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Laufberichte

Der PriMa BiMa und die Ultra-Omi

 
Autor: Joe Kelbel

“Der Lockenkopf hat´s faustdick hinter den Ohren” analysiert Anneliese, während sie uns den saftigen Schweinebraten auftischt. Dann erzählt sie, dass der Fuchs schon sechs ihrer Laufenten geklaut hat, und was man am Besten aus den Kirschen von Kleinalmerode macht: “Die Leute brauchen aber nicht in jeden Topf ihre Nase reinzustecken”.

Anneliese ist 90 Jahre alt und das Herzstück des kleinen Dorfes, 30 km östlich von Kassel.  Sie freut sich, dass wir bei ihr übernachten. Dann schaut sie mich an: “Der Kasten Bier steht hinter der Tür!” Während wir ihre frischen Krebbel (Berliner/Pfannkuchen) futtern, serviert ihre Tocher Sigrid im Bürgerhaus die größte Nudelparty auf, die man je erlebt hat.

Anneliese hat´s bestimmt nicht leicht in diesem kleinen Nest voller Ultraläufer. Was vor drei Jahren als Geburtstags-Marathon anfing, ist nun ein waschechtes UltraEvent. Deswegen haben Gerno und Klaus Verstärkung bekommen: Hartmund, Martin und Mathias mischen mit, die Teilnehmerzahl hat sich wieder mal verdoppelt.

Grund ist, dass ein Ultralauf angeboten wird: 54 km mit 1400 Hm und Traileinlagen, wie ich sie liebe.  Aber noch wichtiger: Hier im Grenzgebiet zwischen Hessen, Niedersachen und Thüringen kommt endlich zusammen, was zusammen gehört: Das Laufen und das Wandern.

Egal welche Fortbewegungsart und welche Strecke: 54, 42 oder 21 - jeder darf wie er will, und ich will mal mit den 42 km-Wanderern starten. Dadurch verpasse ich zwar die Andacht des Pfarrers und die Kirschkönigin Carina I., aber nächste Jahr gibt’s vielleicht die Zweite und ich kann heute auf der Strecke herrliche Fotos der überholenden Ultraläufer schießen.

Die Zielzeit beim Ultra von 7,5 Std wird zwar nicht so eng gesehen, aber oben am Bilstein gibt es eine einsame Gipfelhütte und die schöne Sennerin wird sich bestimmt freuen, mich wiederzusehen. 30 Minuten müsste reichen, bin ja Ultra. Das lasse ich mir von Gerno absegnen, damit die handgestoppte Zeit später korrekt in der Liste erscheint.  Thomas startet auch mit den 42 km-Wanderern um 8 Uhr. Aber nur, weil er nicht ahnen kann, dass die Nächte am Küchentisch von Anneliese legendär sind.

Das Gefühl, als Erster die Strecke ablaufen zu können, hat was! Die Helfer wundern sich, wo denn die anderen bleiben, aber nach mir kommen noch 50 Marathon-Wanderer, 140 Ultraläufer,  50 Lauf42er und 150 Lauf21er.

Herrlich, ganz alleine hoch zum Rodeberg laufen zu dürfen. Es wimmelt hier von “Rode-Orten”. Kleinalmerode ist eine Rodung der Allmende, des Gemeinschaftsgutes. Sie alle sind Ortsgründungen durch Stifte, Klöster und weltlichen Herren aus dem 9.-12.Jahrhundert. Vorher war hier nichts, nicht mal die Germanen waren hier. Es war ein unbesiedeltes Niemandsland zwischen den Stämmen, die Grenzen zwischen Hessen, Niedersachen und Thüringen also schon damals festgelegt.

Es wird Frühling! Vor der langen Reihe der Bienenkörbe kloppen sich zwei Rammler, keine Läufer, sondern Hasen, die alsbald so, wie Anneliese analysierte, mir dem Lockenkopf, der es faustdick habe, den Vortritt lassen.

Beim VP km 12, ich  raube gerade die Dose mit den Dänischen Butterkeksen aus, da kommen Lars Donath und Thomas Herget angefetzt. Die beiden führen von Anfang an, Lars wird mit knappen sieben Minuten Vorsprung siegen. Einfach imponierend das Tempo der Beiden mitzubekommen. Ich halte also in einer Hand die Großfamilien-Keksdose, während ich mit der anderen Hand die Beiden fotografiere, wie sie vom guten Grapefruit-Bizzel trinken.

Dann wetzen sie weiter. Zur Erklärung: meine linke Hand ist letzte Woche gebrochen, also ein Knochen der Mittelhand, auf den letzten 300 Metern beim GranDucale, quasi ein Ermüdungsbruch, als ich nach dem Geländer greifen wollte. Macht aber nix, die Kecksdose wird nun zusehends leichter.

Ich bin dann auch weitergelaufen. Herrlicher Fernblick über die offene, leicht hügelige Landschaft am Rande des Kaufungener Waldes. Laufrichtung nun nach Norden, nach Hubenrode und vorbei an der Hasenmühle

Offiziell werden 9 Verpflegungsstellen (7 beim Marathon) angeboten, es sind aber mehr, und es gibt “Schaumstoffküsse mit Schokoladenüberzug.” Warum ich das erwähne? Die Anneliese hatte zum Frühstück neben dem warme Schweinebraten noch diese herrliche Presswurst serviert (“Für euch extra dick geschnitten!”) und ich hau mir bei jeder Steigung nun die dicken Brote rein (“Braucht ihr auch noch Tüten für die Brote?”).  Ich esse grundsätzlich nur bei Steigungen, da hat man mehr Zeit. Und Steigungen gibt es reichlich, diese lang gestreckten, ewig langen. Und so mampfe ich auch reichlich, sodass die Kalorienbilanz positiv wird.  Und zum Nachtisch nehme ich halt gerne ein paar Negerküsse (ich weiß Bescheid, schreib es jetzt absichtlich so). “Ich glaub, ich muss auffüllen “ sagt der Feruerwehrobermaat, als ich nach langer Zeit davondüse und leere Schaumstoffkisten zurücklasse.

Km 24 Abzweig der Ultrastrecke, jetzt wird es lustig, das ist das, was ich will:
Zunächst kommen wir zur Niestequelle, einem Zufluss der Fulda. Rostrot ist die Quelle. Es sind Eisensulfide, die aus der Braunkohle ausgeschwemmt werden. Nicht giftig, ersticken aber dennoch jegliches Leben im Bach. Aber hier oben pennt eh noch alles Leben. Es liegt noch Schnee und ich mittendrin, weil es bekloppt ist und Jörg auch fotografiert werden will, und weil wir Zeit haben und überhaupt.

Hier beginnt der ECO Pfad Archäologie, der zu Orten der mittelalterlichen Glasherstellung entlang der Nieste hinunter zum gleichnamigen Ort führt. Durch Nieste fährt man, wenn man nach Kleinalmerode will. Ein hübscher Ort, dessen ehemaligen Reichtum man an den schmucken Fachwerkhäusern ablesen kann.

Hier oben im Wald gibt es riesige Müll- und Abraumhalden und solche aus dem Mittelalter. Aber Achtung: sämtliche Glashütten und Halden sind geschützte Bodendenkmäler, denn es finden sich noch jede Menge mittelalterliche Werkzeuge und Kleidungsstücke in den Halden. Geo-Cache-Foren halten sich glücklicherweise schweigsam, auch wenn die Halden deutlich sichtbar sind.

Fällt jemanden von Euch irgendetwas auf ?

Thomas, der mit mir um 8 Uhr gestartet ist, schaut ungläubig, aber er hat auch 3 Jahre Geologie studiert, bevor er anfing Briefmarken zu sammeln. Braunkohle und Glasindustrie passen nicht zusammen. Widerspricht der gesamten Geologie, es sei denn…es sei denn wir laufen durch eine Gegend die weltweit einmalig ist!

Die Braunkohle muss jedenfalls sehr viel jünger sein, als der Vulkanismus, der Quarze und Basalt hinterlassen hat. Aber die kristallinen Basaltsäulen stehen imposant über den mächtigen Braunkohleflözen, wenn sie noch da und nicht abgebaut wären, also die Braunkohle. Bis 1963 wurde die Kohle abgebaut. Die Steinbergseen sind Reste des Tagebergbaus.

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Informationen: Bilstein-Marathon
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