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Laufberichte

Knapp im Soll

 

Manchmal passt es einfach im Leben, und so konnten wir von einer Tagung in Berlin direkt weiter in die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, nach Schwerin fahren. Hier hat Frederic Werner vom Tri-Sport Schwerin e.V. zur 8. Auflage des Schweriner Seentrails geladen.

Wir checken im Hotel Speicher direkt am See ein, welches zwischen dem Basecamp Turnhalle und der Zielarea liegt, besser geht es nicht. Es besteht auch die Möglichkeit, für 5 € in der Turnhalle zu übernachten. Ein kleiner Spaziergang in die Stadt zur Abholung der Startnummern und noch fühlt es sich an wie Urlaub. Sport Schefe in der Innenstadt hat seine Pforten geöffnet und wir bekommen Startnummer und ein Armband, das uns Versorgung im Ziel garantiert. Des weiteren eine Karte, mit der man sich eine Bewertung wünscht und im Gegenzug einen Freistart verlost. T-Shirts und Buffs zur Veranstaltung werden angeboten. Wir schlendern noch etwas durch die Stadt und am Schloss entlang, einsetzender Regen macht schon einmal Vorgeschmack auf morgen und beendet unsere Sigthseeing-Tour.

 

 

Am Raceday gibt es ab 7 Uhr in der Turnhalle die Startunterlagen für die Ultras, die kürzeren Strecken sind später dran. Um 7:40 Uhr ist Streckenbesprechung, es gibt viel zu erzählen. Mehrere Abweichungen der geplanten Strecke sind notwendig, weil z.B. ein Waldbesitzer nicht möchte, dass wir über seine Wege laufen. Gar nicht so einfach, sich alles zu merken, aber der Track auf der Uhr gibt mir Sicherheit. Umfangreiche Markierungen mit Schildern, Sprühfarbe, Flatterband, Stangen mit Flatterband und zweimal ein großer roter Pfeil weisen uns den Weg. Die Stellen, wo man sich gerne verläuft, werden per Beamer auf der Karte gezeigt, und teils auch durch Streckenposten gesichert. Einfach geradeaus am See entlang ist eine klare Ansage, das sollte klappen.

Leider prasselt gerad ein Regenschauer auf das Turnhallendach und wird uns einen nassen Start bescheren, also direkt die Regenpelle an. Nicht so schön, aber die Ankündigung, dass es danach trocken bleiben soll, macht Hoffnung. Radbegleitungen sind erlaubt, müssen aber an einigen Stellen die Strecke umfahren. Angekündigtes Totholz wäre hier unüberwindbar. Wer möchte, kann ein Drop-Bag zum VP4 bei km 36,4 bringen lassen.

 

 

Mit ein paar Minuten Verspätung erfolgt der „Kalte Start“ vor der Turnhalle. Frederic fährt mit Blaulicht auf dem Helm mit seinem Fahrrad voran Richtung Schweriner Schloss, wir laufen gemütlich hinterher. Die Polizei sperrt die Kreuzungen ab und wir kommen ungehindert voran. So haben wir ein Warm-Up und können den „Heißen Start“ auf der Brücke vor der tollen Schloss Kulisse zelebrieren.
Das Schweriner Schloss wurde 1844-1857 im Stil der französischen Rennaissanceschlösser erbaut und liegt wunderschön auf einer Insel im Schweriner See. Seit 1990 beherbergt es neben dem über 100 Jahre alten Museum auch den Landtag. Im Jahre 2007 wurde das Motiv auf die deutsche 2 € Gedenkmünze geprägt, welche als Zahlungsmittel im Umlauf ist. Damit schickte man über 31 Millionen numismatische Botschafter in die Eurowelt, wovon viele bei Sammlern liegen dürften.

Es werden schnell noch Fotos geschossen, dann schickt man uns auf die Runde um den gesamten Schweriner See. Es geht kurz durch den Schlosspark und schon biegen wir auf einen Radweg ein. Irgendwie passt das nicht, wir sind auf einem Trail und folgen einen topfebenen Asphaltband. Mal abwarten, was da noch kommt. Ich komme mit einem Läufer ins Gespräch, er ist auf seinem ersten Ultra und wir quatschen ein paar Kilometer platt. Es geht teils gepflastert, teils sehr fein befestigt und teils über Teer um die untere Seeseite herum, der Blick nach Schwerin auf der anderen Seeseite ist leicht vom Wetter getrübt. Wenigstens hört der Regen auf, aber es pfeift ein eisiger Wind. Ein kleiner Ausflug auf einen Singletrail sorgt für Abwechslung und beschert uns die ersten Höhenmeter. Beim bisherigen Verlauf der Strecke frage ich mich, wie wir überhaupt auf die angekündigten 470 Meter aufwärts kommen sollen. Aber wir sind ja noch am Anfang.

 

 

In Raben nach 10,5 km kommt der erste von sechs angekündigten VPs. Man hat Kekse, Salzbrezeln, Banane und Apfel parat, es gibt Wasser, Cola und Tee. Nachhaltigkeit wird groß geschrieben, alles ist unverpackt und wir wurden angehalten, einen eigenen Becher mit zu bringen. Bedingt durch ein ausgiebiges Hotelfrühstück habe ich noch keinen Hunger. Durch kühle Temperaturen um die 8 Grad mit Regen und Wind habe ich kaum was getrunken, und bin nach wenigen Sekunden Boxenstopp schon wieder unterwegs.

Die Strecke wird langsam spaßiger, es geht über einen noch gut zu laufenden Uferweg über erste Bäume und Hindernisse hinweg. Dann geht es in einen Single Trail über und es zeigt sich endlich, was den SST zum Trail macht. Über liegende Bäume kraxeln, unter liegende Bäume im Limbo durch, Matsch, der Wasser oben in den Schuh läuft, ein mit Seilen gesicherter Hang, der nur noch aus Spuren von weggerutschten Schuhen besteht. Holla die Waldfee, jetzt kommt es knüppeldick und plötzlich dauert ein Kilometer 12 Minuten. Bei der Streckenbesprechung sprach man von einem großzügigen Cut-Off ungefähr bei Halbmarathondistanz von 4 Stunden. Da habe ich noch geschmunzelt! Sollte das hier so weiter gehen……

 

 

Nach 14 schnellen Kilometern bis zum Trailbeginn kommen ca. 4 km mit 10-12 Minuten Pace hinzu, dann geht es zurück auf den Asphalt und man kann sich die Lehmbrocken von den Schuhen laufen. Hinter dem zweiten VP in Leezen bei km 18,5 geht es weg vom See, bergauf und damit in den Wind hinein. Dafür ist es richtig erholsam, locker über Teer zu gleiten und Kilometer zu machen.

Im Ort Rampe haben wir einen Halbmarathon hinter uns, freundliche Streckenposten halten für uns den Verkehr der Bundesstraße an und es kommt zur Streckentrennung. Die kleine Seerunde quert hier über einen Radweg den See und beginnt den Rückweg nach Schwerin. Um 10:30 war Start für diesen Wettbewerb vor dem Schloss. Wer auf der großen Seerunde hier nach 12:30 ankommt, muss abbrechen und auf die kleine Runde wechseln. Beruhigender Blick auf die Uhr, es ist erst 11:15 Uhr.

Ich denke an Tanja, sie startet jetzt zum Trail4Fun über 17 km. Inzwischen ist es schon recht einsam für mich auf der Strecke geworden. Wir laufen am See entlang, mal unmittelbar am Ufer bei pfeifendem Wind und Wellen, die uns mit Gischt befeuchten, mal weiter weg durch Wälder über Hügel, aber momentan meist über breite Wege. Dann wieder abwechslungsreich unterbrochen durch kleine Ortschaften, mehrfach laufen wir durch Campingplätze auf einem offiziellen Wanderweg.

 

 

Der dritte VP in Retgendorf bei km 27 ist mitten in einem Campingplatz, inzwischen ist das Buffet erweitert um Schmalz- und Nougatcremebrot, sogar Salzkartoffeln werden angeboten. Spaziergänger sind danke des Wetters kaum unterwegs. Meine Pace wird langsamer und ich rechne zum 2. Cut-Off hoch, nach 7 Stunden muss der VP bei km 45 erreicht sein.

Wir sind inzwischen um das Nordende des Sees herum und befinden uns auf dem Rückweg. Die Sonne kommt immer wieder mal raus, auf die Regenjacke, welche die letzten 2 Stunden nur noch Windschutz war, kann ich jetzt entbehren. Im Gegensatz zur anderen Seeseite ist hier der See spiegelglatt, den Wind hört man nur über dem Wald pfeifen, am See entlang ist es angenehm windstill.

Schloss Willigrad , das Highlight in Lübsdorf,  tangieren wir leider nicht unmittelbar und bestaunen stattdessen das Kavaliershaus, ein prächtiges Gebäude, welches um 1900 als Beamtenwohnhaus errichtet wurde, und außerhalb der Schlossanlage liegt. Dahinter erreichen wir den ersehnten VP5 bei km 45, und damit die gefürchtete Cut Off Zeit. Ein gut gelaunter Streckenposten sorgt für Entspannung: „Da ist noch Zeit“, meint er und bietet mir ein Bier an. Viel Zeit lasse ich mir nicht, denn hier habe ich nur noch 17 Minuten Luft.

 

 

Ein weiterer Trailabschnitt steht bevor. Über Bäume, unter Bäume, um ganze Baumgruppen, eine Böschung hinauf,  um auf der anderen Seite wieder runter zu rutschen…. Könnte Spaß machen, aber mit über 45 km in den Beinen ist das gerade purer Stress. Es muss noch mal der Racemodus her, sonst wird das nichts mit 18 Uhr im Ziel. Nach rund 3 km ist der Urwald wieder verlassen, etwas angenehmer geht es zum letzten VP in Frankenhorst bei km 53,5. Meine Frage, ob ich der letzte auf der Strecke sei, wird verneint, 3 Läufer wären noch hinter mir. Ich greife nochmal reichlich am Buffet zu, Kekse, Nüsse, Cola und weiter geht’s.

Es wird noch einmal trailig, matschig und uneben. Wiesentrails runden das ganze ab und ich schaue ständig auf die Uhr. Wer weiß, was es noch für Überraschungen gibt. Bei km 58 begrüßt uns ein Schild welches zeigt, dass die Kleine Seenrunde und die Trail4Fun Läufer jetzt auch auf unserer Strecke sind, noch 3 km sind zu bewältigen und es geht gerade durch ein Wohngebiet nach oben. Die letzten Kilometer werden dann doch schön flach zum Auslaufen.

Auf der anderen Seeseite taucht das Hotel Speicher und das Ziel unter dem historischen blauen Kran auf, man hört den Streckensprecher wie er ankommende Läufer lauthals begrüßt… da will ich auch hin! Oder besser: da bin ich gleich. Es geht um den letzten Bogen des Ziegelsees und dann kann ich tatsächlich nochmal genießen, die Uhr zeigt an, dass ich noch 2 Minuten Luft habe. Also noch Zeit für ein paar Fotos, was den Streckensprecher zum Lachen bringt. Er erwähnt, dass ich noch gut im Zeitlimit bin, ich laufe noch eine Schleife unterm Kran und haben die nächsten Lacher auf meiner Seite. Dann geht es nach 9:21:00 h und 61 km zuzüglich 2,5 km Warm-Up und 0,5 km verlaufen über die lange ersehnte und „hart am Limit“ erkämpfte Ziellinie.

 

 

Fröhliches Abklatschen und das Entgegennehmen einer hölzernen Medaille. Abbauarbeiten laufen schon, Zielverpflegung gibt es noch in Form einer Suppe und einem alkoholfreien Bier. Meine drei Verfolger kommen mit rund 20 Minuten Verspätung auch noch in die Wertung. Ich bin froh, dass der Hoteleingang nur 50 m entfernt ist, die Freude auf eine heiße Dusche ist groß. Im Anschluss gibt es noch eine Party im Tanzstudio Schlebusch, aber das wollen wir nicht mehr. Ich bin froh, die Beine hoch legen zu können und etwas Erholung zu finden, morgen geht es 600 km auf der Straße nach Hause.

Der Schweriner Seentrail ist definitiv ein interessanter und attraktiver Lauf, ein Trail in flachem Gelände mit nicht zu vielen Höhenmetern.Ein Großteil der Strecke ist angenehm und gut zu laufen, aber die Trailabschnitte sind herausfordernd bis anspruchsvoll. Eine schöne Gelegenheit, Schwerin kennen zu lernen, wofür man sich etwas Zeit mitbringen sollte.

 

Trail 4 Fun – 17 km

Männer– 80 im Ziel
1:06:31 – Lukas Kleczek – SV Werder Bremen
1:08:09 – Lennart Seeber - Schwerin
1:12:55 – Alexander Koch – Open Sports Hamburg

Frauen – 83 im Ziel
1:15:15 – Kasia Kleczek – SV Werder Bremen
1:22:26 – Hannah Sauer-Morhard – Schwerin
1:23:17 – Neele Grandt – Lüneburg


Kleine Seenrunde – 33 km

Männer – 206 im Ziel
2:18:02 – Robin Zehner – Südthüringentrail e.V. / Laufteam wta
2:21:32 – Markus Damm – LG Kemtau
2:21:33 – Carsten Weser - Südthüringentrail e.V. / Laufteam wta

Frauen – 91 im Ziel
2:35:49 – Anne Barber – LC RON-HILL Berlin e.V.
2:37:07 – Lucie Machoy – SV Motor Barth
2:38:51 – Almut Dreßler-Ahlburg – LG Nord Berlin Ultrateam


Große Seenrunde – 61 km

Männer – 192 im Ziel
4:33:10 – Marcus Gawlik – SV Blau Weiß Petershagen Eggersdorf
4:39:08 – Frank Rothe – Saalfeld
4:41:03 – Prof. Dr. Magnus Linde – Geologik

Frauen – 47 im Ziel
5:36:48 – Janine Eichfelder – Brooks Running Collective
6:17:08 – Anna Hahn – Ellerdorf
6:18:31 – Katrin Grieger - Hamburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Informationen: Schweriner Seen-Trail
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