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Laufberichte

Heiligabend bei den Bärenfellers

24.12.12
Autor: Joe Kelbel

 

 

 

 

Alle Jahre wieder kommt ganz überraschend der Heilgabend. Gerade für einen Laufkörper -  vor allem dann, wenn er in Hoppstedten-Nohfelden, oder wie dieser komische Ort zwischen Rheinland Pfalz und Saarland genannt wir, also wenn dieser Körper mit einem krassen Knoblauchkebap in einem nach alten Fett riechendem Fastfootraum  gefüttert wird. Hätte ich nach dieser halben Stunde meine Klamotten verkauft, ich wäre jetzt Ölscheich!

Aber so ist es hier in diesem Ort, wo Fett lieber verbrannt als aufgenommen wird. Wo Opa Franz Feller an Heiligabend für ein Stückchen Butter 50 km nach St. Wendel laufen muss, nur weil Oma Jutta wieder die Hälfte der weihnachtlichen Backzutaten  vergessen hat. So kommen regelmäßig 100 km am Heiligabend zusammen, übertragen sich auf Kinder und Enkelkinder, die nun diesen fettreduzierenden Lauf organisieren und auch selber äußerst dauerhafte Läufer sind. Gut, reduziert wurde der Lauf auch, auf 42,2 km.

Und wenn dieser Morgen wegen der krassen globalen Erwärmung ungewöhnlich warm ist so, wehrt sich alles in mir, bis mich Stefan Feller mit seinem Leuchtschwert  direkt in die Pfütze vor dem Ökoheizwerk lenkt und ich mich spontan für weniger nasse Laufschuhe entschließe.

Unterhalb der Autobahn ist das Veranstaltungszentrum. Ja, eine Autobahn gibt es hier auch, sogar mit eigener Ausfahrt. Ungewöhnlich viele Nachmelder gesellen sich zu den zahlreichen Voranmeldern. Vielleicht hatte da jemand was geschrieben, also letztes Jahr, eventuell sogar bei m4y.

An Heiligabend passieren ja die unglaublichsten Geschichten. Zum Beispiel musste da mein Vater seinen Schreibtisch aufräumen, für die Bescherung. Wenn er gut gelaunt war, dann gab er mir sein Lineal und mit einem Kaugummi gelang es mir, einige köstliche Krümel im Stapel der unbezahlten Rechnungen zu angeln. Wir hatten ja damals nichts. Sein Schreibtisch war winzig klein und irgendwo an einem Eckchen war ein Platz für den jüngsten der vier Brüder reserviert. Mein ältester Bruder hat einen Fernseher bekommen, ich ein Hühnerei. Ich habe mich so gefreut, denn wir hatten ja nichts!

Ach so, ich wollte ja vom Bärenfelslauf berichten: 8,5 km Rundkurs, 5mal zu durchlaufen. 1250 Hm kommen damit insgesamt zusammen. Voll schwierig! Gerade bei dieser extremen Witterung!

Ich hab mal den Verteidigungsminister an Weihnachten heulen gesehen! Ich war eigentlich von der Grundwehrzeit entlassen worden. Fast mein einziges Vergehen war es, dass ich Kalender “von kämpfenden Truppen im Panzergraben” verkaufen wollte. Monatelang pries ich diese nicht existierenden Kalender mit einem wunderbar rollenden “R” per Telefon an.

Michael hat bei der Weihnachtsfeier, an der diese sagenhaften Kalender verteilt werden sollten, den roten Vorhang im vorweihnachtlichen Vollsuff runter gerissen, und da standen wir fünf Kameraden mit vor Lachen vollgepissten Hosen und auf der anderen Seite Offiziere aus ganz Deutschland, die den “begäährrten” Kalender kaufen wollten. Uns wäre die Flucht gelungen, doch Michael, der Simpel, hatte sich mit seinen 3 Promille im Vorhang verirrt, wie Benni im Film “Eis am Stil” mit seinem dicken Doppelripp im Klofenster, wie blöööd!

Jedenfalls besuchte mich der Verteidigungsminister W. anschließend in dieser Art Café mit den Gittern und klopfte sich brüllend vor Lachen die weihnachtlich glänzende Glatze.

Unterhalb des Autobahntunnels ist der Wendepunkt am großen Nussknacker. Das wäre ja kein Problem, aber Oma Jutta betreut hier den Christstollen und da bleiben wir gerne stehen. Wir? Ich!

Dieses Jahr gibt es richtig gute Leckereien an den zwei Verpflegungsstationen. Die Mädchen der Familie Helferich begrüßen mich traditionell mit einem schallenden ” Mannmannmann da kommt der Joe, was für ´ne Scheiße!”.  Und dann glüht der Glühwein weihnachtlich, wir lachen dicke Läufertränen und erinnern uns an die bekloppten Zeiten, wo der Joe noch durch die Bärenwälder gefetzt ist und die ersten Plätze belegt hatte!

Nicole B. ist nicht da, sodass der Tisch nicht verrandaliert werden kann. Mann! Was habe ich damals gelacht, als sie ungebremst in die Dominosteine gefahren ist, ihr war es voll peinlich, ich habe wiehernd auf dem Eisweg gelegen!

Genau fahren! Wir sind Weihnachten nach England gefahren, zu meinem Kumpel P, also nicht Nicole, sondern M und ich. Aber Kumpel P  hatte Probleme mit seiner Exfrau S. Also gab er mir die Adresse seiner Exfreundin J. Die hatte aber keine sturmfreie Bude, also landeten wir bei Exfreundin E. im BBC Tower in London. Es war die Zeit, wo es auf der Fähre noch einen Duty Free gab und der Rap erfunden wurde. Nichts Außergewöhnliches, aber uns gelang es übers Radio innerhalb weniger Stunden mit unserer Interpretation von “ Oh du fröhliche” die weibliche Jugend von London so zu begeistern, dass es eine spontane Party vor dem Tower gab. Nun haben englischen Mädchen die Angewohnheit, sich drückender Kleidungsstücke schamlos zu entledigen, sodass wir alsbald mit gesammelten Devotionalien ins Studio zurückkehrten, wo der schwule Moderator H entsetzt das Weite suchte.

Dieses außergewöhnliche Fluchtverhalten mit provozierter Lingerie-Verfolgung unsererseits schadete den Getränken und der Elektronik. Nach einem kleinen Sendeausfall wurde der berühmte  “Jingle Bell Ball” von Capital Radio ins Leben gerufen, ein Event von dem die englische Schlüpfer-Industrie noch heute zehrt.
Ich wüsste nur gerne, was aus dem Schließfach geworden ist, in dem wir unsere Trophäen deponierten.

Die Trophäen beim Bärenfels-Heiligabendlauf sind auch legendär. Da viele schnelle Läufer auch schnell nach Hause düsen, grasen die Platzierten 100-200 bei der Siegerehrung im Kino gar nicht schlecht ab. Die vom örtlichen Landwirt gesponserten 10-kg -Kartoffelsäcke sind dieses Jahr der Renner; und das Kühlgel schmeichelt der weihnachtlichen Bauchdecke.

Gar nicht schmeichelhaft war  damals, als unser Außenminister (den Ursprung meiner Verbindung in höhere Kreise recherchiert Ihr bitte in meinem Bericht über den Bonn Marathon)  bei der Weihnachtsfeier im Casino in Wiesbaden einen bei uns sehr beliebten Ex-Präsidenten Russlands gelobt hatte: “Er hat sich sehr verdient gemacht um Deutschland, und zaubern kann er auch noch!” Dann zog H-D dem G. einen goldenen Löffel aus dem Anzug. Witzig, denn  beim Rückflug wurde  H-D bei der Kontrolle am Flughafen seiner goldenen Trophäen entledigt.

Unsere Trophäen bilden sich heute aus dem Bewusstsein, einen datumsmäßig einmaligen Marathonlauf bestritten zu haben. Wer Läufer ist, der hat hier seine Traum-Weihnachten. Heiligabend bei den Bärenfellers! Auch wenn es niemand glauben mag: ich mach mich jetzt auch schnell nach Hause. Die fetten Gänse müssten langsam gar sein. Heute Abend wird Fett gebunkert, nicht mehr verbrannt!

 

Informationen: Bärenfels Heiligabend Marathon
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