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Laufberichte

Lauf in den Mai der besonderen Art

 

Die Laufszene ist voll von Originalen, die mit ihrem Leben und Wirken den Sport maßgeblich beeinflusst haben. Einer davon ist Ingo Schulze. 1948 geboren, hat er sein Lauftalent, für heutige Verhältnisse erst spät mit 30 Jahren entdeckt. Dies ist vermutlich auch der Grund, warum er schnell bei den Ultradistanzen gelandet ist, wo man gerade als älterer Zeitgenosse seine Hochphasen hat.

Doch einfach nur laufen war ihm nicht genug. Als Organisationsgenie mauserte er sich zielstrebig vom Lauftreffleiter zum Veranstalter von besonderen Laufevents. Deutschlandlauf, Internationaler Spreewaldlauf und als Meisterstück 2003 der TransEurope-FootRace“, der Lauf von Lissabon nach Moskau, gehen auf die Kappe von Ingo. 2009 folgten dann die Neuauflagen des „TEFR“ von Bari in Italien zum Nordkap und 2012 in umgekehrter Richtung vom Nordzipfel Dänemarks nach Gibraltar.

Ich erinnere mich noch, als es danach hieß: der Ingo hat die Schnauze voll vom Organisieren. Ganz glauben konnte ich das trotz seines Alters nicht. Deshalb war ich auch wenig erstaunt, dass Ingo für Herbst 2016 einen Schwarzwald-Etappenlauf plant. Als Einstimmung sollte es vorher am 1. Mai einen 6h-Lauf geben. Dieser findet in Empfingen statt, einem idyllisch gelegenen Örtchen auf einer Hochebene des Neckartals zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Das dort ansässige Medico Gesundheitszentrum bietet seine Räumlichkeiten als Gastgeber für alles Organisatorische, der Lauf selbst findet auf der Straße direkt davor statt.

Da Empfingen direkt an der A81 liegt, ist die Anreise problemlos. Geparkt wird, wo es Platz hat. Wir sind hier auf dem Land, da nimmt man das nicht so genau. Der Vorraum des Medico Gesundheitszentrum ist schon voll. Wo unter der Woche Physiotherapie, Reha- Maßnamen und professionelle Betreuung von Freizeit und Leistungssportlern angeboten wird, bekommt man heute seine Startnummer. Es gibt eine Umkleide, Toiletten und einen Fitnessraum, der heute aber wenig frequentiert ist. In den schönen neuen Räumen kommt man schnell ins Gespräch. Hauptthema ist das Wetter, besser noch, was ziehe ich an? Die meisten hatten sich auf wärmere Temperaturen eingestellt. Doch hier oben weht ein kalter Wind. Wenn dann noch der angekündigte Regen dazukommt, könnte es ungemütlich werden.

 

 

Um viertel vor 10 ruft Ingo die Läufer nach draußen. Er gibt eine kurze Einführung über die Strecke: Sie ist 1,4 km lang, der Start befindet sich direkt vor dem Haus, am Begegnungstück bitte Rücksicht nehmen, und am Schluss der Runde eindeutigen Kontakt mit dem Rundenzähler aufnehmen.

Albert Schindler, der Bürgermeister der Gemeinde, lässt es sich nicht nehmen, die Läufer persönlich zu begrüßen. Man merkt ihm an, dass er sich dem Thema Sport sehr verbunden fühlt. Ist er doch passionierter Radfahrer und trotz seines Alters immer noch auf langen Strecken unterwegs. Er fasst sich angenehm kurz.

Es geht auf die Straße. Der Start ist eine einfache weiße Linie. Dahinter versammeln sich die Läufer. Neben den ca. 40 Langstrecklern sind auch ein paar Hobbyläufer am Start. Ihr Wettkampf geht über 5 Runden. Nach dem Herunterzählen der letzten Sekunden gibt Albert Schindler den Startschuss, und los geht es.

Zunächst führt die Strecke bergauf an den Verpflegungstischen vorbei. Nach einer längeren Gerade laufen wir an der Straßengabelung links, es geht steil der kurvigen Straße folgend bergab.  Rechts führt uns ein gepflasterter Spazierweg immer noch abwärts. An einer Ruhebank biegt die Strecke scharf rechts auf einen Radweg ein. Hier ist es wellig, bis wir vor einer Absperrung erneut rechts geleitet werden. Ein weiterer gepflasterter Weg führt nun wieder bergauf. Der Weg endet an der Straße.

Ein Stück weiter oben wundere ich mich. Waren wir hier nicht schon einmal? Ja, wir biegen nun auf das angekündigte Begegnungsstück ein. Von weitem ist das Medico Gebäude bereits zu erkennen. Schnell sind wir da, hier geht es scharf links, den Berg hinunter. Etwa auf halber Strecke kurz vor einer erneuten Straßensperre befindet sich ein Tisch, den muss man umrunden und auf der anderen Straßenseite wieder hinauflaufen, am Zelt der Rundenzähler vorbei. Wir vergewissern uns, dass man uns gesehen hat, dann sind wir schon wieder an der  Startlinie. Die erste Runde ist geschafft.

 

 

Norbert läuft die ersten beiden Runden mit mir. Schnell wird klar, wer heute etwas vor hat: Da ist zunächst  Rainer Leyendecker, der in diesem Jahr schon über 72 km in 6 Stunden gelaufen ist. Dann kommt  Robert Wimmer, verfolgt von einem mir unbekannten Läufer in schwarz-grünem Shirt. Robert, der seit 1989 wettkampfmäßig Ultralaufsport betreibt und unter anderem Sieger des ersten Trans Europalauf ist, hat seine Laufkarriere vor kurzem aus gesundheitlichen Gründen beendet. Mittlerweile läuft er nur noch zum Spaß und ist dafür recht schnell unterwegs. Der mir unbekannte Läufer ist Martin Kunz, heute zum ersten Mal bei einem 6 h Lauf unterwegs. Als Vorbereitung für den 100 km Lauf in Biel wurde ihm geraten, doch einmal so etwas zu versuchen. Für Biel ist die Strecke natürlich optimal. Das dauernde hoch und runter summiert sich und je mehr Runden man läuft, desto mehr Höhenmeter kommen natürlich zusammen.

Norbert hat sich mittlerweile verabschiedet und startet seine Aufholjagd von hinten. Nach 4 Runden sichte ich das Angebot an der VP. Es gibt allerhand Süßigkeiten, aber auch Salzstangen, Erdnüsse, Käse, Salamibrote und natürlich das obligatorische Obst. Ich halte mich an Cracker, die mit Frischkäse bestrichen sind. Da passt jede Menge Salz drauf, dazu süßen Tee. So bin ich bestens versorgt.

Wer meint, immer im Kreis zu laufen, sei langweilig, der muss nach Empfingen. Abgesehen von der schönen Aussicht auf Feld und Flur ist auf so einer kurzen Strecke immer etwas los. Bald hat sich das Feld so durchmischt, dass schwer zu sagen ist, wer vor und wer hinter einem ist. Rainer Leyendecker scheint bei den Männern die Nase vorn zu haben. Unermüdlich kommt er mal von vorn, mal von hinten. Bei den Frauen ist es Juana Vasella, die von Anfang an aufs Tempo drückt. Die junge Frau ist eine wahre Rundenlaufspezialistin. Wo sie auch antritt, immer ist sie unter den ersten 3 zu finden. Bei den Folgenden spricht einiges für Illona Nöh, die ebenfalls bei jedem Wettkampf gute Ergebnisse erzielt, während Nazli Hacibayramoglu als Empfingerin zwar den Heimvorteil hat, aber eigentlich für kurze Triathlondistanzen trainiert. 6 Stunden laufen ist schon etwas anderes.

Nach einer Stunde hat der letzte Hobbyläufer seinen Wettkampf beendet. Der 75-jährige Kurt Haigis hat noch eine besondere Mission. Nach seinem gelungen Finish schlüpft er in seine Aufgabe als Alleinunterhalter und sorgt im Start/Zielbereich für Stimmung.

 

 

Schon früh fange ich an, die untere, steilere Steigungen zu gehen. Trotzdem werden bald meine Beine schwer. Das scheint anderen ebenso zu gehen. Nach der Hälfte der Zeit hat das Tempo bei den Durchschnittsläufern spürbar nachgelassen. Ab der fünften Stunde scheinen auch die Cracks langsam müde zu werden. Das Tempo ist zwar immer noch hoch, aber aus den Gesichtern spricht die Anstrengung. Norbert hat sich inzwischen nach vorne gearbeitet. Er gehört zu den ersten, die die Marathonfahne, als Zeichen für die absolvierte Maratondistanz, bekommen. Das gibt noch einmal zusätzliche Motivation.

Bei mir dauert das noch. Seit der fünften Stunde läuft es bei mir wieder besser, ich mache definierte Gehpausen, der Rest wird immer noch gejoggt. Daher bin ich schwer verwundert, dass ich bereits 44,8 km auf der Uhr habe, als ich die Marathonfahne bekomme. Hoffentlich ist da nichts schief gelaufen. Die letzte Stunde geht wie immer schnell vorbei. Schon kommen mir die ersten Läufer mit den roten Klötzchen entgegen. Diese werden bei Ertönen des Schlusssignals als Markierung auf den Boden gelegt. So können dann noch die Restmeter vermessen werden, ohne dass die Läufer an ihrem Haltepunkt warten müssen.

Auch ich erhalte mein Klötzchen und schaffe noch ein paar Restmeter. Dann ertönt der Schuss als Signal, stehen zu bleiben. Sofort ist ein Helfer bei mir, und weil ich gerade auf der Begegnungsstrecke bin, markiert er zusätzlich meine Laufrichtung. Dann geht es zurück zu unserem Ausgangspunkt.

 

 

Bei den Verpflegungstischen sammeln sich die Läufer. Aus den Gesichtern spricht die Freude über die geschaffte Leistung, jeder gratuliert jedem. Wir schaffen es nicht, alles aufzuessen, soviel ist noch übrig. Inge, Ingos Frau und gute Seele des Laufs, sammelt die Reste, um sie im Vorraum des Medico Gesundheitszentrums aufzustellen. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen, außerdem Bockwürste satt. Keine Minute zu früh, denn nun beginnt es wie aus Eimern zu schütten. Wunderbarerweise hat das Wetter bis zum Schluss des Laufs gehalten.

Als sich alle Läufer versammelt haben, wird noch Sekt ausgeschenkt. Dann folgt die Siegerehrung auf typische Ingo-Art. Bei seinen lustigen Anekdoten bleibt kein Auge trocken. Siegerin ist Juana Vasella mit 57, 6 km, was bei diesem Höhenprofil eine super Leistung ist. Zu ihrer eigenen Überraschung ist Nazli Hacibayramoglu mit 55,3km Zweite vor Ilona Nöh mit 52,3 km.

Bei den Männern hat es doch tatsächlich Martin Kunz geschafft und gewinnt mit stattlichen 67, 5 km vor Rainer Leyendecker mit 66,0 km und Hans Jürgen Schlotter mit 63,7 km. Norbert wird übrigens Vierter mit 60,6 km. Dass er die ersten Runden mit mir gelaufen ist, hat ihm wohl nicht geschadet. Es gibt Ehrungen und Preise für die Altersklassensieger, dann bekommt noch jeder Teilnehmer persönlich von Ingo seine Urkunde überreicht und von Inge ein paar hochwertige Laufsocken.

 

Fazit:

 

Für mich war der Lauf außerordentlich abwechslungsreich. Als Fan von Rundenläufen hat dieser alles, was ich gerne mag: Viele nette Leute um mich herum, kurze Wege, super Verpflegung, anspruchsvolle Strecke, perfekte Organisation. Die Differenz meiner Kilometermessung zur offiziellen Rundenzählung liegt wohl daran, dass ich nicht immer die Optimallinie getroffen bin und sich jeder zu viel gelaufenen Meter über die Anzahl der Runden aufsummiert. Die Rundenanzahl hat bei mir jedenfalls übereingestimmt. Für nächstes Jahr gibt es wohl eine Transpondermessung, was das Ganze noch professioneller machen wird.

 

Informationen: 6-Stunden-Medico-Lauf
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