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Laufberichte

Faszination Freiheit

17.08.13
Autor: Joe Kelbel

Von Günter Litfin bis Chris Gueffroy

 

Man muss sich schon ziemlich anstrengen, um noch Reste der Mauer zu sehen, die von 1961 bis 1989 Berlin teilte. Einige Meter an der East-Side-Gallery, am Abgeordnetenhaus und ein paar Segmente an der Niederkirchnerstrasse. Dann gibt es  Pflastersteine und Bronzestreifen, die in der Innenstadt den Verlauf nachzeichnen und  den Mauerweg der dem Kolonnenweg folgt, den die DDR-Grenztruppen für ihre Kontollfahrten angelegt hatten. 

Es ist der 52te Jahrstag des Mauerbaues. Etwa 160 km lang war der “antifaschistische Schutzwall” rund um Westberlin. 

In Stalingrad belog der Tischler aus Leipzig im Auftrag der Roten Armee die deutschen Landser pausenlos per Lautsprecher. Dann wurde er Chef der DDR: Walter Ulbricht, der zwei Monate vor dem Mauerbau den Journalisten in die Blöcke diktierte:

“ Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!”

“Niemand hat die Absicht 100 Meilen zu laufen!”

220 Ultraläufer aus 17 Nationen stehen heute am Start der zweiten Ausgabe der 100 Meilen von Berlin, dazu 44  Staffelläufer.

Der Mauerweg ist kein Landschaftslauf, kein Stadtlauf und kein Trailrun. Er ist ein Gedenklauf, um an die Geschichte und den Verlauf der Mauer zu erinnern. Er geht mit jedem Schritt an die Nieren, steigert sich mit jedem Gedenkstein, kostet Überwindung und Mut.  So wie den zahllosen Menschen damals, die alles riskierten, um der Diktatur zu entfliehen.

Hundertfünfzig Meter sind es vom Start an der Lobeckstrasse in Kreuzberg bis wir auf dem Streifen sind, an dem einst die Berliner Mauer stand.

Dreihundert Meter sind es bis zu dem Ort des Todeskampfes von Peter Fechter, der von Fernsehkameras der Nachrichtenagenturen bis zum letzten Atemzug dokumentiert wurde. 

Exakt auf den Tag genau (17.August), vor 51 Jahren, da wird Peter in dem Moment, als er auf die Westseite springen will, angeschossen, fällt zurück auf Ostberliner Gebiet. Auf beiden Seiten bilden sich große Menschenansammlungen. Westliche Polizisten werfen Verbandspäckchen zu ihm hin. Die DDR-Grenzer bleiben tatenlos, keine erste Hilfe, nichts.

Die vom Checkpoint Charlie herbeigeeilten US-Soldaten glotzen nur. Ein US Hubschrauber kreist über der der Mauer. Unter “ Mörder! Mörder!”-Rufen stirbt Peter  50 Minuten lang und die Welt schaut zu.

Vertrauensverlust gegenüber den Westmächten, die nach dem Vier-Mächte-Status den sowjetischen Sektor jederzeit hätten betreten dürfen. Sie waren der Ansicht, die Mauer berührt nicht ihre Interessen. Transparente wie “Schutzmacht?” und “Ami go home!” Westberliner Polizei ging gegen die westlichen Demonstranten mit Wasserwerfern, Gummiknüppeln und Tränengas vor, errichtete selbst Stacheldrahtsperren vor der Mauer, auf westlicher Seite!

“Wer die Angehörigen unserer Schutzmächte in unflätiger Weise angreift…der hilft Ulbricht” so die Rede des Regierenden Bürgermeisters, der damit klar machte, wie die amerikanische Berlinpolitik aussieht.

20 Meter weiter Grenzübergang Checkpoint Charly. In wenigen Stunden stehen hier wieder “US-Soldaten”, die gegen Euros für Fotos posieren, es wird gelacht werden und jeder will auf´s Foto. Wenn in Amerika, Frankreich, England, China, Japan oder sonstwo diese lächerlichen Fotos präsentieren werden sagt man: “Oh, Berlin is really nice!”

27. Okt 1961, der dritte Weltkrieg droht, als sich hier sowjetische und amerikanische Panzer gefechtsbereit gegenüber stehen. Burkhard starb hier bei einem Fluchtversuch 1974. Drei DDR-Bürger durchbrachen 1986 diese Grenzsperre mit einem 7,5-Tonner. Hans Peter flüchtete 1989 zusammen mit seiner Tochter im Kofferraum, und …

….Atempause….. An jeder Ampel, denn es droht Disqualifikation bei Verstoß gegen die Verkehrsregeln, und jeder Laufkamerad könnte ein IM der Rennleitung sein,  einen Rotlichtverstoß petzen, um im Klassement nach vorne zu rücken. Und so stehen wir brav davor und warten, auch wenn dieser Teil Berlins noch verschlafen ist. In der Wilhelmstrasse fahren eh keine Autos, fette, blau leuchtende Panzersperren verhindern das vor der britischen Botschaft. Politik sollte sich an dem Schutzwall messen lassen, mit dem sie sich umgibt.

Weiter geht unser Lauf entlang des ehemaligen “imperialistischen Schutzwalls”. 
Brandenburger Tor, glänzt noch friedlich und touristenfrei in der aufgehenden Sonne.
Reichstagsgebäude, Bundeskanzleramt, Parlamentsgebäude.

Bernd fuhr am 12. August 61 nach Westberlin, um sich an der TU einzuschreiben. Dort sagte man ihm: entweder Abiturzeugnis oder drei Semester DDR-Uni nachweisen. Bernd war der Einzige, der am 16. August nach Ostberlin einreiste, er wollte die Bescheinigung aus Leipzig holen. Seine spätere Flucht über den Rennsteig bei minus 20 Grad habe ich in meinem Bericht vom Rennsteiglauf beschrieben.

Der Bahnhof Friedrichstraße war einer der wichtigsten Grenzübergänge zwischen Ost und West. Wolfgang, ein Westberliner, wurde verhaftet, als er seine Mutter im Osten besuchen wollte. Er sprang beim Verhör in Panik aus dem geschlossenen Fenster, verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Einige Grabsteine des Invalidenfriedhofs (1.WK) stehen wieder, die DDR hatte alles plattgewalzt.

 
 

Informationen: 100 Meilen Berlin (Mauerweglauf)
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