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Laufberichte

„Always left“

11.03.07
Autor: Klaus Duwe

Sonne und Meer

  

Wäre die Sehnsucht nach Sonne und Wärme meine einzige Motivation für eine Reise in den Süden gewesen, ich hätte auch zu Hause bleiben können. Sonne, blühende Bäume und Wiesen gibt es diesen Winter, der (bis jetzt) keiner war, auch bei uns.

 

Aber mein Reiseziel ist Zypern, die etwas mehr als 9.000 qkm große Insel im östlichen Mittelmeer. Dahin lohnt sich eine Reise immer, soviel sei schon vorweg gesagt. Ungefähr vier Stunden dauert der Flug von Frankfurt aus. Drei internationale Airports stehen auf der Insel zur Wahl: Nikosia (die Hauptstadt, wo mehr als ein Viertel der rund 700.000 Einwohner leben), Lanaka und Pafos.

 

Zypern ist infolge der türkischen Intervention von 1974 geteilt in den (völkerrechtlich nicht anerkannten) türkischen Nordteil (macht ungefähr 37 % der Fläche aus) und die Republik Zypern der „Zyperngriechen“ im Süden. Ausgangspunkt war der lange schwelende Konflikt zwischen der griechischen Bevölkerung, die für den Anschluss an Griechenland war (Enosis), und den türkischen Zyprioten, die eine Teilung des Landes (Taksim) wollten.

 

Seit 2004 ist die Republik Zypern Mitglied der EU und ab dem nächsten Jahr soll das Zyprische Pfund durch den Euro abgelöst werden. So, das soll es aus der jüngeren Geschichte des Landes gewesen sein.

 

Auf Zypern fährt man links

 

Fast überall wo die Engländer waren oder sind, haben sie ihre Spezialität, die Linksfahrerei, eingeführt und hinterlassen. Bis heute hat mich das nicht groß interessiert, war ich doch immer in solchen Ländern als Fußgänger oder im Bus unterwegs. Beim Überqueren der Straße war ich dann eben besonders vorsichtig und habe trotzdem meist in die falsche Richtung geschaut. Jetzt ist das anders, ich will mit einem Leihwagen etwas die Insel erkunden. Allerdings hatte ich bei der Reiseplanung keine Ahnung vom Linksverkehr auf Zypern.

 

Zum Glück ist auf der Insel zumindest um diese Jahreszeit nicht viel Verkehr. Außerdem haben die Leihwagen alle rote Nummern und die Einheimischen sind so schon mal gewarnt. Meine ersten Kilometer „on the left site“ erinnern mich stark an meine erste Fahrstunde: geräuschvoll lege ich die Gänge ein und statt zu blinken setze ich den Scheibenwischer in Betrieb. Fußgänger, Autofahrer und Haustiere kommen aber nicht zu Schaden. Und als ich später das Fahrzeug wieder abgebe und sich der Verleiher erkundigt, wie es so geklappt hat, antworte ich in meinem best möglichen Englisch: „Very well! In my next life I’ll get a taxidriver – in summer in London and in winter in Cyprus”.

 

Trainingsläufchen an der Küste

 

Am nächsten Morgen bin ich zuerst einmal zu Fuß unterwegs. Ein kleiner Trainingslauf entlang der Küste soll es werden. Auf den neu angelegten Wegen entlang der großen Strandhotels, die übrigens zum Meer hin alle sehr ausgedehnte und gepflegte Grünanlagen haben (Sonnenschirme sind eher selten, Palmen spenden den ersehnten Schatten) ist man bereits am frühen Morgen nicht alleine, denn viele Urlauber und Einheimische joggen oder gehen am abwechselnd feinsandigen, kiesigen oder felsigen Strand spazieren.

 

So lerne ich Emely kennen, eine 28jährige Bulgarin, die seit zwei Jahren in Limassol lebt. Sie trainiert, ich glaube es kaum, für den Marathon am Sonntag - es soll ihr erster werden. Sie hat einmal aktiv gerudert und ihr sind 42 Kilometer ohne weiteres zuzutrauen. Wir schließen uns zusammen. „One hour“ will ich heute noch laufen, mehr nicht – und das langsam. Das ist „okay“ für sie.

 

Aber irgendwie hat da was mit der Verständigung nicht geklappt. Sie läuft zwar langsam, aber für mich ist das schnell. Und aus der Stunde werden zwei, eine hin und eine zurück. 22 Kilometer, knapp 2 Stunden. Ich alter Trottel habe mich aus lauter Eitelkeit echt übernommen. Aber es hat Spaß gemacht. Ich freue mich auf Sonntag.

 

10.000 Jahre Geschichte

 

Bevor es Ernst wird, machen wir noch einen kleinen Ausflug in die Geschichte, auf die man auf Zypern sehr stolz ist. Die ältesten bisher bekannten Siedlungen sind über 10.000 Jahre alt – Überreste sind in Tenta in der Nähe der Autobahn nach Nikosia zu sehen. Auch in Limassol selbst gibt es Ausgrabungsstätten. Im alten Hafen gibt eine mittelalterliche Festung. An gleicher Stelle stand einmal eine Burg, auf der Richard Löwenherz Berengaria von Navarra heiratete und zur Königin von England krönte.

 

Fährt man von Limassol Richtung Pafos, kommt man an der im 13. Jahrhundert erbauten Burg von Kolossi vorbei, die einmal Hauptquartier der Johanniter war. Nur ein paar Kilometer weiter befinden sich die Archäoligischen Stätten  von Kourion, die man zu den eindruckvollsten der Insel zählt. Das griechisch-römische Theater aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. ist dort zu sehen und das Haus des Eustolios, ursprünglich eine römische Villa, später in frühchristlicher Zeit eine Art Erholungsheim. Die Bodenmosaiken sind sehr gut erhalten.

 

Ganz in der Nähe ist das einzige bisher auf Zypern entdeckte antike Stadion aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. zu sehen. Es fasste einmal 6.000 Zuschauer. Nur ein paar Kilometer weiter befindet sich das Heiligtum des Apollo Ylatis, Gott der Wälder und Beschützer von Kourion.

 

Das Wahrzeichen von Pafos ist das mittelalterliche Kastell direkt am Hafen. Die Türken haben es 1592 wieder aufgebaut, nachdem es zuvor von den Venezianern teilweise zerstört wurde. Gegenüber ist bereits seit Freitag das Veranstaltungszentrum eingerichtet mit Ausgabe der Startunterlagen. Ein stimmungsvolle Pastaparty gibt es am Samstag im Hotel „Basilika Holiday Resort“.

 

Die Geschichte begegnet einem auf Zypern auf Schritt und Tritt. Unmittelbar am Hafen ist der Zugang zum Archäologischen Park, der schon seit 1980 in der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes verzeichnet ist. Zu sehen sind Stätten und Denkmäler aus prähistorischer Zeit bis ins Mittelalter. Berühmt sind die Mosaiken der römischen Villen aus dem 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr., das Odeion von Pafos und die Saránda Kolónes, die Burg der Vierzig Säulen, um nur einige zu nennen.


Start bei Aphrodite’s Birthplace

 

Der Cyprus Marathon ist eine kleine, familiäre Veranstaltung. Stavros und Carol Kakourides bilden den harten Kern der Organisation. Erstmals können sie auf über 400 Anmeldungen für die drei Läufe (Marathon, Halbmarathon und 10 km) verweisen.

 

Am Sonntag früh werden die rund 100 Marathonis per Bus zu den Aphroditefelsen bei Petra tou Romiou, östlich von Pafos gefahren. Die als Geburtsstätte der Aphrodite, Göttin der Liebe und Schönheit, geltenden Felsen im Meer sind ein viel besuchter Ort, aber heute ist außer den Läuferinnen und Läufern, dem Personal am unvermeidlichen Kiosk und der mit der Organisation befassten Leute kein Mensch hier.

 

Vor dem Start versammelt sich das Teilnehmerfeld zum Gruppenbild auf dem Parkplatz oberhalb der Felsen, dann wird das Startbanner gehisst und darunter Aufstellung genommen. Etliche Teilnehmer kommen aus Deutschland, und natürlich treffe ich auch Emely wieder. Nervös läuft sie auf und ab, dehnt, nippt an der Flasche und kann den Start kaum erwarten.

 

8.30 Uhr, es ist soweit, ein letzter Hinweis, sich auf den Straßen „always left“ zu halten, ein Klapps für Emely und ein „good luck“ und das Rennen beginnt. Heute muss ich niemandem imponieren, ich laufe von Beginn an mein Tempo. Außerdem habe ich bereits auf der Herfahrt registriert, dass der Kurs keinesfalls wie beschrieben meist flach ist, sondern eher als wellig zu bezeichnen ist. Die ersten Anstiege gleich zu Beginn nimmt man allerdings kaum zur Kenntnis.

 

Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel, die Temperaturen sind genial, um die 16 Grad mögen es sein. Hin und wieder weht ein frischer Wind. Die Straße führt direkt am Meer entlang, ein Blick zurück und man sieht die Aphroditefelsen von ihrer schönsten Seite.

 

Die Straßen sind nicht gesperrt, man läuft auf dem breiten Standstreifen, an Kreuzungen regeln Race-Marshalls den Verkehr, alles läuft ohne Probleme. Außerdem ist recht wenig Verkehr, auch auf der nahen, stellenweise parallel laufenden Autobahn ist nicht viel los. Jeder Kilometer ist angeschrieben, alle 3 Kilometer gibt es Wasser (in Flaschen), alle 6 Kilometer dazu den Buffer vom Hauptsponsor Ultra Sports.

 

Archäologische Sensation

 

Rechts geht die Straße nach Kouklia ab, wo sich die Ausgrabungsstätte von Palaipafos (Altpafos), eines der bedeutendsten Pilgerzentren der antiken griechischen Welt befindet und der berühmte Aphrodite-Tempel aus dem 12. Jahrhundert v. Chr. Es gibt ein kleines, unscheinbares Museum, das aber eine archäologische Sensation beherbergt. Keine 200 Meter vom Museum entfernt wurde im letzten Jahr beim Ausheben einer Baugrube ein hervorragend erhaltener Sarkophag gefunden. Das Besondere sind die bunten Malereien ringsum, die Geschichten von Homer nacherzählen. Einige Motive könnten auch Aufschluss geben über den Toten, der darin bestattet wurde. Jedenfalls handelt es sich um den ältesten und den am besten erhaltenen Fund dieser Art überhaupt.

 

Bevor die Untersuchungen nicht abgeschlossen sind, will man damit aber nicht an die Öffentlichkeit. Und so kann man den Sarg im Museum zwar sehen, aber darf ihn nicht fotografieren. Nur ein Gesamtfoto vom Raum war mir erlaubt, dank digitaler Technik ist der Sarg darauf ganz gut zu sehen.

 

Blühende Insel

 

Die Strecke bleibt sehr abwechslungsreich, auch als wir uns vom Meer entfernen. Orangen-, Mandarinen- und Zitronenplantagen wechseln sich ab, dazwischen Oliven- oder Palmenhaine, Pinienwäldchen und herrlich blühende Bäume (Pfirsiche), Sträucher und Wiesen. Dazu der Blick auf die karg bewachsenen, bis zu 1952 m hohen Berge (Olympos) des Troodos-Gebirges.

 

Ab und zu sieht man kleine Wohnsiedlungen, häufiger sind allein stehende 2- oder dreistöckige Häuser, in denen wohl mehrere Generationen zusammen wohnen und Landwirtschaft betreiben. Zurzeit werden Kartoffeln (sind ein Exportschlager) und Erdbeeren geerntet. Viele Gemüsesorten können sogar zweimal im Jahr geerntet werden.

 

Ein breites, total ausgetrocknetes Flussbett führt zum Meer. Wasser ist selten auf Zypern und daher kostbar. Es regnet selten und wenig und man ist deshalb dazu übergegangen, Meerwasser zu entsalzen.

 

Wir verlassen jetzt die Straße nach links (ca. km 13) und kommen auf einen Pendelkurs, auf dem wir nach ungefähr 4,5 Kilometer den Flughafen von Pafos erreichen, wenden und zurück laufen. Schon nach wenigen Minuten kommt mir der Jordanier Salameh Alaqra entgegen, der mit großem Vorsprung das Feld anführt und den Marathon gewinnen wird. Sieben Minuten später kann ich Suzette Vermaak aus Südafrika auf meinem Chip verewigen, sie gewinnt den Frauenwettbewerb.

 

Jetzt bin ich ganz gespannt, wann Emely auftaucht. Nach zehn Minuten sehe ich sie mit ihrer weißen Mütze. Locker und vor Freude strahlend kommt sie mir entgegen. Man sieht es, sie hat Spaß und liegt nach 16 Kilometer immerhin gut 2 Kilometer vor mir. Der Flughafen von Pafos liegt direkt am Meer, am Wendepunkt wird die Startnummer notiert, dann geht es auf gleichem Weg zurück.

 

„Hard work“

 

Die Marshalls weisen uns nach links auf die Straße Richtung Pafos ein. Die Temperaturen haben zwischenzeitlich deutlich zugelegt und auch der Verkehr ist mehr geworden. Stören tut mich das nicht, es ist ja eher die Ausnahme, dass man auf vollkommen für den Verkehr gesperrten Straßen laufen kann. Ich nutze jede Getränkestelle, trinke und schütte mir den Rest Wasser über den Kopf. „Hard work“, meint Ingrid und trifft den Punkt.

 

Viele sind vor allem an den Steigungen am Kämpfen und Gehen. Ich kann wie immer auf der zweiten Streckenhälfte etliche Plätze gut machen. „I’ve lost my dynamite,“ sagt der Däne, den ich frage, was los sei mit ihm. Und den Engländer feuere ich an: „Go, England, go!“

 

Bei km 28 erreichen wir die Peripherie von Pafos, laufen in Richtung Tourist Area, kommen durch Wohnsiedlungen und sind bei km 35 dann auf einer weiteren, diesmal sehr kurzen Wendepunktstrecke direkt am Meer. Noch 5 Kilometer sind zu laufen, es geht an den großen Hotelanlagen vorbei Richtung Hafen.

 

„Well done“

 

Bei genau km 39,5 bin ich am Athena Beach Hotel (4 Sterne), mit 400 Zimmern das größte Hotel auf Zypern und für ein paar Tage mein Domizil. Ein solches Hotel als „familiär“ zu bezeichnen, wäre etwas daneben. Aber die Betreuung ist individuell, der Service mit viel deutschem Personal tadellos und die Buffets zum Frühstück und zum Abendessen sind sagenhaft. 

 

Auf den Fußgängerwegen geht es durch die Stadt, hin und wieder gibt es Applaus und ein „well done“ für die Marathonis, als der Hafen erreicht wird, wird es etwas eng. Viele Leute sind unterwegs, genießen die Sonne und können überhaupt nicht verstehen, wie man 42 Kilometer durch die Gegend hetzen kann. Ein letzter kleiner Anstieg, dann es geht hinunter zum Kastell ins Ziel, wo jeder Finisher mit viel Applaus gefeiert wird.

 

Zur Erfrischung gibt es Refresher, Wasser, Bananen und Orangen. Für verwöhnte deutsche Läuferinnen und Läufer ist die Verpflegung unterwegs vielleicht etwas enttäuschend, vor allem wenn man in Betracht zieht, dass der Titelsponsor Spezialist für Sportlernahrung ist. Ich meine, einen Riegel hätte man für jeden Teilnehmer locker machen können. Aber das Unternehmen sitzt in Schwaben, Insider wissen, was das bedeutet.

 

Wo ist Emely? Natürlich hat sie es geschafft, sogar unter vier Stunden ist sie geblieben (3:58), aber jetzt will sie erst mal vom Laufen nichts mehr wissen. Wer kennt das nicht? Wetten, morgen sieht die Welt wieder anders aus?

 

Erfolge für Interair-Reisegruppe 

 

Schöne Erfolge feiert die Reisegruppe von Interair, unter denen der Doppelsieg im Halbmarathon von Reiseleiterin Lea Bäuscher und Christiane Wilken heraus ragt. Der dritte Platz von Herbert Steffny im 10 km-Lauf soll nicht unerwähnt bleiben.

 

Interair hat seit Jahren den Cyrus Marathon im Programm und verbindet damit ein Laufseminar mit Herbert Steffny. Der Diplombiologe, ehemalige Weltklasseläufer (unter anderem 16 x deutscher Meister, EM-Dritter im Marathon) und Bestseller-Autor (unter anderem „Das große Laufbuch“) referiert z.B. über Trainingslehre, Ernährung im Alltag und Wettkampf, Orthopädie, gibt bei täglichen Lauftreffs praktische Anweisungen und Tipps zu Dehnungs- und Kräftigungs-Gymnastik, mentale Wettkampfvorbereitung und Taktik. Individueller Computertrainings- und Fitness-Check und Laufstilanalyse stehen ebenfalls auf dem Programm.

 

Auszug aus der Ergebnisliste:

 

Marathon

Männer

1. AL AQRA, Salameh  2:41:07
2. MCCALLUM, Fraser 3:09:01
3. NICHOLLS, Stephen 3:14:42

 

Frauen

1. VERMAAK, Suzette 3:06:09 
2. PIKE, Trudi 3:34:21
3. SWIFT, Miriam 3:39:39

 

Halbmarathon

Männer

1. AL SWAITI, Mohammad 1:17:18
2. AL SHAMARI, Mohsen 1:19:00
3. FALCO, Gualtiero 1:20:03

 

Frauen

1. BAEUSCHER, Lea 1:28:42
2. WILKEN, Christiane 1:30:29
3. CROWTHER, Kim 1:39:17

 

10 km

Männer

1. TSCHUMPERLIN, Tim 0:35:48
2. ROBB, Gareth 0:36:17
3. STEFFNY, Herbert 0:36:37

 

Frauen

1. WEBB, Deborah 0:41:19
2. JAMES, Sue 0:46:48
3. JAY, Johanna 0:49:14 

 

Informationen: Cyprus Marathon (Zypern)
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