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Laufberichte

Meisterschlacht bei Rodenbach

18.04.09
Autor: Joe Kelbel

 

Rodenbach. Den Namen haben viele von uns schon  gelesen, wenn die schnellen Läuferinnen und Läufer des Schul-Sport-Club Hanau Rodenbach mit den rot-blau-gelben Streifen auf ihrer Vereinskleidung bei einem Ultralauf an uns vorbeizogen.

Die Bezeichnung Schul-Sport-Club ist zu bescheiden für eine Kaderschmiede, deren Läufer regelmäßig die Welt-und Europameisterschaftslisten  anführen.Vereinsmitglieder wie Simone Stöppler, die bereits 17 Mal das Nationaltrikot bei Europa- und Weltmeisterschaften auf der 100-Kilometer-Distanz getragen hat , Dr. Stefan Hinze,der vor 3 Wochen erst die 100 km in Irland mit 7:14 gelaufen ist, Gerald Dudacy,der mehrfache EM und WM Teilnehmer und Sebastian Kraft,der hessische 100km-Meister werden heute um die 15. Int. Deutsche Meisterschaft im 50km Rennen kämpfen. Ganz vorne dabei sicherlich auch Thomas Dehaut vom LLG Landstuhl, der Jahresschnellste 2008 auf dieser Distanz ,Ulrich Amborn, der 9mal bei WM und EM 100 km Rennen dabei war und den Deutschen Rekordhalter im 1000 Meilen und 1000 km Lauf, und Extremster der Extremsportler, Stefan Schlett.

Nebenbei findet der 16.Int. Rodenbach-Marathon und die 5 km Schülermeisterschaft statt. Es dürfen Läufer aller Nationen teilnehmen, die Deutsche Meisterschaft bei den 50 km allerdings wird unter den 243 deutschen Ultraläufer ausgemacht. Läuft man den 50er bekommt man zusätzlich eine Marathonwertung.

Die römischen Limes-Bewacher, Kaiser Friedrich Barbarossa, König Gustav Adolf von Schweden und Napoleon - sie alle waren willens, sich im Wald bei Bulau zu schlagen.So reihen wir Ultraläufer uns mit der großen Deutschen Meisterschlacht vom April 2009  in die Geschichte Rodenbachs ein.

Organisiert wird die Schlacht von Harry Arndt, der 10 Weltrekorde, unter Anderem  in 100 km und 100 Meilenläufen innehält. 2 Tage und Nächte ließ er es regnen, damit der Asphalt der "in Deutschland schnellsten 50- und 100-Kilometer-Strecke" blankgeputzt für den Meisterschaftskampf ist. Ohne Steigungen, nicht windanfällig, geschützt unter dichtem Blätterwerk.

In seinem Haus wurde vor 24 Jahren die Deutsche Ultramarathon-Vereinigung (DUV) gegründet. Das DUV-Präsidium ist bei diesem Lauf mit Dagmnar Liszewitz,Jürgen Schoch, Dr Stefan Hinze und Wolfgang Olbrich  vertreten.
Heute ist 5mal die 10 km-Runde durch die Bulau, dem Wald im Mündungsgebiet von Kinzig und Main zu absolvieren. Bekannt ist die Strecke von den 100 km-Meisterschaften der Vorjahre.

Dabei ist auch  Horst Preisler , der Weltrekordhalter in der Anzahl gelaufener Marathons, heute mit seinem 1619. Marathon, sowie Franz Feller, der schon120mal die 100 Km absolviert hat .

Von Hanau kommend, über die Rodenbacher Chausse erreicht man den kleinen Ort Rodenbach. Das Ultraläuferauge erkennt gleich am Wort „Chausee“, wer sie baute: Es war Napoleon, der seine Ultraläufer auf diesem Weg gen Osten trieb.
1806 noch mit durchschnittlich 25 Tageskilometern, sieben Jahre später mit doppelt soviel. Doch dazu später. 

Nummernausgabe/Start/Ziel ist im Rodenbacher Waldstadion.

Um das Gebäude des Stadions versammeln sich alle Cracks. Ich habe die Starterliste in der Hand und suche die großen Ultraläufer zusammen.Da steht Josef Bickendorf, vor 2 Jahren noch 60 Kg schwerer, kommt er gerade vom absolvierten Marathon de Sables wieder, um hier kurze 50 km zu laufen. Roland und Sylvia, die heute den blinden Anton bei seinem ersten Ultra führen wird, und all die oben schon erwähnten Vorbilder klappere ich ab, schwätze ein paar Worte und suche weiter. Da fällt schon der Startschuß, allerdings für die Schülermeisterschaft. Nun unsere Startaufstellung. Ich haste noch schnell durch die Reihen um möglichst viele zu finden, die Promis kommen ja erst Minuten vorher an die Startlinie....doch die hübsche Überraschung des Tages stand auf keiner Liste.

Zehn Uhr ist Start. Die Strecke führt, nach einer Runde durch das Stadion, in den Naturpark Hessischer Spessart. Die Barbarossaquelle erinnert daran, daß dies  Kaiser Friedrich Barbarossas Jagdrevier war. Als Teilnehmer des Kreuzzuges zählt er wohl auch zu den Ultraläufern. Im Westen und Süden wird die Strecke von der A45 begrenzt, die leider  genau über dem römischen Limes gebaut wurde, im Norden von der A 66, im Osten von der Grenze zu Bayern.

Ein Teil des Waldes heißt Lamboywald. Benannt nach dem französichen General Lamboy, der den ursprünglichen Wald zur „besseren“ Belagerung Hanaus im 30jährigen Krieg abholzen ließ. Neun Monate belagerte er die Stadt , die von schwedischen und schottischen Truppen besetzt war, ehe die schwedischen Ultraläufer unter König Gustav Adolf aus dem hohen Norden zur Hilfe eilten. In  Gedenken daran findet jedes Jahr ein 3tägiges Fest in Hanau statt : das Lamboyfest.

Fast 200 Jahre später stellten sich Preußen, Bayern und Österreicher hier, zwischen Kinzig und Main, wo wir jetzt laufen, in einer halbkreisförmigen Formation auf. Man wartete auf die Soldaten Napoleons.

Die verbliebenen 80.000 Ultraläufer Napoleons waren jetzt sehr viel schneller als 1806, denn sie waren auf der Flucht Richtung Frankreich: geschlagen in Leipzig, brauchten sie nur 10 Tage für die 400 km nach Hanau über die gute Rodenbacher Chaussee. Napoleon gewann die Schlacht bei Hanau, es war seine Letzte.

Meine letzte Schlacht bei Rom endete mit Blaulicht, doch  hier im Wald erwartet mich kaum ein wildgewordener  Doctore mit Pferdespritze in der Hand, und so lausche ich nun bei meinen Runden dem steten Rufen des ersten Kuckucks.

Hinter der 2 Km-Marke der Runde liegen die Ruinen vom Kloster Wolfgang, durch das Laub erahnt man die hohe Turmruine.Das Kloster wurde während der Bauernkriege 1525 zerstört.

Links und rechts der Laufstrecke sind  tiefe wassergefüllte Löcher.Hierbei handelt es sich Schürfgruben für Eisenerz, was hier knapp unter der Oberfläche lag. Nun quacken hier  die Frösche.

Mein Blick fällt auf den makellosen Asphalt, der von Froschleichen übersäht ist. Ich merke mir die Stellen mit den besterhaltensten Exemplaren, um sie bei der nächsten Runde zu fotografieren.....Doch nach 15 km begreife ich, daß 486 Laufschuhe bewirken, daß man einen Frosch nicht mehr von einem Power-Gelklecks unterscheiden kann.

Endlich erwische ich ein plattes Prachtexemplar, knie mich nieder um eine wunderbare Makroaufnahme zu schießen....als....oh Gott!!!!-- Als Thomas Dehaut an mir vorbeischießt !

Ich fass´ es nicht! Weg von dem Krötentier, draufhalten auf den Spitzenläufer !  Der denkt ja ich bin bekloppt!

Da ist er auch schon vorbei . Kröte und Spitzenläufer gespeichert ! Ha! MannMannMann, bin ich genial!

Dann tritt wieder Ruhe ein und ich träume weiter:

Noch monatelang zogen die verwundeten französischen Nachzügler, vom Schlachtfeld bei Leipzig kommend, durch Rodenbach. Die Dörfler standen an der Chaussee und droschen auf die zerzaussten Gestalten ein.

Unwillkürlich schaue ich mich um, das Läuferfeld ist schon weit auseinandergezogen. Zum Glück kein Rodenbacher mit Dreschflegel zu sehen, nur Sascha mit seinen martialischen Kompressionsstrümpfen verfolgt mich.
Wie ich ihn da so in seinem Tauchanzug mit diesen gerippten  Strümpfen sehe, fällt mir das Märchen von Clemens Brentano ein,was hier in der Bulau spielt: „..da riß sich Gackeleia los und sprang dem Hasen mit dem Geschrei nach:<gib mir die Strümpfe,gib mir die Strümpfe> “

 Sylvia, die den blinden Anton  führt überholt mich. Sie war 4te beim Troisdorfer 6 Std-Lauf 2007 mit mehr als 72 km. Doch das Frühstück drückt und nach wenigen Metern läßt sie Anton am Wegrand stehen....Ich denk´mir: „der Kerl sieht zwar nix, horcht aber Richtung  Büsche.....der wird doch nicht etwa noch Kontraste erkenne...??“ --- Also schnapp ich Held  mir das gelbe Band und zerre ihn auf die Strecke....Sylvia wird uns schon einholen.

Nach einigen Kilometern ist sie auch wieder bei uns, um....naja, ich musste schnell das Band wieder übernehmen.

So sind die ersten 30 Km schnell vorbei.Kaum laufe ich aus dem Stadion wieder raus, wird Thomas Dehaut angekündigt.

Super ! Er gewinnt an seinem Geburtstag die Deutsche Meisterschaft !

Es werden merklich weniger Läufer, wir sind die Nachzügler, die sich nun auf die 4te Rund begeben.

Für die Nachzügler Napoleons gab es keine Verpflegung mehr, längst waren die Versorgungskutschen auf der linken Rheinseite. Wir dagegen haben es besser: 4 Verpflegungsposten gibt es auf dem Rundkurs, bestückt mit dem Besten was das 21te Jahrhundert bieten kann: Warmes Iso und warmer Tee,Wasser,Cola, Salztabletten, Bananen,Keks,Schoko,Salztabletten.

Dies ist Schlemmerrunde 4 und 5.

Viel gibt es in diesen Runden nicht mehr zu erzählen. Nur, daß ich Stefan Schlett treffe, den Deutschen Meister auf 1000 Meilen, der auch mal einen Ultramarathon auf einem Schiff durchführt. Bunt wie ein Kanarienvogel und mit Handschuhen. Ich stelle fest: Der ist weit verdrehter als ich.

Bei Runde 5 darf ich endlich die Marathonmarke fotografieren, die ich ja schon 5mal gesehen hatte.

4 Wochen nach meiner Blaulichtfahrt durch Rom bin ich zufrieden, daß ich mit Erreichen der 50 km-Marke wieder Anschluß an mein Marathonprogramm gefunden habe.

Wer sich die Plätze bei der Deutsche Meisterschaft gesichert hat, erfuhren wir dann bei der Siegerehrung um 17 Uhr:

Deutsche Meisterin im 50 Km-Lauf, hübsche Überraschung und vorher auf keiner Liste zu finden, wurde, und da war auch Harry Arndt baff:  Nicole Benning, vom Verein Schwaikheim mit 3:52:19 , Vizemeisterin Elke Gärtner von der LC Olympia Wiesbadenmit 3:59:32 und dritte Simone Stöppler,  vom SSC Hanau-Rodenbach mit 4:02:33.

Bei den Männern siegte, wie erwähnt, an seinem Geburtstag : Thomas Dehaut von der LLG Landsstuhl in der endlich wieder absolut sensationellen Zeit von 3:03:49. Zweiter wurde Michael Sommer von der EK Schwaikheim in 3:12:00, der sich erst auf den letzten Drücker nachgemeldet hatte, und Dritter wurde Sascha Velten von Lüttringshauserne TV in 3:13:11.

 

Informationen: Deutsche Meisterschaften 50 km-Lauf
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