Erfahrungen mit der Vorbereitung und Teilnahme am UTMB 2009
Lange habe ich mit mir gehadert, soll ich einen Teilnahmebericht über den UTMB 2009 also den Ultra Trail du Mont-Blanc schreiben, schließlich findet man im Internet bereits eine Vielzahl solcher. Soll ich auch schreiben, wie hart die 166 km mit ihren 9.500 Höhenmetern sein können, wie man gegen die Müdigkeit kämpft, das Zeitlimit im Nacken? Soll ich über den 8. großen Anstieg am Bovine berichten, der kein Ende zu nehmen scheint, und dabei erwähnen, dass bis zum Ziel noch weitere zwei von dieser gemeinen Art folgen? Oder will ich einfach nur mitteilen, was für eine tolle Veranstaltung der UTMB mit seinem unvergleichbaren und mit unvergesslichen Fernblicken gespickten Rundkurs ist? An allem ist etwas dran und verrate zuletzt auch gerne, dass ich nun auch auf der Finalistenliste des UTMB stehe. Der Bericht richtet sich vorwiegend an Leserinnen und Leser, die den UTMB oder den CCC erstmalig angehen wollen und dabei Informationen über die Strecke und eine mögliche Vorbereitung suchen. Eher nüchtern haltend wurden eigene Erfahrungen, angereichert mit denen anderer Teilnehmer, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit, zusammengetragen.
Was treiben Ende August Läuferinnen und Läufer aus allen Herren Länder an den Mont-Blanc? Ist es der Berg, den es zu Fuß zu umrunden gilt, dabei aber nicht bestiegen wird? Ist es die Aussicht auf Europas höchsten Gipfel von den 10 zu überwindenden Bergen und Pässen rund um das Mont Blanc-Massiv? Ist es die sportliche Herausforderung oder gar von allem etwas? Man weiss es nicht so genau. Auf alle Fälle erlaubt die große Nachfrage auf die 2.300 UTMB-Startplätze den Veranstalter die Starter nach einem Punktesystem auszuwählen. Das ist auch gut so, schließlich sollen weniger Erfahrene oder gar Untrainierte vor einem unkalkulierbaren Risiko verschont bleiben.
Dabei hat der UTMB ein ansehnliches Begleitprogramm. Zunächst sind es weitere Wettbewerbe wie der CCC (Courmayeur Champex Chamonix) mit 98 km, 5.700 Höhenmeter (HM), der Sur les Traces des Ducs de Savoie mit 106 km, 6620 HM, oder die Krönung, der La Petite Trotte à Léon (3´er Teamlauf) mit 244 km und 21.000 HM. Neben dem sportlichen werden unzählige kulturelle und kulinarische Veranstaltungen geboten. Erklärungen gegen Doping und zur ´Laufethik´ sowie umfangreiche Maßnahmen zur Umweltverträglichkeit der Wettbewerbe runden das Programm wohltuend ab. Ende August stehen die Regionen rund um den Mont-Blanc also voll im Zeichen der Ultra-Trails und das egal, ob in den französischen, italienischen oder Schweizer Etappenorten.
Das Zeitlimit für die 166 km des UTMB erlaubt nach dem Start am Freitag um 18:30 im französischen Chamonix 46 Stunden Laufzeit. Nach Adam Riese sind das über 16 Minuten pro km oder gerade mal 3,6 km/Stunde. Obwohl der Streckenrekord bei knapp 21 Stunden liegt, scheitert am Mont Blanc knapp das halbe Starterfeld, nicht wenige an dem scheinbar gar so großzügigen Zeitlimit. Gerade mal 10% kommen unter eine Laufzeit von 36 Stunden. Drei von vier Teilnehmern benötigen über 40 Stunden und sind dabei an zwei aufeinander folgenden Nächten unterwegs. Wohlgemerkt, allesamt Läuferinnen und Läufer die qualifiziert und gut vorbereitet nach Chamonix reisen. Ein ernüchterndes und gleichsam höchst warnendes Zahlenwerk.
Niemals zuvor hatte ich mich mit der Vorbereitung eines Laufes so intensiv auseinander setzen müssen wie auf den UTMB. Die Fakten lassen für mich nur einen Schluss zu: der UTMB ist eine extrem lange „Bergwanderung“ angereichert mit läuferischen Einlagen auf einer sehr anspruchsvollen Strecke mit stetem und meist sehr steilem Auf und Ab. Ein übliches Lauftraining wie etwa für einen hügeligen 100 km- Lauf hilft da kaum weiter. Gefragt sind Bergwandereigenschaften mit lang anhaltender Ausdauer auf steilstem Terrain und kaum läuferische Sprinteinlagen. Sehnen und (Stütz-) Muskulatur müssen auf lange Aufstiege und noch mehr auf die stark belastenden Abstiege gut vorbereitet werden. Für Flachlandläufer sicherlich nicht leicht zu trainieren. Bisher ungewohnte Übungseinheiten wie etwa laufen mit Stöcken, ausdauerndes Treppensteigen und nicht zuletzt anspruchsvolle Bergläufe mit bepacktem Rucksack werden zur Pflicht. Nicht nur für „Ersttäter“ mit mäßigem alpinen Hintergrund scheint mir diese Art der Vorbereitung ein erfolgversprechendes Rezept zu sein.
Die Ausrüstung
Interessanterweise wird dieses sehr wichtige Thema in den meisten Berichten nicht oder kaum angesprochen, obwohl gerade die Ausrüstung bei der Vorbereitung einiges an Gedankenarbeit abverlangt. Hier kann und wird auch viel falsch gemacht. Schon bei der Betrachtung der Ausrüstung im Starterfeld fällt die große Spanne von simpler Leichtigkeit bis hin zur voluminösen „Bergsteigermontur“ auf.
Der Veranstalter tut gut daran, eine klar definierte Pflichtausrüstung sowie ein Mindestgewicht zu fordern. Gerade das Mindestgewicht verhindert allzu großer Kreativität nach unten. Wobei das Mindestgewicht von einem kg (bei leeren Flaschen) immer noch reichlich Spielraum lässt, denn mit einem leichten Rucksack mit Flaschen und den geforderten Pflichtgegenständen wird das Limit mit Leichtigkeit überschritten. Ohne Sicherheitsabstriche gilt es das Gesamtgewicht der Ausrüstung zu minimieren, denn jedes auch noch so geringe aber unnötige Gewicht belastet im Verlauf des langen Wettbewerbs enorm.
Ein leichter Rucksack ist daher obligatorisch, angereichert mit einem leichten Trinksystem oder zwei leichten Flaschen. Im Rucksack eine wasserdichte und wärmende Laufjacke. Kreativ ist die Wahl von Arm- und Beinlingen. Das spart nicht nur Gewicht sondern auch Zeit, denn an kalten Nächten lassen sich die Dinger schnell an- und ausziehen. Bei unsicherer Wetterlage sind Handschuhe, Mütze und zusätzliche Unterwäsche nicht nur ratsam sondern notwendig. Pflicht ist hingegen eine Trillerpfeife, eine Überlebensdecke, elastische Binde und zwei Lampen mit Ersatzbatterien. Kreativ sind Lampen mit gegenseitig austauschbaren Batterien, so dass die Ersatzbatterien in der jeweils anderen Lampe sind. Wer es bei Bergläufen geübt hat und damit zurecht kommt, kann bei der Schuhwahl anstelle der schweren Treckingschuhe auf leichte Laufschuhe setzen. Mit solchen Schuhen ist man gerade am Berg leichtfüßiger unterwegs und bekommt meist seltener Blasen. Gegen Steine im Schuh kann man eine kreativ leichte wenn auch optisch weniger ansprechende Lösung aus abgeschnittenen Socken mit angenähtem Band den käuflichen Gamaschen vorziehen. Leichte Walkingstöcke empfehlen sich trotz des Gewichts und der Belastung auf Flachstrecken. Wer vorher reichlich am Berg damit geübt hat, wird nicht nur bergan sondern vor allem bergab erhebliche Vorteile daraus ziehen.
Luxus, aber meist kaum verzichtbar ist eine kleine Kamera und eine (Lauf-) Uhr. Als Kleidung ist eine helle, leichte, bequeme und schnell trocknende Funktionswäsche empfehlenswert. Helle Kleidung deswegen, weil sie sich bei Sonneneinstrahlung weniger aufheizt und in Notlagen besser gesehen wird. Nicht zu vergessen ist die Notverpflegung gegen Hungerast, Salztabletten gegen Krämpfe, ggf. Sonnencreme, Vaseline und diverse Pflaster. Alles stets in kleinen und leichten Gebinden. Zuletzt sollte auf ein funktionsfähiges Mobiltelefon den Pass und einen Zettel mit den Notfallrufnummern hingewiesen werden. Wer es gut macht und Mut zur Lücke hat, kann das Gesamtgewicht mit gefüllten Flaschen durchaus auf knapp 3 kg drücken, also immer noch deutlich über den geforderten 2 kg.
Der Start
Über die gute Stimmung vor und beim Start in Chamonix und auch entlang der Strecke wurde schon viel berichtet. Entsprechend hoch sind natürlich die Erwartungen. Und ich muss sagen, die kühnsten Erwartungen wurden nicht nur erfüllt, sondern bei weitem übertroffen. Wir waren bereits am Vorabend angereist. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in Chamonix reichlich, wenn auch nicht immer preiswert. Das Abholen der Startunterlagen war unkompliziert und gut organisiert. In diesem Jahr wurde auf die aufwändige Kontrolle der Ausrüstung zu Gunsten einer Ehrenerklärung über deren Vollständigkeit verzichtet.
Interessant auch der Besuch der Trail-Messe mit Angeboten, die man bei uns nicht einmal in gut sortierten Fachgeschäften findet. Ratsam scheint, sich jetzt rechtzeitig zurückzuziehen, denn lange vor dem Start herrscht in Chamonix eine aufheizende und erwartungsvolle Stimmung. Überall Matadore, Begleiter und Offizielle. Da muss man aufpassen, sich nicht allzu sehr und viel zu früh mitreißen zu lassen denn es ist die letzte Gelegenheit, noch einmal Kräfte zu sammeln. Zur Henkersmahlzeit kann man noch die Pasta-Party besuchen, die mit dem reichhaltigen Angebot den Namen allemal verdient. Natürlich ist der Start an sich schon ein besonderes Erlebnis. Inmitten der über 2.300 zählenden laufhungrigen und bis in die Zehenspitzen motivierten „Meute“ nähert sich die Spannung wie bei kaum einem anderen Start einem unbeschreiblichen Höhepunkt. Klug ist es, sich hinten einzureihen und ggf. noch einmal Ruhe auf einem der seltenen Rasenflächen zu suchen. Der Startschuss entlädt die Spannung nur langsam. Angetrieben durch die Zuschauer in Chamonix und auch später ist man gefährdet, schon zu Beginn wertvolle Energie für ein unnütz schnelles Angehen zu opfern. Gerade die flache Prologstrecke nach Les Houches mit wenigen Höhenmetern dafür aber vollem Rucksack bietet reichlich Gelegenheit dazu. Wer von hinten aus startet wird zwar in den engen Gassen in die Warteschlange eingereiht, holt das aber später mit Leichtigkeit auf.
Zunächst ein Rennen (fast) wie im Training
Der erste richtige Anstieg hoch zum La Charme mit immerhin schon mal 800 HM auf knapp 7 km entpuppt sich als gut machbar, schließlich entsprach das den Trainingsanforderungen und man ist in der frühen Rennphase noch fit und ausgeruht. Die breite und gut gehbaren Wege verleiten zum überholen. Auch beim langen Abstieg zum tiefsten Punkt des Rennens, nach St. Gervais (20km, 807m über NN), läuft alles noch richtig rund. Die Streckenbeschaffenheit entlang der Skipiste und auch in den unteren Waldabschnitten erlauben ein flottes Tempo. Bereits im Dunkeln der ersten Nacht kann man sich in St. Gervais am ersten richtigen Versorgungsposten (VP) für die anstehende zweite Flachetappe stärken. Die merklichen Wellen und einen Gesamtanstieg von nahezu 400 HM verteilt auf gut 13 km werden ausgewiesene Flachländer als bergig empfinden.
Zügig wird das nächste Etappenziel, der VP in Les Contamines erreicht. Auch hier wieder die reichhaltige und typische UTMB- Versorgung mit Nudelsuppe, Kaffee, Tee, Cola, Wasser, Kuchen, Obst, und vieles mehr. Mit 1200 HM wartet nun der längste Anstieg der Runde, das Croix du Bonhomme (guter Kerl, Männchen). Vorbei an VP La Balme und dem Col du Bonhomme führt der zunächst breite und gut begehbare Weg zum Gipfelkreuz in 2479m Höhe. Ausdauer und weniger technisches Können sind am ersten alpinen Anstieg gefordert. Der Anstieg zieht sich lange hin. Nach dem folgenden mitunter etwas steileren Abstieg mit gut 900 HM muss Les Chapieux noch in Dunkelheit erreicht werden, denn für alle, die nach 6:15 Uhr eintreffen, ist das Rennen am Zeitlimit frühzeitig beendet. Auch wenn es ratsam ist, das Rennen zurückhaltend anzugehen, sollte man immer genügend Reserven zu den cut off Zeiten einkalkulieren. Unvorgesehenes und im Gesamtverlauf des Rennens kaum vermeidbares, wie etwa Stürze, Krämpfe oder längere Versorgungsstopps lassen ein zu geringes Zeitpolster schnell zum Problem werden.
Jetzt beginnt das Rennen
In Les Chapieux wird nach 50 Streckenkilometern eine von drei VP mit Vollversorgung angeboten, zwar ohne warme Mahlzeiten, aber mit Schlafgelegenheit. Kluge nehmen sich reichlich Zeit für die Stärkung. Der erste große Meilenstein des UTMB führt das Rennen in eine neue, aber noch lange nicht entscheidende Phase. Überspitzt formuliert, steht das eigentliche Rennen immer noch bevor. Dabei machen sich die Strapazen des ersten knappen Drittels längst bemerkbar. Meist stets leicht bergauf, führt die Route vorbei an La Ville de Glaciers zur Refuge de Mottets. Zunächst immer noch gut gehbar auf breiten Wegen, ist der erste anspruchsvollere Anstieg hoch zum Col de la Seigne zu bewältigen. Mit zunehmender Höhe wird der Weg alpiner und steiler. Nach dem Pass in 2516m Höhe, dem zweithöchsten Punkt der Runde, und dem Grenzübergang nach Italien, fällt die Strecke teilweise recht steil ab. Nach dem Passieren der Hütte Elisabetta, 63km, 2200HM wird auch bald der nächste VP noch vor dem Lac Combal erreicht. Endlich kann man seine Energie- und Wasservorräte auffüllen. In den frühen Morgenstunden ist es hier auch bei gutem Sommerwetter eisig kalt und windig.
Der Aufstieg nach dem Lac Combal zum Aréte du Mont Favre in 2435m Höhe ist kurz, aber knackig. Kaum oben angekommen, geht es über den Pass Chécrouit weit hinunter ins Tal in die italienische Stadt Courmayeur, mit etwa 1250 HM der längste Abstieg. Nach nun knapp der Hälfte der Strecke (77km, ca. 4.300HM) erreicht man die zweite große Verpflegungsstation. Hier kann man auch seine persönlichen Vorräte aus dem deponierten Drop Bag auffüllen bzw. Ausrüstungsgegenstände wie Lampenbatterien austauschen. Auf alle Fälle sollte man ausgiebig vom reichhaltigen Nahrungsangebot, hier mit einem kleinen Nudelgericht, Gebrauch machen um Energie für die nun anstehenden Aufgaben zu tanken. Denn so angenehm der Abstieg ins Tal auch war, so sicher steht der nächste Anstieg bevor.
Diesmal mit über gut 800 HM auf weniger als 5km zur Hütte Bertone. 20, 30%-ige Steigungen, besonders der letzte Teil, kratzt merklich an den eigenen Fähigkeiten. Oben angekommen, folgt zur Belohnung der wohl schönste Streckenabschnitt des UTMB mit wunderschönen Ausblicken entlang der Bergkette am links liegenden italienischen Val Ferret. Stationen sind Armina und die Refuge Bonatti mit der dortigen Wasserstelle. Auf diesem Abschnitt sind zwar keine besonders hohen Hürden zu überwinden, die vielen kleineren Anstiege summieren sich dennoch auf etwa 400 Höhenmeter.
Nach der Hütte Bonatti und einem eher flachen Abschnitt in gut 2000 m Höhe, fällt es zuletzt 300 HM steil nach Arnuva ab. Ratsam ist es, sich am dortigen VP wieder gut zu versorgen, denn unmittelbar nach Arnuva folgt der nächste Anstieg. Bis zum Grand Col Ferret (Metallspitze), mit 2.537m die höchste Erhebung des UTMB, steigt der Höhenmesser um weitere 800m. Oben, am Grad verläuft die Grenze zur Schweiz. Diesmal entlang des gleichnamigen schweizerischen Val Ferret auf der rechten Seite, wird über La Peule (102km) und La Léchère meist stets abfallend der VP La Fouly erreicht. Die Wege und das Höhenprofil lassen ein flottes Tempo zu, dennoch sollte die Versorgungsgelegenheit nach dem etwas langen Abschnitt für eine kleine Erholung genutzt werden, denn zum folgenden VP steht erneut ein langer Weg bevor.
Unterbrochen durch ein paar Gegenanstiege auf nicht immer angenehmem Untergrund geht es dem Talverlauf seitlich folgend über den Crête de Saleina, durch Praz de Fort und Les Arlaches nach Issert. Zuletzt auf einem der wenigen Straßenabschnitte. Es folgt mit gerade mal 400HM der Anstieg zum Champex Lac. Ohne größere Herausforderungen zieht sich der nicht zu unterschätzende meist ansteigende Weg unangenehm lange hin.
Die entscheidende Phase beginnt
Champex Lac ist nach 123 km und gut 6.000 überwundenen Höhenmetern wohl die alles entscheidende Schlüsselposition beim UTMB, daher hier ein paar Worte zur (Selbst-) Motivation. Die Ermüdungserscheinungen sind weit fortgeschritten und man hat, nüchtern betrachtet, kaum mehr die Kraft für die noch bevorstehenden drei schweren Anstiege. Die angenehme familiäre Atmosphäre und das reichhaltige Angebot der dritten großen Versorgungsstelle im warmen Zelt mit warmen Speisen lädt geradezu zu einem längeren Verweilen oder gar zur Aufgabe ein. Hier gilt es, sich ordentlich für die nun entscheidende Rennphase zu rüsten. Wer bis hierher durchgehalten hat und keine Probleme mit dem Zeitlimit bzw. mit der Gesundheit hat, muss das Rennen unbedingt fortsetzen, schließlich war bei der Anmeldung jedem klar, was da auf einen zukommt. Alles andere wäre eine Kapitulation vor sich selbst, die man sich in Nachhinein niemals verzeihen wird.
Sozusagen zum Einrollen nach dem vielleicht etwas längeren Versorgungsstopp geht es im späteren Verlauf merklicher fallend nach Plan de I´Au, am Fuße des Anstiegs zum Boviene. Über diesen Anstieg mit etwa 800 HM ist schon viel geschrieben und berichtet worden. Sei es das unwegsame raue Gelände mit Wald- und Wurzelwegen, Bachquerungen, die zu überwindenden Felsbrocken, die Steilheit oder einfach die Länge. Das subjektive Empfinden mancher Berichterstatter mit vereinzelt schon dramatisch wirkenden Darlegungen ist möglicherweise geprägt durch die späte Rennphase, denn der Weg ist zwar schwierig, aber gleichermaßen auch schön. Nach meinem Empfinden ein Filetstück des UTMB. Wer kann und sich das Rennen gut einteilt, sollte diese Aufgabe noch vor Einbruch der zweiten Nacht bewältigen. Das macht den Anstieg zwar nicht unbedingt einfacher, aber bessere Sichtverhältnisse erleichtern die Wegefindung. Oben am Boviene, noch vor dem höchsten Punkt am Collet Portalo, wird man mit einer kleinen Versorgungsstation für den harten Anstieg belohnt. Später öffnen sich schöne Blick hinunter zur schweizerischen Stadt Martigny und ins ferne Rhonetal.
Auf meist steinigen Waldwegen vorbei an Col de la Forclaz wird nach mühseligem Abstieg das Tal erreicht. Bei zwischenzeitlich 138 km ist in Trient wieder Verpflegung angesagt, bevor es unmittelbar danach erneut recht steil über Les Tseppes etwa 750 HM ansteigt. Auch wer sich vorher mental gut auf diese Aufgabe eingestellt hat, verzweifelt leicht an dem scheinbar kaum endenden Berg. Der Höhenweg entlang am Hang bietet Gelegenheit zur Erholung. Kurz nach dem höchsten Punkt wird der VP Catonge erreicht. Beim folgenden Abstieg wird bei La Grand Jeur auf knapp halber Höhe wieder französischer Boden betreten. Zuletzt technisch nicht mehr ganz so anspruchsvoll, führt der Abstieg nach Vallorcine, die vorletzte Verpflegungsstelle vor dem Ziel.
Nach einem gut gehbaren und kaum ansteigenden Abschnitt wird am Col de Montets die Hauptstraße nach Chamonix überquert. Unmittelbar danach muss letztmalig ein großer Aufstieg mit noch einmal knapp 900 HM zum La Téte aux Vents in 2130m Höhe bezwungen werden. Der Scherben- und Quaderweg fordert nicht nur am Anstieg sondern auch später am Höhenweg einiges an Konzentration. Das sich unaufhaltsam nähernde Finale und die frühen Gedanken an den jetzt schon sicheren Zieleinlauf bewegen einen, wenn auch etwas widerspenstig, schnell zum Weitergehen. Und das mit nun schon einer gewissen Routine und Gelassenheit. Hat der Körper vor der Willenskraft kapituliert?
Von hier aus geht es nur unterbrochen durch ein paar wenige Gegenanstiege stets und später merklicher bergab in Richtung Chamonix. Beim letzten VP in La Flégère kann und sollte noch einmal Energie für die letzten, knappen 8 km bunkern, schließlich will man doch beim Zieleinlauf in Chamonix ein gutes Bild abgeben. Die verlorene Zeit kann man aber kaum reinholen, denn beim folgenden Abschnitt ins Tal vermittelt der UTMB mit dem kaum laufbaren Weg noch einmal seine ganze Widerspenstigkeit. Wer sich das Rennen gut eingeteilt hat, kann den unteren Finalabschnitt zwar nicht mit eleganter Leichtigkeit, aber dennoch wieder läuferisch meistern.
Schon lange vor der Ziellinie in Chamonix stehen begeisterte Zuschauer, meist Angehörige von Läuferinnen und Läufer, aber auch Einheimische und empfangen die sichtlich erschöpften Matadore. Tröstlich, wer hier nicht ausgepowert wirkt, wirkt nicht authentisch. Die Stimmung beim Zieleinlauf und vor allem der Zieleinlauf selbst entschädigt mit Leichtigkeit für die durchlittenen Strapazen. Erholen kann man sich auch durch die reichhaltige Zielverpflegung. Zur Belohnung winkt die begehrte Finisher-Jacke und natürlich die Abschlussveranstaltung am Sonntagabend mit kaltem Buffet.
Die Organisation
Zunächst soll einmal auf die fast verwechslungssichere enge Streckenmarkierung mit Bändern und Leuchtparkierungen hingewiesen werden. Wer nach einigen hundert Metern keine Markierung findet, kann sicher sein, dass er sich verlaufen hat und schleunigst zur letzten Markierung zurücklaufen sollte. Wenn man im späteren Rennverlauf einmal alleine unterwegs ist, empfiehlt es sich, dennoch auf der Hut zu sein, denn bei Ermüdung wird auch schnell mal eine Abzweigung übersehen.
Die Versorgungspunkte entlang der Route sind topografisch bedingt manchmal weit auseinander gezogen, so dass die Mitnahme von einer ausreichenden Menge Eigen- und Notversorgung, besonders von Flüssigkeit notwendig ist. Bei den Versorgungsposten werden reichhaltig Getränke und Speisen angeboten, die selbst ausgefallene Wünsche erfüllen.
Das Wetter
UTMB- Teilnehmer erwarten Ende August das ideale Bergsteige - und Wanderwetter. Trocken, noch warme Nächte, am Tag nicht zu heiß und natürlich unbegrenzte Fernsicht. Das Wetter bei der 2009´er Auflage war aus läuferischer Sicht geradezu ideal. Trocken, Sonne, gute Sicht aber auch Nebel in den nächtlichen Höhenlagen und Kälte in den frühen Morgenstunden.
Das Sportliche
Die Frauenwertung gewann Kristin MOEHL in 24:56:01 Stunden gefolgt von Elisabeth HAWKER mit 26:04:42, und Monica AGUILERA VILADOMIU mit 29:17:31.
Bei den Männern setzte sich Kilian JORNET mit 21:33:18 vor Sebastien CHAIGNEAU mit 22:36:45 und Tsuyoshi KABURAKI mit 22:48:36 durch. Vierter wurde übrigens Uli CALMBACH aus Donzdorf in 23:10:49 Stunden.
Fazit und Empfehlungen
Wie eingangs schon erwähnt, handelt es sich beim UTMB um einen anspruchsvollen Bergultra mit ständig sich abwechselnden langen An- und Abstiegen. Gelaufen wird vorwiegend auf alpinen Wegen auf schwierigem Untergrund. An nassen Austragungstagen werden manche rutschige Abschnitte eine erhöhte Aufmerksamkeit abverlangen. Stark absturzgefährtete Abschnitte oder Kletterpassagen fehlen gänzlich.
Es war gut und ist für jeden Erststarter empfehlenswert, sich rechtzeitig, sorgfältig und reichlich mit der Strecke, den besonderen Anforderungen und den zu erwartenden Ergebnissen intensiv auseinander zu setzen. Das erlaubt realistische Einschätzungen wie etwa über das Anforderungsprofil, die Gesamtbelastung und auch ernst zu nehmende Prognosen für die mögliche Laufzeit.
Rechtzeitig schon deswegen, weil Art und Umfang des Trainings darauf abzustimmen ist. Trainingspläne wie etwa für den flachen Bieler 100er können getrost in den Ofen wandern, mit so was kommt man beim UTMB nicht durch. Noch mehr als bei einem Flachultra gilt es, seine Kräfte schonend und dosiert einzusetzen. Wer bereits an den ersten Bergen punkten will, hat wahrscheinlich schon verloren. So etwas können sich bestenfalls sehr erfahrene Bergspezialisten leisten. Warnend sei auch gesagt, wer auf Basis von bisher erreichten Berglauf-Ergebnissen auf mögliche Ergebnisse beim UTMB hochrechnet, wird eine herbe Enttäuschung erleben.
Noch eine Anmerkung möchte ich zur Ausrüstung und deren Gebrauch machen. Viele glänzen hier mehr durch das professionelle Erscheinungsbild als durch deren zweckmäßigen Einsatz. Beispielhaft seien die meist mitgeführten Stöcke erwähnt. Kaum einer nutzt die Dinger sachgerecht wie etwa für einen flotten Nordic Walking Schritt im flachen Anstieg oder bei den Abstiegen.
Nicht unerwähnt sollen natürlich die Risiken bleiben. Auch eine optimale Vorbereitung schützt nicht vor Verletzungen oder sonstigen Gebrechen. Im einfachsten Fall kann das ein streikender Verdauungsapparat sein. Dazu kommt noch das Wetterrisiko. Wenn Gefahren für die eigene Gesundheit oder der Gesundheit anderer drohen, muss bei allem Ehrgeiz stets die Aufgabe als Option offen gehalten werden. Auch das ist keine Schande und allemal besser als unkalkulierbares Risiko oder gar gesundheitliche Folgeschäden.
Dennoch ist der UTMB dank seines reichhaltigen Zeitlimits, der nahezu optimalen Streckenversorgung und der guten Organisation eine durchaus lösbare Aufgabe. Zumindest für all diejenigen, die nach ordentlicher Vorbereitung das Rennen taktisch gut einteilen. Er ist deutlich einfacher, als aus manchem „Leidensbericht“ herauszulesen ist. Zugegeben, diesen Satz hätte ich während des Rennens nicht immer unterschrieben.
Ich selbst bin das Rennen sehr vorsichtig angegangen und habe stets auf ausreichende Pausen geachtet. Die Stopps habe ich erst verlassen, wenn ich die für die Folgeetappe ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungsmenge zu mir nehmen konnte. Bei meinen Magenproblemen dauerte das bis zu einer Stunde. Dennoch konnte ich mit knapp 36:30 Stunden Chamonix erreichen.