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Laufberichte

Ritter, Berge und wilde Wasser

16.10.05
Autor: Klaus Duwe

Unvergessliches Lauferlebnis

 

Jahrelang verbrachte ich meine Urlaube und viele Wochenende in den Bergen. Kein Wunder also, dass mich heute Berglauf-Veranstaltungen besonders ansprechen. Dabei bin ich gar kein Bergläufer. Auf steilen Passagen werde ich ganz schnell wieder zum Wanderer. Aber es macht mir Spaß, in der herrlichen Bergwelt zu laufen.

 

Beim Blick auf den Terminkalender ist meine Endscheidung dann auch klar: die Marathon Challenge in Reutte/Tirol soll es sein. Zumal es im Oktober, wenn das Wetter wie dieses Jahr mitspielt, in den Bergen ganz besonders schön ist.

 

Fast jeder ist auf seiner Reise in den Süden schon mal über den Fernpass gefahren, hat den Säuling, die Zugspitze und vor allem die markante Burg Ehrenberg direkt an der Fernpassstraße bewundert. 1290 wurde die Burg zum Schutz des schon seit der Römerzeit bestehenden Handelsweges von Augsburg über den Fernpass nach Süden, errichtet. 1733 begann man dann mit dem Bau der größten Wehranlage Tirols (Hochschanz) auf dem höher gelegenen Schloßkopf.

 

Direkt an der Passstraße am Fuße der Burg ist die Ehrenberger Klause mit dem Torbau und den Festungsmauern. Hier ist auch das Europäische Burgenmuseum untergebracht, wo die „Historical“ genannte multimediale Zeitreise durch 7 Jahrhunderte die Besucher begeistert. Einmal im Jahr finden vor der Klause Ritterspiele statt, zu denen Tausende Menschen von weit her anreisen. 

 

Innerhalb der mit einer modernen Stahlkonstruktion überdachten alten Festungsmauern ist die  Arena Ehrenberg, ein Veranstaltungsraum für über 800 Menschen. An diesem Wochenende treffen sich hier Läuferinnen und Läufer zur ersten Außerfern Marathon-Challenge. Im Freigelände führen „Ritter“ den Umgang mit Lanzen, Schwertern und Kanonen vor. In der Arena gibt es die Startunterlagen und später zu mittelalterlicher Musik köstliche Nudelgerichte. Das Ambiente ist einmalig. Anwesend sind auch fast alle Eliteläuferinnen und Läufer, darunter auch der sympathische Südtiroler Gerd Frick, dem ich schon beim Montafon-Arlberg-Marathon hinterher gelaufen bin. Er hat ihn bereits 3 mal gewonnen.

 

Der Andrang hält sich in Grenzen. Die Veranstalter äußern sich zwar zufrieden über die etwas mehr als 200 Voranmeldungen, ich meine aber, sie haben sich etwas mehr ausgerechnet. Vielleicht sind an der geringen Resonanz die ausgeschriebenen Zeitlimite verantwortlich, die zwar korrigiert, aber nicht ausreichend kommuniziert wurden.

 

Schade, denn das seit Tagen anhaltende ideale Bergwetter wird mit dazu beitragen, dass den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Premierenveranstaltung  das Lauferlebnis im Außerfern unvergesslich bleiben wird. 

 

Die 51 Kilometer lange Ultrastrecke führt zum Urisee, weiter über die Melkalpe und durch den Ammerwald zum Plansee, dort über den Panoramaweg bis zum Hotel Seespitze und dann zum Heiterwanger See. Über den Mäuerleweg ging es dann über Lähn zur Ehrenberger Klause, über den Klausenwald nach Rieden und dann am Lech entlang über Weissenbach zurück nach Höfen, Ehenbichl und dann ins Ziel auf dem historischem Boden der Ehrenberger Klause. Ungefähr 1.000 HM sind dabei zu überwinden.

 

Die 25 Km-Strecke ist bis zum Hotel Seespitze am Plansee identisch mit dem 51 km-Kurs, dann geht  es zu den Stuibenfällen und weiter nach Breitenwang, zum romantischen Kreckelmoos See und zurück zum Ziel, der Ehrenberger Klause.

 

Die kurze Strecke über 10 km gehr zum Urisee, dann nach Pflach, weiter über die Lechauen zur Lechbrücke, nach Höfen, über den Lech nach Ehenbichl und zurück zum Ziel der Ehrenberger Klause.

 

Gestartet wird am Sonntag im Zentrum von Reutte. Keine Wolke ist am Himmel, aber es ist kalt, sehr kalt - nur knapp über Null Grad. Peter Wundsam, der gestern schon in der Klause die Moderation übernommen hatte, sorgt mit Musik für gute Laune und hält mit Informationen die Leute auf dem Laufenden. Er ist übrigens selbst ein sehr guter Läufer mit einer Marathon-Bestzeit von 2:21 Stunden.

 

Gleich am Startplatz ist die Bank es Titelsponsors Raiffeisen. Ein ganz Schlauer hat seine Scheckkarte eingeschoben und so Zugang zum warmen Schalterraum. Es dauert nicht lange, dann ist dieser gänzlich zum Umkleideraum umfunktioniert. Die Stimmung ist prächtig.

 

Um 9.15 Uhr feuert dann der Bürgermeister den Startschuss ab. Ich bilde gleich mit Rainer und Maria Satzinger und Erich das Schlußquartett. Es bleibt nicht lange Zeit zum Einlaufen, nach nur einem Kilometer flach durch Reutte (854 m) geht es am Parkplatz am Urisee in den Wald und gleich zur Sache. Auf der Strecke des Dürrnberger Almlaufes werden auf den nächsten 3 Kilometern ca. 350 HM überwunden. Ich gebe mir gar keine Mühe und werde auf dem breiten Forstweg gleich zum Wanderer.

 

Auf halber Strecke überholen uns die Ersten des 25 km-Laufes, die um 9.30 Uhr gestartet sind. Bei km 4 ist mit gut 1.200 m zunächst der höchste Punkt erreicht. Ich habe längst Betriebstemperatur könnte meine Jacke an den nächsten Baum hängen. Ich kremple die Ärmel meines Langarmshirts hoch und es geht im Laufschritt weiter.

 

Rechts führt uns ein schmaler, steiniger Pfad steil und teilweise über Stufen hinunter in eine Schlucht, wo wir einen Bach auf einem Steg überqueren und auf der anderen Seite genauso steil wie eben wieder aufwärts steigen. Wir sind im Ammerwald (km 7) und der Weg führt uns noch mehrfach durch den herbstlich bunten Mischwald rauf und runter. Wir überqueren das breite Kiesbett eines Baches, der zur Zeit aber nur in einer schmalen Rinne Wasser führt.

 

Bei km 10 sehen wir vor uns die Zugspitze in ihrer ganzen Größe und Pracht. Ein ca. 4 Kilometer langes Gefällstück führt uns zum Plansee (km 15) und dort auf den einmalig schönen Panoramaweg durch den Wald, immer oberhalb des Sees entlang. Der fjordähnliche Plansee ist der zweitgrößte See in Tirol und mit über 70 Meter Tiefe ein beliebtes Taucherrevier. Im Sommer kann man in dem klaren Wasser über 20 Meter in die Tiefe sehen. Der Panormaweg ist fast eben und gerade so breit, dass zwei Leute neben einander laufen können. Links haben wir immer wieder schöne Ausblicke auf den See und die gegenüber liegenden Berge. Vor uns sehen wir die markante Pyramide des Thaneller (2.343 m).

 

Beim „Hotel Seespitze“ (894 m) überqueren wir die Verkehrsstraße und gleich darauf geht es links über eine Brücke über den schmalen Verbindungsarm zum Kleinen Plansee und gleich wieder links am Westufer entlang. Die 25 km-Strecke geht rechts am Kleinen Plansee entlang zu den berühmten Stuibenfällen.

 

Der Blick links auf den See ist immer wieder phantastisch. Weil Rainer und ich den Schluß des Feldes bilden, folgen uns zwei Biker. Der Weg wird schmaler und die entgegenkommenden Wanderer gehen respektvoll zur Seite und schauen uns verwundert an. Wir kommen zum Heiterwanger See, der schon im Mittelalter für die Qualität seiner Fische bekannt war. Zu der Zeit wurde auch der 300 Meter lange Verbindungskanal zum Plansee gebaut, der später vertieft wurde und heute von den Ausflugsschiffen befahren werden kann.

 

Mittlerweile sind wir 20 Kilometer gelaufen und 2:25 Stunden unterwegs. Der Weg  liegt meist in der Sonne und ich komme ganz schön ins Schwitzen. Der Weg erfordert doch einige Konzentration, er gibt viele Wurzeln, Steine und Unebenheiten. Aber es ist ein unbeschreiblicher Genuss, hier zu laufen. Am Ende des Sees, ganz in der Nähe des Hotels „Fischer am See“ (km 22), ist dann die (glaube ich) vierte Verpflegungsstelle. Wieder gibt es verschiedene Riegel, Gel, Bananen und Äpfel, Wasser und Iso. Später gibt es auch Kola und Red Bull. Da bleiben keine Wünsche offen und meine mitgeführte Eigenverpflegung erweist sich als überflüssiger Balast. Zusätzlich führen die erwähnten Biker Verpflegung mit, die sie uns auch immer wieder anbieten.

 

Jetzt geht es rechts auf dem Mäuerleweg, einem steilen Wiesen- und später wurzelreichen Waldweg  bergauf, bis nach ungefähr 1,5 Kilometern und 300 Höhenmetern abermals eine Höhe von über 1.200 Metern erreicht wird. Hier ist eine zusätzliche Getränkestation eingerichtet.


Teilweise geht es jetzt ziemlich steil abwärts nach Lähn, vorbei am Alphof und mit leichtem Gefälle weiter über eine sonnige Wiese immer auf die Burg zu. Es riecht etwas streng hier, denn der Bauer hat wohl gestern noch gedüngt. Zum Glück hat es tagelang nicht geregnet und der Wiesenboden hat alles gut aufgenommen. Wir laufen über die Fernpassstraße und hören, wie der Biker dem Polizeiposten noch zuruft: „Feierabend, das sind die Letzten.“

 

Fast kommen die Letzten mit den Ersten ins Ziel. Wir erreichen jetzt nämlich die Klause (km 27), wo dem Publikum für die nächsten Minuten der Zieleinlauf der Sieger angekündigt wird. So kriegen Rainer und ich jetzt erst einmal einen Riesenapplaus mit, laufen durch das Tor, vorbei am Kirchlein die Asphaltstraße hoch und dann in den Klausenwald. Jetzt folgen uns sogar drei Biker.

 

Ungefähr einen Kilometer geht es teilweise recht steil aufwärts, dann flach oder mit leichtem Gefälle Richtung Rieden. Dieser Streckenabschnitt durch den bunten Herbstwald ist so gut zu laufen, dass ich unbemerkt Tempo zulege. Es ist schattig und deshalb recht frisch. Jetzt bin ich wieder froh, dass ich nicht ganz so leicht bekleidet bin. Rainer bleibt etwas zurück, deshalb folgen Katrin und Marc mit ihren Bikes mir, der Dritte, Klaus (der Vater von Marc), bleibt bei Rainer. Ab sofort habe ich eine Betreuung, wie sie sich ein Spitzenläufer nicht besser wünschen kann. Alle 15 Minuten werde ich nach meinen Wünschen gefragt und kriege dazu noch die Gegend erklärt. Ich fühle mich prächtig und spüre keine Ermüdung.

 

Nach Rieden (km 34) geht es auf einer Teerstraße vorbei an Wiesen zum Lech. 264 Kilometer ist dieser Fluß lang, der in der Zeit der Völkerwanderung und im frühen Mittelalter die Grenze zwischen den alemannischen und bayerischen Stämmen markierte. Noch heute ist er ungefähr die Grenze zwischen den schwäbischen und bayerischen Dialekten.

 

Der Weg ist jetzt wieder geschottert und manchmal steigt er etwas an. Ich laufe alles durch und freue mich über die völlig neuen und ständig wechselnden Eindrücke, die das Tal des Wildfußes bietet. Das überaus breite, leuchtend weiße Flussbett ist von türkisfarbenen Wasserrinnen durchzogen. Vom anderen Lechufer her grüßt der Hahnenkamm, der Gimpel (2.176 m) und die Gehrenspitze (2.367 m).

 

Wir kommen am Weißenbacher Baggersee vorbei, dessen Ufer im Sommer ein einziger Grillplatz sein soll. Zum Baden sei das Wasser allerdings zu kalt, erzählen mir meine Begleiter. Kaum zu glauben, aber plötzlich sehe ich vorne einen Läufer, den ich auch bald eingeholt habe. Wir freuen uns beide und Katrin und Marc bieten ihm sofort Verpflegung an.

 

Über die Johannesbrücke geht es jetzt rechts über den Lech, am Brückenheiligen vorbei und gleich wieder rechts am anderen Flussufer entlang durch niedrigen Kiefernwald.  Rechts dominiert der Thaneller (2.343 m) das Bild, vor mir der Säuling (2.047 m), von dem aus man einen herrlichen Blick auf Schloss Neuschwanstein hat..

 

Wieder kommt ein Läufer in Sichtweite. Es ist Erich, der zusammen mit Rainer und mir losgelaufen ist. Er schwächelt, weil er die letzten Monate zu wenig Training hatte. Weiter vorne sehe ich noch zwei Läufer, die werde ich aber wohl nicht mehr einholen.

 

Ich bin noch immer auf der Teerstraße in dem Kiefernwäldchen, schaue bei km 45 zur Uhr und rechne mir aus, dass ich für die letzten 15 Kilometer etwas mehr als 1 ½  Stunden gebraucht habe. Das ist für mich ganz in Ordnung.  Ich fühle mich nach wie vor prächtig und verschwende keinen Gedanken daran, dass ein Marathon längst zu Ende wäre. An der komplett bestückten Verpflegungsstelle werde ich wie immer freundlich empfangen und bestens versorgt. Zusammen mit meiner Eskorte mache ich mich auf  zu den letzten 6 Kilometern, denn insgesamt ist die Strecke gut 51 Kilometer lang. Ein Stück geht es auf einem Radweg parallel zur viel befahrenen Hauptverkehrsstraße, die nach Reutte führt.

 

Nach kurzer Zeit wird es wieder ruhiger, ich laufe wieder direkt am Flussufer auf einem Dammweg weiter. Die großen Flickstellen weisen auf die gravierenden Schäden durch das Hochwassers hin, ebenso der noch nicht vollständig beseitigte Schwemmsand links auf dem Flugplatz und die großen Mengen Schwemmholz am Ufer. Links ist der Ferienort Höfen und Katrin gibt über Handy meine Position an’s Ziel durch, damit man dort Bescheid weiß und die Zuschauer informieren kann. Dann bleibt sie mit Marc zurück, um sich um die zwei hinter mir liegenden Läufer zu kümmern.

 

Rechts sehe ich bereits die Burg Ehrenberg, ich laufe über die Lechbrücke und am anderen Ufer weiter unter einer Unterführung durch nach Ehenbichl. Die Burg kommt immer näher. Immer noch sehe ich vor mir die beiden Läufer, die ihren Vorsprung aber tapfer verteidigen.


Vom Hospital links ruft mir jemand „geht scho noch“ zu. Ich bedanke mich mit einem „gute Besserung“ und laufe rechts über die Hauptstraße. Auf dem schmalen Wiesenweg ist noch einmal eine Verpflegungsstelle mit allem Drum und Dran. Ich bin irritiert und frage, wie weit es noch ist. „800 Meter“, so die Antwort. Gleich weiß ich, dass dieser Standort durchaus Sinn macht. Es geht nämlich noch einmal mächtig zur Sache. Fast 10 Minuten brauche ich bis zum Parkplatz vor der Klause. Gut 100 Meter sind es jetzt noch bis zum Ziel.

 

Der Sprecher begrüßt mich schon von Weitem und die Zuschauer klatschen und feuern mich an, als hätte ich das Rennen gewonnen. Ich freue mich riesig und bin glücklich, diesen herrlichen Lauf gefinisht zu haben. Strahlend nehme ich die Glückwünsche der Veranstalter und das Finisher-Shirt in Empfang. Dann gratuliere ich den Beiden (Alexander und Thorsten aus Memmingen), die sich noch vor mir ins Ziel „gerettet“ haben.

 

Katrin und Marc sind mit ihren Bikes eingetroffen. Ich bedanke mich für die liebevolle Betreuung und Unterstützung. In der Arena sind Bilder der Teilnehmer ausgelegt, die jeder gegen eine freiwillige Spende für die Hochwasseropfer mitnehmen kann.

 

Inzwischen sind die Siegerehrungen voll im Gange. Es wird angekündigt, dass der „von hinten Erstplatzierte“, es ist Rainer, jetzt an der letzten Verpflegungsstelle ist. Als Rainer dann nach gut 10 Minuten auf dem Parkplatz auftaucht, wird die Siegerehrung unterbrochen, alle Zuschauer bilden eine Gasse und bereiten Rainer einen Empfang, wie er ihn wohl noch selten erlebt hat. Erst als er seine Eindrücke ausführlich geschildert hat, wird mit der Siegerehrung weiter gemacht.

 

Der tolle Abschluß eines Laufes vor historischer Kulisse, durch eine einmalig schöne Landschaft mit vielen Höhepunkten und idealen äußeren Bedingungen, dem nur eines fehlte: Teilnehmer.

 

Wenn die Veranstalter organisatorisch das eine oder andere noch optimieren, wird sich das aber bereits bei der zweiten Auflage ändern. Termin ist der 15. 10. 2006

 

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