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Laufberichte

Sprung auf, marsch marsch zum Marterhorn!

07.07.12

In der Schweiz sagt man – nein, eines muß erst einmal vorab gesagt werden: Bevor jetzt einige Neunmalkluge zu stänkern anfangen, weil sie meinen letzten Bericht vom Marathon am Biggesee gelesen haben (dann aber stänkern sie leider völlig zurecht): Erstens ja, ich habe diesen Marathon erfolgreich beendet und zweitens ja, ich habe auch den Weg gefunden. Ganz von alleine und ohne fremde Hilfe.

In der Schweiz sagt man zum Laufen Springen. Wenn also der Schweizer einen sechzigminütigen Lauf plant, geht er für eine Stunde in den Wald zum Springen. Der Germane hingegen hat Größeres vor. Er düst in den Kanton Wallis und springt mit Hingabe von St. Niklaus im tiefsten Tal der Schweiz über Zermatt bergan zum Riffelberg am Fuß des Matterhorns, des angeblich schönsten Bergs der Welt.

Rückblende - Jungfrau-Marathon 2011: Erstmals erlebe ich die grandiose Bergwelt quasi hautnah und ergötze mich am phantastischen Panorama von Eiger, Mönch und Jungfrau. Springe zur ach schon so oft bestiegenen Jungfrau, sonne mich nach dem Lauf auf knapp 2.100 HM bei über 20° im Gras auf der kleinen Scheidegg und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein. Ein Erlebnis, das an gleicher Stelle bei einer Wiederholung unmöglich noch schöner sein kann, daher soll es bei dieser einzigartigen Erinnerung bleiben.

Für einen zweiten Einsatz in den Alpen kommt daher also nur eine hoffentlich vergleichbar gute Veranstaltung in Frage. Immer noch habe ich den K 78 bei Davos fest im Auge, der aber soll nach meinem diesjährigen Einsatz beim Zermatt-Marathon im kommenden Jahr den krönenden Abschluss meiner Schweizer Alpentrilogie bilden. Nicht wenige Laufkollegen erzählen mir von den angeblichen Vorzügen des Zermatt-Marathons gegenüber dem an der Jungfrau, was ich kaum glauben kann. Beim Jungfrau-Marathon seien die ersten vergleichsweise flachen 21 km Anlauf von Interlaken nach Lauterbrunnen, gefolgt von einem völlig flachen 5 km-Rundkurs, ja eher langweilig, bevor es auf die letzten, brutalen 16 km bergauf geht. Nun, das sehe ich völlig anders, ich fand’s einfach stark. Umso gespannter bin ich auf mein Alpenerlebnis Nr. 2.

Ihr kennt unseren m4y-Coach Andreas Butz aus Euskirchen als Autoren, Läufer, Lauftrainer, Leistungsdiagnostiker und nicht zuletzt vielleicht als Organisatoren des Decke-Tönnes-Marathons. Ich mag ihn und seine Frau Gisela, und da beide für rund 30 Läuferinnen und Läufer bereits zum siebten Mal eine drei- bzw. siebentägige Laufreise nach Grächen/Zermatt anbieten, sind Elke und ich gerne dabei und verleben wie im vergangenen Jahr wieder eine einwöchige Urlaubsreise in der Schweiz. Meine Befürchtung, mich auf eine Woche Greif-mäßigen Laufdrill in einer Art Bootcamp einzulassen, wird schnell zerstreut. Eine der Hauptaktivitäten, so Andreas, sei die tägliche Suche nach dem besten Aprikosenkuchen der Gegend. Auf dieses Trainingsprogramm können wir uns getrost und erwartungsvoll einlassen.

Unser Ort Grächen, unweit von Zermatt gelegen, ist teilweise autofrei, das war mir neu. Wie also anreisen, wenn man die Kiste eigentlich keinen Tag benötigt? Nach langem Hin und Her entschließen wir uns, der Bahn doch einen Korb zu geben und die Vorzüge unseres nagelneuen Autos zu testen.  Zermatt liegt, am Fuß des Matterhorns, am Ende des 30 km langen Nikolaitales an der italienischen Grenze des Westschweizer Kantons Wallis. Fast ein Drittel aller 4.000er der Alpen gruppieren sich um das Dorf, das seit der Erstbesteigung des Matterhorns im Jahre 1865 nicht nur von Bergsteigern aus aller Welt besucht wird. Das Skigebiet ist das höchstgelegene der Alpen. Bei 300 Sonnentagen im Jahr fällt so wenig Niederschlag wie sonst nirgends in der Schweiz. Ich bin mal gespannt.

Grächen liegt auf 1.619 m Höhe, ideal zur Akklimatisierung vor dem Lauf in für mich ungewohnt dünner Luft. Andererseits meine ich, dass die Eingewöhnungsphase für mich unter vergleichbaren Umständen im Herbst letzten Jahres in Kenia etwas kurz war. Nun ja, wir werden sehen.

Das mit den 300 Sonnentagen und wenigen Niederschlägen stellt sich zunächst mal anders dar: im Regen kommen wir an und die erste Nacht geht die Welt unter. Dennoch  gestaltet sich unser Programm abwechslungsreich und dank der guten Infrastruktur im Hotel Hannigalp angenehm, vor allem auch kulinarisch. Dem herrlichen, einstündigen Akklimatisationslauf folgt am nächsten Tag die Simulation des Schlussanstiegs vom Marathon: Gute 500 Höhenmeter sind auf 3,39 km hinauf zur Hannigalp zu nehmen. Ursprünglich dachte ich daran, alles joggen zu wollen und entscheide mich nach einem Drittel dann doch ganz spontan um… Weitere Wanderungen und das Ablaufen der ersten knapp elf km der Marathonstrecke nach Randa geben das nötige Rüstzeug für den Samstag.

Am Mittwochabend erhalten wir auch noch hohen Besuch: Andrea Schneider, die sympathische Geschäftsführerin des Zermatt-Marathons, erweist uns beim Abendessen die Ehre und bleibt mit Familie fast zwei Stunden bei uns. Eine nette Geste, mit der sie Giselas und Andreas‘ Engagement für den Lauf würdigt. Am Freitag fahren wir die komplette Strecke zur Besichtigung ab und noch auf das 3.100 m hoch gelegene Gornergrat (Ziel des im nächsten Jahr wieder ausgetragenen Ultras) und dann wird’s ernst.

Das leider sehr durchwachsene Wetter zeigt sich am Lauftag von seiner besten Seite, schon früh am Morgen sind erste Wolkenlücken zu sehen, die sich bald ausweiten und strahlendem Sonnenschein Platz machen. Ja, wenn Engel reisen! Sollte es genau so phantastisch wie 2011 am Jungfraumassiv werden? Mit dem Bus fahren wir eine Viertelstunde ins Tal nach St. Niklaus, wo es nach einer Darbietung von Alphornbläsern, die fast so professionell wie die Eifler Alphornissen bei unserem Malbergauf (10. August) sind. Bereits um 8.45 Uhr läuft die Elite los (vermutlich deswegen früher, damit sie von uns nicht überrannt werden), um 8.55 Uhr die Staffeln (2 Läufer/innen) und um 9 Uhr schließt sich das Fußvolk an.

Der Herr Chefredakteur ist heute übermütig: Auf meinen devoten Hinweis, ich sei (beim Fotografieren) immer einen Schritt hinter ihm, meinte er, das sei erstens völlig angemessen und im Übrigen von mir bis ins Ziel durchzuhalten. Warte nur, Freund!

Gleich nach dem Start geht es bereits nach einer scharfen Linkskurve bergan, ein Einlaufen auf der Strecke wie in Interlaken (Jungfrau) gibt es nicht. Auf dem ersten Halbmarathon sind auch die doppelten Höhenmeter, nämlich rund 600, zu nehmen, und das wird sich auch deutlich bemerkbar machen. Ich freue mich, die nette Renate Werz zu überholen, die 2011 die Jungfrau nicht laufen konnte und nur als Edelfan vor Ort war. Sie kann wieder lachen, auch wenn sie nach eigenem Bekunden immer langsamer wird. Das jedoch hält sie nicht davon ab, auch in der W 65 diesen anspruchsvollen Lauf erfolgreich zu beenden und sogar ihre Altersklasse zu gewinnen. Noch vor dem Bahnhof stehen unsere Begleitungen und die Zweitläufer der Staffeln, die gleich mit der Bahn, oft parallel zur Laufstrecke, nach Zermatt fahren werden. Bald haben wir St. Niklaus hinter uns gelassen und von den nächsten paar hundert Metern werde ich nichts berichten. Ich bin nämlich vollauf damit beschäftigt, das vor mir laufende wohlgeformte lecker Mädche zu betrachten. In einem Anfall heroischer Selbstüberwindung reiße ich mich dann schließlich doch von diesem Anblick los und ziehe vorbei.

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