1998 wurde in der kleinen Pfälzer Weinbaugemeinde Bockenheim zum ersten Mal ein Marathon ausgetragen. 2002 kam der Halbmarathon dazu und in diesem Jahr, zum zehnjährigen Jubiläum, noch ein Duo Marathon, bei dem sich zwei Läufer die Marathonstrecke teilen. Wer rechnen kann merkt: da stimmt irgendetwas nicht. Tatsächlich findet der Lauf nur alle zwei Jahre statt. Daher sind auch die Startplätze heiß begehrt. Über 3600 Läufer, verteilt auf die verschiedenen Wettbewerbe, stehen 2016 am Start.
Die Strecke ist seit der ersten Austragung unverändert. Gestartet wird in Bockenheim am Haus der Deutschen Weinstraße. Dann geht es über Asselheim und Grünstadt nach Kleinkarlbach. Der Halbmarathon dreht hier eine Schleife und läuft über Sausenheim zurück, während die Marathonis über Bobenheim am Berg, Weisenheim am Berg und Leistadt nach Bad Dürkheim laufen. Von dort aus geht es über Ungstein, Kallstadt, Herxheim am Berg, Dackenheim und Kirchheim nach Grünstadt und dann auf dem bereits bekannten Weg zurück nach Bockenheim. Knapp 500 Hm kommen dabei beim Marathon zusammen.
Bockenheim liegt in Rheinland-Pfalz verkehrsgünstig im Dreieck zwischen A6, A61 und A63, in der Nähe von Worms. Hier, und zwar direkt beim Haus der Deutschen Weinstraße, beginnt die 85 km lange in Nord-Süd-Richtung verlaufende Route, die an der französischen Grenze beim Deutschen Weintor ihr Ende findet und seit 1935 Deutsche Weinstraße genannt wird. Sie ist somit eine der ältesten deutschen Touristenstraßen, die die Region weit über die Grenzen hinaus bekannt gemacht hat.
Wenn man aus Stuttgart kommend die Autobahn verlässt, fährt man auf der B271, auf der die Weinstraße z.T entlang führt. Bockenheim ist noch nicht in Sicht, da passieren wir bereits das Marathonschild für km 40. Hier ist also das Ende der Laufstrecke. Selbst mit dem Auto erscheint die Distanz auf der geraden Straße ziemlich lang; ein kleiner Vorgeschmack auf das Kommende. Im Ort selbst werden wir weg von der Hauptstraße, durch schmale Gässchen, zu einem großen Firmenparkplatz am Ortsrand geleitet. Der Shuttlebus für die umliegenden Orte hat Probleme, zwischen den Parkplatzsuchenden durchzukommen. Wir sind froh, als wir mit dem Auto endlich einen guten Standplatz gefunden haben und machen uns gemeinsam mit den anderen Läufern auf den Weg zum Startgelände.
Am Haus der Deutschen Weinstraße ist eine kleine Zeltstadt aufgebaut. Obwohl wir vor 4 Jahren schon einmal da waren, landen wir zunächst im Festzelt, wo später die Siegerehrungen stattfinden werden. Wir hätten doch auf die Schilder achten sollen, die den Weg zur Startnummernausgabe anzeigen. Das Gelände ist voller Menschen, die alle in unterschiedliche Richtungen drängen. Vor dem Zelt mit der Startnummernausgabe stauen sich bereits die Läufer, die ihre Taschen abgeben wollen. Norbert und ich quetschen uns nach drinnen. Dort ist alles vorbildlich ausgeschildert und am Schalter für unsere Startnummern sind wir sofort an der Reihe. Mit der ausgedruckten Teilnehmerinfo ist die Startnummernausgabe kein Problem. Wir erhalten zusätzlich einen schweren Starterbeutel aus umweltfreundlicher Jute und können dann nebenan unser vorbestelltes T-Shirt abholen. Das war zwar nicht ganz billig, ist aber von hoher Qualität, so dass der Preis durchaus gerechtfertigt scheint.
In der Startertasche finden wir neben Infomaterial und diversen Kleinigkeiten eine Flasche Pfälzer Riesling und eine große Flasche Karamalz. Schnell raus aus dem Gedränge. Vor dem Festzelt sind Bierbänke und Tische aufgebaut. Hier ist ein guter Platz. Wir bereiten unsere Startnummern vor und befestigen die Einwegchips nach Anleitung an den Schuhen. Jetzt wird es langsam Zeit zum Start zu gehen. Vorher geben wir noch die Taschen ab. Der große Andrang an der Gepäckabgabe ist verschwunden, zügig werden unsere Taschen versorgt.
Obwohl der Start nur wenige Meter entfernt ist, gestaltet sich der Weg dorthin schwierig. Der abgesperrte Startblock ist überfüllt, die Läufer stauen sich vor dem Tor. Weil ich das bereits vor 4 Jahren erlebt habe, bleibe ich ruhig. Es ist ja Nettozeitmessung und daher egal, wann ich starte. Die Läufer um mich herum sehen das ähnlich. Wir hören den Sprecher, der die Läufer in den Sprachen der anwesenden Sportler begrüßt, anschließend wird die Prominenz vorgestellt. Pünktlich um 10 Uhr ertönt der Startschuss. Wir warten, aber nichts passiert. Auf einmal geht es voran. Ich sehe das Gitter zum Startblock. Schnell bin ich drin, und kann sofort los laufen. Vorbei an applaudierenden Zuschauern geht es durch das große Starttor. Auch dahinter ist das Spalier der Zuschauer dicht und wir werden frenetisch angefeuert.
Wir laufen auf der Hauptstraße von Bockenheim. Überall sind die Tore offen und Anwohner ergötzen sich an den Massen von Läufern. Wir wiederum freuen uns über den schön geschmückten alten Ortskern. Wie ein Wunder taucht Norbert neben mir auf. Trotz der Hektik hatte er mich wohl die ganze Zeit im Blick. Am Ortsausgang ist die erste Aufregung vorüber und es wird Zeit, ein geeignetes Tempo zu finden. Bisher bin ich zu schnell unterwegs. Ich wechsle an den Fahrbahnrand und lasse das Feld vorbeiziehen. Da mit zu rennen, wäre glatter Selbstmord. Norbert hingegen verabschiedet sich und rauscht davon.
Bei km 2 geht es rechts auf die K516 und steil bergab. Hier dürfen wir bei km 39 wieder hoch. Ich genieße die schöne Aussicht auf Asselheim, das zu unseren Füßen liegt. Am Kreisverkehr laufen wir in den Ort, hier geht es wieder bergauf. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Steigungen zu gehen. Aber hier geht niemand. Also laufe ich ebenfalls in lockerem Schritt bis zur ersten Wasserstelle. Ein paar Schluck tun gut. Es verspricht ein wunderbarer Frühlingstag zu werden.
Die restliche Steigung gehe ich nun doch. Wir erreichen Grünstadt bei km 5. Hier ist die Fußgängerzone reich geschmückt. Außerdem stehen viele Zuschauer Spalier. Die erste Verpflegungsstelle bietet gesüßten heißen Tee; da greife ich gerne zu.
Wir verlassen nun die Deutsche Weinstraße, kommen unter der Autobahn hindurch und streifen Sausenheim, wo die Bewohner zum Klatschen aus ihren Häusern gekommen sind. Plötzlich finden wir uns in den Weinbergen wieder, es geht bergauf. Eine endlose bunte Läuferschlange schlängelt sich zwischen den noch kahlen Reben hindurch. Auf der Höhe hat man eine grandiose Rundumsicht. Leider ist es noch zu diesig um Details zu erkennen. Ganz weit vorne geht es wohl rechts und dann wieder endlos geradeaus.
Nach einer steilen Bergabpassage müssen wir uns konzentrieren, denn in Kleinkarlbach trennen sich Marathon und Halbmarathon. Die Marathonis müssen zunächst rechts. Nach einem knappen Kilometer kommen die Halbmarathonis wieder, dann müssen die Marathonis nach links. Dazwischen liegt noch die Verpflegungsstelle. Es gibt Leberwurstbrot. Für mich ist es dafür noch zu früh, solche deftige Speisen vertrage ich erst in der zweiten Hälfte eines Marathons - schade. Am Ende des Verpflegungsstandes wird ein „Rieslingschwamm“ angeboten. Man tränkt, allen Ernstes, einen Schwamm in einer Schüssel mit Wein und kann diesen dann aussaugen. Das ist nichts für mich. Ich bediene mich mit einem Becher. Echter Kleinkarlbacher Riesling - da kann ich nicht nein sagen.