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Laufberichte

Richtig gewürzt

15.05.11

Damit die Kilometerzahl am Schluss auch stimmt, wird die Talavera umrundet. Ein eigenartiger Name für einen großen Parkplatz im Frankenland, der auch für Zirkus- und andere Veranstaltungen genutzt wird. Talavera de la Reina ist die spanische Stadt, in welcher Napoleon in einer Schlacht von der britisch-spanischen Armee eins auf die Mütze bekam. Auf französischer Seite kämpften damals auch Soldaten des Großherzogtums Würzburg. Zur Erinnerung wurde ein auf dem Platz befindliches Ausflugslokal nach der Stadt benannt, eine Bezeichnung, die sich dann auf den ganzen Platz übertrug.

Den Biergarten überlasse ich anderen, auf mich wartet ein Abschnitt entlang des Mains, unter der Friedensbrücke hindurch, an einer Erfrischungsstelle vorbei, hin zu einem Wahrzeichen der Stadt, der Alten Mainbrücke, Würzburgs einzigem Flussübergang bis vor 125 Jahren. Ich weiß nicht, ob ich die Würzburger schmeichle oder erzürne, wenn ich ihnen verrate, welches gespeicherte Bild sich beim Einbiegen auf die Brücke im Kopf öffnet: Das von der Karlsbrücke in Prag. Mir gefällt’s, und entlang des Gefälles zum rechten Mainufer, in dessen Flucht der Dom liegt – auch das ein eindrückliches Bild - stehen viele Zuschauer.

Vor dem Rathaus gibt es eine spitze Kehre. Diese führt uns unter der Alten Mainbrücke durch auf den Mainkai. Auf diesem neunten Kilometer kommen wir in den Genuss von Samba-Klängen und einer unbehinderten Aussicht auf die von Weinreben umsäumte Festung Marienberg einem weiteren, dazu von Weitem sichtbaren Wahrzeichen der Stadt. Unterhalb, am Mainufer, steht Würzburgs älteste Kirche, die nach den ersten Bischof Würzburgs St. Burkard benannt ist.

Markierungen in den Hochwasserschutzmauern verdeutlichen, wie feucht es auf diesem Kai immer wieder zugehen kann. Aquafit und Wassertreten wären da untaugliche Spielformen eines Marathons, ohne Pressluftflasche geht bei dem Wasserstand auf dem Kai nichts mehr.

Ein weiterer schöner Ausblick auf der anderen Uferseite ist der auf die spätbarocke, nach Plänen Balthasar Neumanns erbaute Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung, besser bekannt unter dem Namen Käppele.

Nach einer Schlaufe durch ein Wohngebiet geht es zurück zum Main, über den Ludwigkai und den Theodor-Heuss-Damm bis zur B19. Es geht ein paar Meter dieser entlang, wobei die Unannehmlichkeit des motorisierten Gegenverkehrs aufgewogen wird durch die teils erstaunten, teils ungläubigen, teils bewundernden Blicke, die dem Läuferfeld aus den Autos zugeworfen werden.
Der Blickkontakt zu den Zugläufern für vier Stunden ist seit einer Weile schon abgebrochen. Es gibt einfach zu viel zu sehen und zu fotografieren und nach Km12 kommt ein erster kurzer Anstieg. An und für sich harmlos, doch der schnelle Marathon von gestern steckt noch in den Oberschenkeln, deshalb verabschiede ich mich vom Gedanken an diese Zielzeit. Sport und Bildung habe ich, den Spaß will ich aber auch.

Die Strecke durch das weitere Wohngebiet von Sanderau ist abwechslungsreich, immer wieder sind als Angehörige erkenn- und hörbare Zuschauer zugegen. Der eigentlich sanfte Anstieg nach und durch Frauenland hängt ein bisschen an. Frauenland ist nichts für Memmen. Das Name dieser bevorzugten Wohngegend rührt daher, dass bis Anfang 19. Jahrhundert dieses Land fast ausschließlich im Besitz der Frauenklöster war.

Von hier an habe ich den Verdacht, dass statt Kilometer Meilen gemessen wurde. Ich fühle mich zwar fit und bleibe in meinem Trott; im Vergleich zu gestern, als die Kilometer nur so an mir vorbeiflogen, habe ich aber den Eindruck, dass es um Welten länger dauert, bis wieder eines der Kilometerschilder auftaucht. Dazu verliere ich die Orientierung. Die Streckenkarte konnte ich mir nicht so gut einprägen wie auch schon, und mit den zahlreichen Abzweigungen gibt es zwar keine langweiligen, nicht enden wollende Straßen zu belaufen, dafür habe ich höchstens noch einen Hauch eines Schimmers, wo was ist.

Ein markantes Gebäude ist die Julius-Maximilians-Universität gegenüber einer Parkanlage. Zwei Ecken weiter ist bei der Neubaukirche, einer der bedeutendsten Kirchen der Renaissance in Deutschland,  ein Begegnungspunkt. Die auf der anderen Seite habe bereits drei Kilometer mehr in den Beinen. Dafür habe ich es noch vor mir, das erste Mal in meinem Leben die Würzburger Residenz sehen zu dürfen. Dieses Hauptwerk des süddeutschen Barock wurde ebenfalls nach Plänen von Balthasar Neumann erbaut. Als eines der bedeutendsten Schlösser Europas nahm sie die UNESCO als drittes Bauwerk Deutschlands in die Liste der zum Weltkulturerbe gehörenden Objekte auf.

So viel Bildung heute, wenn mir das nur nicht schwer aufliegt…  Und wenn du nicht zur Kultur gehst, dann kommt sie zu dir. So oder ähnlich kommt es mir beim Mainfranken Theater vor, vor dem eine weitere Band aufspielt.

Die nächste Sehenswürdigkeit ist die Kirche des Stifts Haug mit der mächtigen Kuppel, die als erster großer Barockbau Frankens gilt. Eine kleine Schlaufe führt danach in Richtung Bahnhof und wieder zurück zur Altstadt. Der nächste, mehr historische als architektonische Fixpunkt – das Stiftungshauptgebäude wurde 1945 fast vollständig zerstört – ist das von Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn gestiftete und nach ihm benannte Spital. Die dem Spital gehörenden 163 ha Weinberge – damit gehört es zu den drei größten Weingütern Würzburgs - werden nicht zur Herstellung von Medizin genutzt (darüber kann man sich streiten – einverstanden), sondern stammen aus der Bewirtschaftung der bedeutenden Einkünfte und Güter, welche Julius Echter der Stiftung zur Finanzierung ihrer Aufgaben übereignet hat. Das Juliusspital war zugleich Altenheim, Waisenhaus mit Schule und Pilgerherberge und als Krankenhaus eng mit der medizinischen Fakultät der Würzburger Universität verbunden.

Ab Km19 geht es wieder in die Altstadt hinein. Mir wird fast schwindlig, so viel gibt es links und rechts zu sehen. Da ist die Rückansicht der gotischen Marienkapelle. Wie eine Kapelle im herkömmlichen Verständnis sieht dieses gotische Kirchengebäude nicht aus, doch nach Kirchenrecht ist sie es, denn ihre wurde bisher keine Pfarrei verliehen. In schönem Kontrast zu ihrer leuchtenden, rot-weißen Farbgebung steht davor das Falkenhaus in Gelb mit der opulenten Rokoko-Stuckdekoration.

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Informationen: WVV Marathon Würzburg
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