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Laufberichte

Atem(be)raubend

02.08.09

Im Saal im fünften Stock des Turms wird uns eine Pasta-Party vom Feinsten geboten. Diese Party ist nicht, wie häufig, eine eher anonyme Zweckveranstaltung, die man kurz abhakt, sondern man fühlt sich, an langen Holztischen sitzend, schnell wie in einer großen Familie und bei „all you can eat“-Spaghetti mit verschiedenen Saucen und Salaten, Wasser und Wein, erfahre ich bereits eine ganze Menge mehr über den Lauf, zumal ein großer Teil der Teilnehmer nicht zum ersten Mal dabei ist.

Tag 1:   Gondo – Gondoschlucht – Simplon-Dorf – Simplonpass – Bistinenpass – Saltinaschlucht – Ried-Brigg

Bereits vor 5 Uhr sind die ersten unruhigen Geister in Aktion und auch ich bin schlagartig hellwach. Aber das macht nichts. Denn schon ab 5:30 Uhr gibt es Frühstück für alle im Restaurant des Stockalperturms. Und was für ein Frühstück. So einfach die Unterkunft ist, so hervorragend ist die Verköstigung. Es lohnt sich, sich für das üppige Buffet in stilvollem Ambiente Zeit zu lassen, und die nehmen sich auch die meisten.

Langsam und ohne jede Hektik sammeln sich die Läufer auf dem Startgelände vor der Schule. Ein Festzelt ist bereits aufgebaut. Hier können wir auch unser Gepäck für die kommende Nacht abgeben. Die Stimmung ist locker, es wird viel geratscht und gelacht. Aus 11 Nationen kommen die etwa 140 gemeldeten Teilnehmer in diesem Jahr – ein neuer Melderekord. Traditionell stark ist der Andrang aus Deutschland. Das Feld der deutschen Starter ist fast so groß wie das der Schweizer. Interessanterweise sind Läufer aus dem quasi nebenan gelegenen Italien kaum, aus Österreich gar nicht vertreten. Star im Starterfeld ist zweifelsohne die erneut antretende Lizzy Hawker.

Um 8 Uhr heißt es die Ohren spitzen für das obligatorische Briefing. Brigitte Wolf, die technische Leiterin, gibt den aktuellen Wetterbericht bekannt und weist auf die Streckenmarkierungen hin: blaue Bodenpfeile, blaue Wegweiser, weiße Plastikstreifen. Und die, das schon mal vorweg, sollte man durchaus im Auge behalten. Ein Pistolenschuss eröffnet den Lauf um 8:10 Uhr ganz offiziell.

Spektakulärer Einstieg – durch die Gondoschlucht

Gemütlich – das ist das Wort, das den Start in Gondo wohl am besten charakterisiert. Kein wildes Losrennen, kein Positionsgerangel, ganz gemächlich setzt sich der Läufertross in Bewegung. Für ein flottes Einlaufen gibt es zunächst einmal auch kaum Gelegenheit, denn die Strecke zeigt von Anfang an „Biss“. Es dauert nur Momente und schon haben wir Gondo über die Simplonpassstraße N9 verlassen. Gleich am Ortsausgang zweigt ein holprigen Pfad ab und führt oberhalb der Passstraße, die in der Schlucht zum Schutz vor Steinschlag weitgehend in Form von Galerien eingehaust ist, weiter.

Der Pfad führt parallel zur Straße zunächst nur leicht bergan. So habe ich Gelegenheit, das mich umgebende Naturschauspiel auf mich wirken zu lassen. Geradezu dramatisch wirkt die Enge der Schlucht, durch die sich die Straße und unser Weg zwängen. Der wilde Eindruck wird verstärkt durch die Wolkenfetzen, die oberhalb der schroffen, sich bis zu mehrere hundert Meter senkrecht empor türmenden Steilwände hängen. Kleinere Wasserfälle stürzen von den Wänden, nur spärlich gelingt es dem Grün, in den Wänden zu wurzeln.

Über eine schmale Metallrostbrücke queren wir die im Talgrund tosend gischtende Doveria. Weiter geht es auf einem schmalen steinigen Pfad, der sich zwischen Felsbrocken durch lichten Wald schlängelt. Nach einem Geröllfeld erwartet uns die erste konditionelle Bewährungsprobe. In engen, steilen Serpentinen windet sich der Pfad empor, gleich danach müssen wir eine lange, über den Fels führende Metalltreppe erklimmen. Oben angekommen verschwinden wir durch eine geöffnete Tür im Berg. Wir durchlaufen den düsteren, dürftig beleuchteten Stollen des „Fort Gondo“, einer Wehranlage aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Geschütz am Stolleneingang erinnert an den einstigen Bestimmungszweck. Die Decke ich so niedrig, dass ich vorsichtshalber den Kopf einziehe, und das über (gefühlte) mehrere hundert Meter. Insofern bin ich froh, als ich wieder das Tageslicht erreiche. Gleich am Stollenausgang ist die erste Wasserverpflegung eingerichtet.

Und weiter geht es durch die Schlucht, häufig über Metallstiegen und -treppen und bisweilen ganz nahe der Passtrasse, wenn die Schlucht keinen anderen Weg erlaubt. Besonders eindrucksvoll sind die Blicke durch die Schlucht dort, wenn wir der Doveria besonders nahe kommen oder diese queren. Geradezu malerisch wirken die gemauerten Rundbogenbrücken, die als Relikte der ansonsten hier nicht mehr existenten alten Passstraße erhalten wurden und jetzt primär nur noch Kulisse sind.

Langsam weitet sich die Schlucht und wir entfernen uns von der Passtrasse. Es wird ruhiger, das Rauschen des Baches und des Autoverkehrs verschwindet immer mehr. Der idyllischer Pfad führt ein Stück direkt an der Steilwand entlang, dann durch ein mit Felsen durchsetztes offenes Waldgelände. Der Lauf ist hier herrlich entspannend.

Ein letztes Mal queren wir noch die Doveria. Kaum zu glauben ist, dass der hier breit und ruhig dahin plätschernde Bach nur wenige Hundert Meter weiter zum wilden Gebirgsbach mutiert. Allenfalls der auffallend breite Geröllrand des Bachs lässt erahnen, dass die Doveria bisweilen auch andere Wassermassen bewegt. Im Moment bietet sich mir aber ein Alpenidyll wie aus dem Bilderbuch: Wälder und hohe Berge am Horizont rahmen das sich in der Ferne verlierende Bachbett ein.

Gabi (1.240 üNN) heißt der kleine Weiler, den wir am Ende der Schlucht erreichen. Die ersten fünf Kilometer liegen hinter uns. Und siehe da: Auch die ersten etwa 400 Höhenmeter sind überwunden.

 

Informationen: Gondo Marathon
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