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Laufberichte

Jubiläums-Party in der Hauptstadt

29.09.13

Wenn der Sport-Club Charlottenburg e.V. nach Berlin zur 40. Auflage des Hauptstadtmarathons lädt, dann will die ganze Welt zu Gast sein. Nicht anders lässt sich erklären, dass bereits 30 Sekunden nach dem Anmeldestart am 25. Oktober 2012 die ersten 10000 Startplätze vergeben waren. Nach nicht ganz dreieinhalb Stunden ging dann gar nichts mehr, alle Startplätze weg, ausverkauft, fertig…

Rein zufällig jedoch hatte ich an diesem Tag um 12:00 Uhr Mittagspause und genau 10 Sekunden nach zwölf war die Anmeldung raus. Jubiläums-Party in Berlin? Nicht ohne mich, auch wenn meine Marathon-Premiere im letzten Jahr an gleicher Stelle alle Kräfte aufzehrte! Runde zwei war besiegelt.

 

Dabei fing alles so klein an

 

Als vor 39 Jahren die Geschichte des Berlin-Marathons begann, hat sich diese Beliebtheit garantiert niemand vorstellen können. 244 Läufer erreichten am 13.10.1974 beim 1. Berliner Volksmarathon das Ziel. Als Strecke diente damals ein Pendelkurs vom Mommsenstadion durch den Grunewald zum Strandbad Wannsee und wieder zurück. Sieben Jahre später (1981) wurde der Marathon aus dem Grunewald in die Stadt geholt. Gestartet wurde vor dem Reichstagsgebäude (wo heute der Familienbereich angesiedelt ist), und als Zielgerade diente der Ku’damm. Mit fast 3500 gemeldeten Startern avancierte der Berlin Marathon gleichzeitig zum größten Stadtlauf Deutschlands.

Um den immer größeren Andrang bewältigen zu können, wurde der Start 1987 auf die Straße des 17. Juni verlegt. Zeitgleich buchte der SCC erstmals auch Musiker und Bands, um die Stimmung am Streckenrand anzuheizen. 1990 durften die Läufer erstmals das Brandenburger Tor durchqueren. Zum 30. Jubiläum im September 2003 wurde zusätzlich zum Start auch der Zieleinlauf auf die Straße des 17. Juni gelegt, die heute bekannte Marathon-Strecke war geboren. In den folgenden Jahren sollte sie als „die schnellste Strecke der Welt“ bekannt werden, wurde doch der offizielle Weltrekord erstmals 2003 beim Berlin Marathon aufgestellt und seitdem bis zum heutigen Renntag drei Mal unterboten. Und der Kenianer Wilson Kipsang hatte angekündigt, dieses Jahr zum Jubiläum den fünften Weltrekord in Berlin zu zelebrieren.

 

Erlebnis Berlin Marathon

 

Auf diesem Niveau kann ich nicht mithalten, doch da die Premiere letztes Jahr fast kurz vor dem Ziel gescheitert wäre, war die Motivation im letzten Oktober hoch, bei einem zweiten Versuch alles besser zu machen, früher mit der Vorbereitung zu beginnen, systematischer zu trainieren. Im Winter werden die Sieger des Sommers gemacht, jawohl! Nur nicht im Berliner Winter… Die Temperaturen ließen alle Ziele schnell erfrieren, aus der Motivation wurde schlechtes Gewissen. Und natürlich musste der Winter sich auch bis weit in den März ziehen, sodass die Halbmarathon-Saison im April fast ohne Training begonnen wurde. Alles in allem begann der eigentliche richtige Trainingseinstieg erst Ende Mai. Keine guten Vorzeichen für das Ziel, dieses Jahr problemlos die Marathon-Distanz hinter mich zu bringen.

Doch dank viel gewälzter Literatur und dadurch optimiertes Training verbunden mit Yoga, um die Rumpf-Muskulatur zu kräftigen und zu dehnen, kam ich noch rechtzeitig auf Kurs. Besser noch, meine persönliche Halbmarathonbestzeit konnte um 90 Sekunden unterboten werden und ich fühlte mich generell viel fitter als 2012. Der Marathon konnte kommen.

Wer in Berlin laufen möchte, wird von Anfang an mit Berliner Stadtgeschichte konfrontiert. Die Startnummern-Ausgabe verbunden mit der Marathon-Messe ist im alten Flughafen Tempelhof untergebracht. Das Terminalgebäude, übrigens zum Zeitpunkt der Fertigstellung 1941 das flächengrößte Gebäude der Welt und bis heute eins der längsten Gebäude Europas, dient als Empfangshalle. Wer seine Anmeldebestätigung vergessen hat, kann sich an einem Check-In-Schalter eine neue ausstellen lassen. Die eigentliche Startnummernausgabe samt der kompletten Messestände sind in den Hangarhallen und auf dem Rollfeld untergebracht. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt oder vergessen wurde, einzupacken. Bei mir sollte eine neue Sportbrille ein tiefes Loch in das Portmonee reißen.

Wegen der Bombenanschläge beim Boston Marathon wurden dieses Jahr in Berlin stärkere Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Den ersten Änderungen begegnete man schon bei der Startnummernausgabe. War es sonst ohne weiteres möglich, mit entsprechender Vollmacht auch Nummern für Familie und Bekannte abzuholen, wurden dieses Jahr Startnummern nur persönlich nach Ausweiskontrolle ausgegeben. Gleichzeitig wurde den Läufern ein nicht abnehmbares Armband angelegt. Nur Personen mit Armband und Startnummern waren berechtigt, am Renntag den vollständig gesperrten und eingezäunten Teilnehmerbereich zu betreten. Wie letztes Jahr war die Übernahme der Startnummer begleitet von einem intensiven Kribbeln. Endlich war das Rennwochenende nah.

 

Run once. Run Forever.

 

Doch bevor die Läufer, Walker und Rollis am Sonntag die Stadt unsicher machen dürfen, sind am Samstag die Skater dran. Es ist einfach der Wahnsinn, mit welchem Tempo diese an einem am Potsdamer Platz vorbeirauschen. Doch nicht nur das Bejubeln der Skater stand auf dem Programm, der SCC lud auch ins Kino ein. Für das Marathon-Wochenende wurde eine 30-minütige Dokumentation unter dem Titel „Berlin. Run once. Run forever.“ produziert - Eine Hommage eines Vereins an seine Stadt und sein liebstes Kind mit Einblicken in die Marathon-Geschichte, -Organistation und den Emotionen am Renntag. Gänsehautmomente. Ich hatte das Glück, direkt nach dem Kinobesuch noch das Spitzenfeld der Skater zu erwischen und wollte eigentlich nur noch selbst auf die Strecke.

Auf dem Weg zum Start am nächsten Morgen zeigte sich die nächste Neuerung im Vergleich zum Vorjahr. Wie bereits erwähnt, wurden die Sicherheitsmaßnahmen erhöht und erstmalig der komplette Athletenbereich eingezäunt. Zugang zu diesem Bereich gab es nur über zwei Eingänge, an denen der Besitz von Startnummer und Armband überprüft wurde. Diese wurden natürlich so gelegt, dass von jedem größeren Anreisebahnhof ein 20-minütiger Fußmarsch fällig wurde.

Nach dem Check gab es kein Zurück mehr. Schnell noch den Kleiderbeutel abgegeben und ab in den Startblock und zusammen mit den anderen 40000 Menschen aus 119 Nationen auf den Start warten … und verdammt frieren. Es waren 8°C am Morgen und jeder trug kurze Laufklamotten, da für den Mittag Temperaturen von über 20°C angesagt waren. Doppelte Qual ist dann noch, wenn der eigene Startblock erst ganze 30 Minuten nach dem Spitzenfeld auf die Strecke darf. Doch, als der Startschuss dann fiel, gab es im Feld kein Halten mehr, jeder wollte nur noch die Kälte aus den Gliedern bekommen und so begann meine zweite gute 42km lange Reise zum Brandenburger Tor, das sich eigentlich die ganze Zeit nur 500m hinter einem befand.

Direkt nach dem Start ging es direkt auf die Siegessäule zu, auf der die Siegesgöttin Viktoria thront. Nicht wenige männliche Läufer riskierten hier einen Blick nach oben und es war ihnen auch nicht zu verdenken, denn wann kann man einer Göttin schon mal unter den Rock schauen. Hinter der Siegessäule ging es Richtung Ernst-Reuter-Platz, Heimat des Hauptcampus der Technischen Universität Berlin, bevor das Feld Richtung Berlin-Moabit einbog. Dieser Stadtteil dürfte vor allem durch die denkmalgeschützte JVA bekannt sein, die in den 1870er Jahren errichtet wurde. Von hier aus leitete die blaue Linie in Richtung Regierungsviertel.

Neben einen schönen Blick auf den Berliner Hauptbahnhof und das Reichstagsgebäude führte die Strecke auch an der Schweizer Botschaft vorbei. Die Belegung der Botschaft lebte an diesem Tag das Schweizer Motto der Neutralität und so wurde jeder Läufer mit Hilfe Schweizer Kuhglocken lautstark angefeuert. Die nun folgenden drei Kilometer durch die Berliner Mitte hatte ich vom letzten Jahr noch als sehr ruhig, ja fast schon langweilig, in Erinnerung, doch dieses Jahr waren meiner Meinung nach mehr Menschen an der Strecke, sodass die durchgehend gute Stimmung kaum einmal durch menschenleere Passagen unterbrochen wurde.

Dann näherten wir uns dem Alexanderplatz und das erste Viertel der Strecke lag hinter mir. Ich fühlte mich richtig gut, es schien ein guter Tag zu werden. Mit dem lauten Empfang am Strausberger Platz war der östlichste Teil der Strecke erreicht und von hier aus ging es Richtung Süden. Vorbei am Heizkraftwerk Mitte näherte sich Kilometer 15 und damit der Platz am Kottbusser Tor. Melodien aus 1001 Nacht umschwärmten einen und luden zum Verweilen ein, doch Zeit war heute kostbar und so war der Hermannplatz das nächste Ziel. Von dort aus bog das Feld wieder Richtung Westen.

 

Halbzeit

 

Unter dem nicht aufhörenden Jubel unzähliger Menschen überschritt ich die Halbmarathon-Marke und schaute auf die Uhr – 02:07h. Alles auf Kurs für die geplanten 04:30h. Das Tempo stimmte und die Beine waren locker. Ja, die erste Hälfte lief sich wie von selbst. Bevor es wieder zurück in die Innenstadt ging, ging es jetzt zunächst  in den Berliner Süden. Wen der Hunger plagte, weil er seine Rennvorräte schon aufgebracht hatte, dem kam die PowerBar-Gerade bei Kilometer 27 mit Gels in allen Geschmacksrichtungen gerade recht.

Doch auch stimmungsmäßig ließen sich die Berliner hier nicht lumpen. Mehrere DJs und vor allem die Partyzone am Wilden Eber stimmten das Läuferfeld auf die letzten 13km ein. Von hier aus waren es fünf Kilometer zum Kurfürstendamm, West-Berlins Luxus-Shopping-Meile und ehemalige Zielgerade des Berlin-Marathons. Jetzt liegt die in Berlin liebevoll Ku’damm genannte Straße mitten in den 30er Kilometern der Strecke, der Bereich, in dem bei Marathon-Athleten oft der Mann mit dem Hammer zuschlägt.

Um von den Qualen abzulenken, hatte sich der SCC etwas Nettes überlegt. Angehörige konnten Läufern Botschaften und Motivationen hinterlassen, die dann bei Kilometer 35 auf einer Leinwand präsentiert wurden. Einen Hammerschlag bekam ich nicht zu spüren, die Fitness passte. Was ich jedoch sehr deutlich merkte, waren meine Füße! Nach über 30 Kilometern Asphalt halfen auch die besten Schuhe nichts mehr, die Füße waren einfach platt. Trotzdem ging es mir gut, kein Vergleich zum letzten Jahr, wo zu diesem Zeitpunkt die Luft eng wurde.

 

Weltrekord

 

Die letzten Kilometer waren angebrochen und es hieß durchatmen, den Körper aufrecht halten, es ruhig zu Ende bringen. Vorbei an der Philharmonie lief ich durch die Straßenschluchten am Potsdamer Platz vorbei an Berlins „Wolkenkratzern“ – 4km noch, und doch gab es vor dem Brandenburger Tor noch ein richtiges Highlight. Es hieß, einmal  „Berlins schönsten Platz“ zu umrunden, den Gendarmenmarkt mit dem Konzerthaus, eingerahmt von den baugleichen Französischen und Deutschen Dom-Bauten. Hier, bei Kilometer 40, lag auch der letzte Erfrischungspunkt, an dem jetzt auch endlich freudig der neue Weltrekord von Wilson Kipsang verkündet wurde.

Nach dem Gendarmenmarkt kam sie, die letzte Kurve, auf der man auf die Straße Unter den Linden einbiegt und direkt auf das Brandenburger Tor zusteuert. Dieses Gefühl, zu begreifen, dass man es gleich geschafft hat, ist auch beim zweiten Mal unbeschreiblich. Und auch die Stimmung auf diesen letzten 500 Metern ist nicht in Worte zu fassen. Es waren so viele Menschen an der Strecke – mindestens in Fünferreihen – und keiner wagte es, ans Stehenbleiben zu denken. Was blieb mir also anderes übrig, als voller Adrenalin den Zielbogen zu durchqueren und das in 04:24:16h… Wow, die selbstgesetzte Zeit um fast 6 Minuten, die Vorjahreszeit sogar um 31 Minuten unterboten. Heute hat einfach alles gepasst.

Im Ziel fiel der Vorteil der Neu-Organisation des Athleten-Bereichs auf. Es gab kein Gedränge, kein Chaos, jeder fand ungehindert seinen Weg zur Kleiderabgabe und es gab genug Platz, damit jeder trotz des Trubels einen Augenblick für sich selbst fand. Ich wollte eigentlich nur noch Natascha umarmen; ihr sagen, wie sehr diese Leistung auch ihr Verdienst ist, denn sie ist doch mein Antrieb und ohne sie wäre das gar nicht möglich. Doch sie konnte beim Berlin-Marathon nicht dabei sein. Sie wollte an diesem Sonntag ebenfalls einen Marathon laufen, ihren ersten. Dies jedoch nicht in Berlin, sondern am 8900km entfernten Lake Tahoe in Kalifornien.

 

Fazit

 

Der Berlin-Marathon ist nicht nur ein Lauf, er ist ein Erlebnis! Jeder, der Stadtläufe mag und der es gerne auch etwas lauter haben kann, muss einmal Berlin gefinisht haben. Super-Stimmung, erstklassige Organisation und in den letzten Jahren auch immer ein perfektes Laufwetter. Wie begehrt die Starplätze in Berlin sind, hat die Tatsache gezeigt, dass der Marathon in diesem Jahr bereits nach 3,5h ausverkauft war.

Um die Verteilung der Startplätze für das kommende Jahr fairer zu gestalten, werden alle Startplätze verlost. Bis zum 14.10.2013 kann man sich als Interessent für die Verlosung registrieren, um dann am 01.11. zu erfahren, ob man einer der 40000 Glückspilze ist, die sich anmelden dürfen. Im Zuge dessen werden auch die Preise vereinheitlicht: jeder muss 98€ bezahlen.

Ich bin bereits im Lostopf und hoffe, dass Berlin und ich im kommenden Jahr Runde drei einläuten können. Vielleicht diesmal mit der 04:00h als Zielmarke…

 


 
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