseres Sports ist gesichert.

Am Beginn der ersten Wendepunktstrecke biegt die Masse gleich rechts ab, während wir noch die gut 500 Meter belaufen müssen. Nach gut fünf Minuten bin ich zurück, nun dominierten auf der Kurzstrecke die Jogger und Walker das Geschehen. Auch da sind viele unterwegs. Ein später Blick auf die Statistik sagt, dass auf den 5,6 Kilometern rund 1000 Leute unterwegs waren.

Auf der Schlesischen Straße hinunter zur Neiße läuft nun die Masse auf den schattigen Radweg. Gleich danach sehe ich vier Floriansjünger mit Helm, Pressluftatmer und Ausrüstung laufen und marschieren. Ich gebe mich auch als Feuerwehrler zu erkennen und wünsche alles Gute für den restlichen Weg.

 

 

Unten an der Altstadtbrücke biegen nun die Kurzstreckler gleich rechts ab, ihr Zielsprint beginnt und für uns der letzte Ausflug nach Polen. „Tempo ist kein Taschentuch“ hebt ein Fan ein Schild hoch. Tempo war einmal, ich habe mittlerweile stark mit der Hitze zu kämpfen und damit bin ich nicht alleine. 31 Grad werden gemessen, das ist Jahresrekord in der Region. Auf der Brücke steht einer mit einem Leierkasten, den er leidenschaftlich bearbeitet. Kurz vor der argen Steigung spielt die Band immer noch leidenschaftlich Heayy Metal, als gäbe es kein Morgen. Aber dann, ich werde immer langsamer, fast bis zum Stillstand, aber dann liegt die Steigung hinter mir.

Seit geraumer Zeit beobachte ich zwei Burschen, die ihren Lauf in unterschiedlichem Tempo durchziehen. Gehpausen und schnelle Intervalle wechseln sich ab. Etwas kraftaufwendig, glaube ich. Und sich von mir absetzen können sie auch nicht.. Zäh verlaufen die vier, fünf Kilometer durch Zgorzelec. Doch dann sind wieder die Spitzen der Peterskirche zu sehen, ein Motivator für den letzten Kilometer. Auf der Altstadtbrücke sehe ich dann viele Läufer auf dem Hinweg zur „Polenrunde“. Mir tun die Marathonis leid, die sich jetzt in der dritten Runde befinden.

 

 

Mit letzter Kraft laufe ich über die Brücke, der Leierkastenmann hat sich mittlerweile ein schattiges Plätzchen gesucht. Wir klatschen uns ab. Zäh geht es hinauf zum Untermarkt und dann in die Elisabethstraße. Kurz vor dem Zielbogen warten die Staffelläufer auf ihre Teamfreunde. Und dann sehe ich das Ziel vor mir, durch das ich mich mit letzter Kraft schleppe. Einige Helferinnen überreichen uns die Medaillen und dann warten schon Sonja auf mich. Henny ist vor gut einer halben Stunde die zehn Kilometer angegangen. Getränke und Wasser brauche ich, eine halbe Banane, mehr nicht.

Wir vertreiben uns kurz die Zeit und warten auf Henny. Sie ist Hitze gewohnt und läuft beinahe persönliche Jahresbestzeit. Im Zielgelände vor der Bühne erholen wir uns mit Bier, Kuchen und Kaffee.

Dann kommt noch ein Höhepunkt für die Veranstaltung, der Kinderlauf, den der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer startet und auch die Siegerehrung durchführt. Für ihn, der hier geboren wurde, sei das Kommen eine Herzensangelegenheit. Er finde, dass dieses grenzüberschreitende Event ein starkes Zeichen für Zusammenhalt, Partnerschaft und das gelebte Europa in der Region darstellt. Gemeinsam voran auf dem europäischen Weg, sei die Devise.

Wer ist im kommenden Jahr beim Europa Marathon dabei, um diesen Weg mitgehen? Detlef Lübeck mit dem veranstaltenden Verein freuen sich darauf, euch Görlitz und Zgorzelec zu zeigen.

 

 

Marathon (84 Finisher)

Männer:

1. Elias Sander, Erdinger Active Team, 3.02.6

2. Marcel Haft, Team Dresden Laufsportladen, 3.03.06

3. Thomas Hantke, LG Oberhavel, 3.10.18

Frauen:

1. Tereza Zuzánková, AC Turnov, 3.06.40

2. Ariane Weber, Heimatliebe Görlitz, 3.22.45

3. Anne Hösel, Birkenstock Footbed Fighter, 3.24.00

 

Halbmarathon (287 Finisher)

Männer:

1. Lennart Herrmann, ATD, 1.16.44

2. Thomas Bil, EDI Team Zgorzelec, 1.20.40

3. Max Thun, Bautzen/Erdinger Active Team, 1.21.54

Frauen:

1. Franziska Kranisch, Europamarathon Görlitz, 1.33.31

2. Laura Furmanczak, o.V., 1.39.49

3. Maria Korn, TSV 1872 Pobershau, 1.39.59

 

 

 

 

 

Informationen: Europa-Marathon Görlitz
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