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Laufberichte

In 64 Tagen von Bari zum Nordkap

19.05.09

Es gibt sicherlich viele gute Gründe, mit dem Laufen zu beginnen. Meiner war ein Hauptgewinn und das in gleich zweifacher Hinsicht, sowohl wörtlich, als auch im übertragenen Sinne.

Bei der Tombola im Rahmen des Arquelaufes im November 1997 gewann ich eine Reise zum Silvesterlauf in Saò Paulo und hatte damit rund 6 Wochen Zeit, das Laufen zu erlernen. Bis zur Teilnahme am Deutschlandlauf 2005 kamen dann so einige mehr oder minder lange und exotische Läufe zusammen und hier habe ich dann, bedingt durch mein frühzeitiges Ausscheiden, meinen zweiten Hauptgewinn eingeheimst: René.

Mit ihm gemeinsam (und natürlich noch ein paar anderen) werde ich ab dem 19. April von Bari zum Nordkap reisen, er zu Fuß, ich mit einem VW-Bus. Das Ganze nennt sich Transeurope-Footrace, dauert 64 Tage und steht unter der Leitung von Ingo Schulze. Es wird die bislang elfte Transkontinentaldurchquerung werden und die zweite durch Europa. Von den 44 im Jahr 2003 in Lissabon gestarteten Läufern kamen 22 im Ziel in Moskau an. Dieses Mal werden 68 Läufer aus 11 Ländern, davon 12 Frauen, den Weg von Bari/Italien zum Nordkap in Norwegen antreten.

Als ein klitzekleiner Teil der Orga und persönlicher Betreuer meines Lebensgefährten René Strosny, Startnummer 11 werde ich diese (Tor)tour begleiten und in unregelmäßigen Abständen – je nach Zeit und Internetmöglichkeit – darüber berichten.

Ich selbst laufe seit nunmehr 11,5 Jahren und seit knapp 8 Jahren Ultras. Von den längst über 100 Ultras sind meine schönsten Erinnerungen die an Badwater und den Transe Gaule, die schwerste war der Yukon.

Informationen: TransEurope-FootRace (TE-FR 09)
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangebote
       

Etappe 31 Dienstag, 19. Mai 69.5 km

sorry, mir fehlt so ein bißchen die Lust. René geht es seit ein paar Tagen nicht so gut, wie man ja an den Ergebnissen erkennen kann. Und irgendwie ist nicht recht klar, wo eigentlich das Problem liegt. Im Augenblick laborieren wir ein bißchen herum mit Gymnastik, Einrenken lassen von der uns begleitenden Physiotherapeutin, Tapen und Cremen. Mein Renntier lahmt und wenn ich ihn so von weitem sehe, blutet mir das Herz.

Ja klar, irgendwie und irgendwann trifft's wohl jeden: Man macht sich das auch im Vorfeld klar, aber wenn es dann soweit ist, ist alles anders. Es ist wie mit Raucherbein, Krebs und Unfällen – eigentlich trifft es doch nur die anderen, oder?
Die Motivation stimmt glücklicherweise noch, aufgeben ist ein Wort, das nicht in Erwägung gezogen wird.

Apropos aufgeben: so vielfältig wie die Gründe dafür, ist der Umgang damit. Manche reisen ab, sobald der nächste Bahnhof gesichtet wird. Für mich durchaus verständlich und nachvollziehbar sind deren Frust, die Traurigkeit und die Enttäuschung. Andere bleiben. Versuchen, nach ein paar Tagen Pause wieder einzusteigen, laufen Teilstrecken oder werden von Ingo nach einigen Tagen mitreisens nach Hause geschickt. Zur Enttäuschung kommen teilweise auch noch richtige finanzielle Probleme hinzu, wenn beispielsweise ein Sponsor bei Rennabbruch nicht mehr für die Kosten aufkommen will.

Für mich ein ungeheuerlicher Kraftakt ist die Motivation, die diejenigen aufbringen, die nach dem Ausstieg wieder als Etappenläufer weiter machen. Sie sind aus der Wertung. Was ermutigt sie?

Etappe 27 Freitag 15. Mai 68,0 km

Wieder zwei raus. Shit. Anfangs dachte ich, daß die Ausfälle früher kommen müßten, dass nach drei überstandenen Wochen  sich der Körper an die Belastung gewöhnt haben würde. Offensichtlich täusche ich mich.

Die Gründe für's Aufgeben sind jedoch vielfältig. Es gibt muskuläre Probleme, wie jetzt bei Theo, Entzündungen, Shin Splint, die „Läuferpest“ wie bei Ahn oder Christophe, völlige Kraftlosigkeit und Ausgezehrtsein wie bei Hans oder mentale Probleme, wie bei Jürgen. Manches kündigt sich tagelang vorher an, dann quälen sich die Läufer noch über ein paar Etappen, bevor sie aufgeben müssen. Doch manche fangen sich wieder, bekommen ihre Verletzungen in den Griff.

Warum schaffen es einige und andere nicht? Genügt es, einfach nur ein paar Tage langsam zu laufen? Haben Vernunft und das Vermögen, streckenweise Besenwagen zu sein, Einfluß? Ernährung? Oder benötigt man einen regenerationsfähigen, jungen Körper? Muß man „einfach nur“ hart zu sich selbst sein? Von jedem ein bißchen oder individuell?

Auch der persönliche Umgang mit den Problemen ist sehr individuell. Es gibt viele, die stiller werden, in sich gekehrt. Andere erzählen jedem drei mal täglich, wo's grade zwickt und noch andere verarbeiten ihre Schmerzen mit Schimpfen. Oft wechselt es auch zwischen heute Himmelhoch jauchzend und morgen am Boden zerstört.

Wie geht man mit seinem Ausstieg um?

Etappe 26 Donnerstag 14. Mai 64,4 km

Gestern war ich zu Hause. „Heimurlaub“ von Ingos Wanderzirkus. Es war die zweitkürzeste Distanz zu mir (einen Tag zuvor wäre es noch günstiger gewesen, aber dann hätte René in Queck, in dieser winzig kleinen Halle übernachten müssen), lange geplant, die Taschen für die zweite Hälfte waren schon gepackt.

Kisten raus, Schuhe tauschen, kurze Hosen weg, Pullis rein, Bettwäsche & Handtücher waschen , Auto grundreinigen, Post durchsehen (Baldrian suchen für die Internetrechnung aus Italien) und den Abend mit der vermissten Freundin verquatschen.

Doch vorher qualifiziere ich mich noch für Ulis Unfallstatistik!

Was mir in drei Wochen Italien nicht gelungen ist, schaffe ich jetzt endlich: ich fahre mir einen Kratzer beim Einparken VOR DER EIGENEN HAUSTÜR in mein Bussle! Ich finde, es hat was von Reinhold Messner. Ausnahmsweise wollte ich vorwärts einparken, zum besser ausladen können. Ok, Schwamm und Nagellack drüber, nach Rückkehr wird der Bus weiter bemalt.

Uli notiert alle Betreuerfahrzeugbeulen und will am Nordkapp einen Sieger küren. Vielleicht zählt es bei mir aber nicht, wegen Verlassen der Wettkampfstrecke. Heim zu finden war leicht, Frankfurt ist irgendwie an jeder zweiten deutschen Kreuzung ausgeschildert. Heute früh ließ ich mich dann vom freundlichen Falk hierher leiten und erwischte mich selbst dabei, statt die Straßenschilder zu lesen und auf Verkehrszeichen zu achten, an jedem Vorfahrtsschild, Straßenlaterne oder Bauzaun, dass ich die kleinen Pfeile suche.

Kurz vor Waldkappel dann ENDLICH! Von weitem schon sehe ich die Läufer und die orange leuchtenden Aufkleber. Ich fühle mich, als komme ich nach Hause. Muß man auch als Betreuer einen Waffelschaden haben, um hier dabei zu sein?

Etappe 24, Dienstag 12. Mai 65,6 km

häufig werde ich gefragt, was sind das denn für Leute, die hier teilnehmen? O-Ton: „Sind das denn alles nur Rentner hier?“ Berechtigte Frage, denn neben dem Startgeld kommen evtl. Verdienstausfall, An- und Abreise, Zusatzverpflegung und in unserem Fall z.B. recht hohe Benzinkosten dazu. Neben 30 Urlaubstagen muß man, je nachdem ob man fliegt oder fährt, noch rund 20 weitere Arbeitsausfalltage irgendwie seinem Chef schmackhaft machen. Viele Ultraläufer, sagen wir mal mittleren Alters, haben Familie mit Kindern und für manche ist es schon schwierig genug, dem Ehepartner zwei Wochen „Laufurlaub“ zu vermitteln.

Es gilt also etliche Parameter unter einen Hut zu bringen und es benötigt neben der Ausdauer, Ultraerfahrung, Trainingsumfang und Gesundheit, auch die nötige Zeit und das Geld.

René nennt es sein Lauflebenshighlight.

Die Entscheidungsfindung, ob wir das wollen, war kurz. Die Frage nach dem „warum?“ hat sich nie gestellt. Das „wie?“ nahm dann rund zwei Jahre in Anspruch.

Etappe 23, Montag, 11. Mai 82,1 km

Man verliert völlig den Überblick über Zeit und den Raum rundum. Gab's Flutkatastrophen oder ein Zugunglück? Gab's irgendwo auf der Welt Wahlen, Krieg oder Königshochzeiten? Ich weiß nicht einmal mehr, welchen Wochentag wir haben.

Meine Gedanken kreisen um den nächsten Einkauf von Obst und Benzin, um die Konzentration und die geschmackliche Zusammensetzung von Renés ISO (darf's heute lieber Himbeer oder doch besser Waldfrucht sein?) und die täglichen 3 bis 5 Päckchen Gel (Vanille? Mit oder ohne Colageschmack und Coffein? - wie kriegt man das Zeug nur runter? Ach ja, das ist ein Thema für einen der kommenden Tage :-)), um heißes Spül- oder Waschwasser und wann und wo ich die Wäsche raushängen kann.

Etappe 22, Sonntag, 10. Mai 80,5 km

Gestern Abend bin ich von einem der begleitenden Fans gefragt worden, ob René denn schwächelt, ob des soooooo großen Rückstandes auf die beiden vor ihm.  Nein, René schwächelt nicht und wenn man sich den km-Schnitt anschaut sieht man, dass nicht René langsamer, sondern Rainer und Takasumi deutlich schneller geworden sind. Der Diskussion, ob es vernünftig, sinnvoll oder durchhaltbar ist, enthalte ich mich. Ich habe nur Einblick in eines der Läuferherzen.

Zugegeben, vor drei Tagen hatte René einen „Schwächeanfall“, denn nachdem er sich etwa 20 Minuten verlaufen hatte, blieb für die zweite Streckenhälfte nicht mehr genügend Motivation für Tempo übrig. Der Tag wurde rückblickend als Erholungsetappe verbucht und am folgenden Tag sah die Welt gleich wieder anders aus. Heute rollt es auch prima. Ich bin am VP 5 und an der letzten Verpflegung waren die drei schnellen Youngsters noch zusammen.

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Etappe 21, Samstag 09. Mai 81,0 km

Den Grenzübertritt nach Deutschland markiert für uns wohl am deutlichsten das schlagartig erhöhte Interesse. Irgendwo am Weg stehen plötzlich kleine Läufergrüppchen in Vereinskleidung und begleiten „ihren persönlichen Verrückten“. An den Verpflegungsstellen stehen hin und wieder einige Anwohner und fragen scheu, was hier für ein Event stattfindet. Ob wir hier vielleicht einen Flohmarkt machen oder evtl. eine Werbeveranstaltung für ein besonderes Getränk oder einen neuen Keks. Die Reaktionen bei der Erklärung reichen von Erstaunen und Respekt, über LöcherindenBauchfragen und ihrhabtsienichtalle, bis ihrwolltmichwohlver....

Es lockert die Atmosphäre, beflügelt manchen, der mit seinem Lauffreund einige Kilometer läuft, verleitet zu höherem Tempo und lenkt ab. Auch die Zahl der Etappenläufer, die uns nur tageweise begleiten, steigt sprunghaft an, insbesondere jetzt am Wochenende.

Etappe 18, Mittwoch 6. Mai 60,1 km

sorry für die lange Auszeit! Irgendwie sind 24 Stunden pro Tag zu wenig.

René ist leicht erkältet, das macht uns zu ein wenig zu schaffen. Er hustet, schnuffelt und mag nicht schnell laufen und das, obwohl er sich grade auf diese Etappen in den Alpen so sehr gefreut hatte.

Aber es wäre vermessen anzunehmen, man käme blessurenfrei zu Fuß über den Kontinent.

Er ist auch nicht der Einzige, es hüstelt und schnäuzt auf allen Gängen. Gestern und heute sind die Turnhallen sehr klein und so ist der Weg eines Bazillus von einem Wirt zum Nachbarn nur eine Sprintdistanz.

Außerdem ist ein junger Mann von Radio MDR Sputnik hier angerückt und wird René die nächsten Tage „begleiten“, das heißt er steht schon morgens vor unserem Bus, sobald wir uns gähnend aus der Tür schleichen, fährt mit mir die Verpflegungspunkte an, rennt dort einige Meter neben René her, um sein Schnaufen aufzuzeichnen und fragt seine Befindlichkeiten ab. Es ist mal was anderes und macht Spaß. René schwatzt völlig unbefangen ins Mikro und hat dafür wieder einmal meine ungeteilte Bewunderung!

Etappe 17, Dienstag 5. Mai 63,8 km

wir sind in Österreich! Ich habe Italien ohne Beulen überlebt und fühle mich wie ein Held. Jetzt muss ich mir nur in den nächsten beiden Tagen den Fahrstil wieder abgewöhnen....

Die vergangenen beiden Tage waren für die Läufer sicherlich die bisher schönsten, viele Kilometer auf Radwegen, verkehrsfrei, Berge rundum, Übernachtungen in Kleinstädten, Supermarkt gegenüber, runners paradise.

Etappe 14, Samstag 2. Mai 69,4 km

Um neben unserer Tour die Leistungen anderer Ultraläufer nicht aus den Augen zu verlieren, waren wir heute nach der Etappe in Bergamo! Hier startete am Vormittag die Weltmeisterschaft im 24 Stunden-Lauf. Alles was laufen kann ist hier, Stelldichein der ganz Großen!

Julia Alter, Lebensgefährtin von Chris, einem der schnellen Schweizer (und bis vorgestern, bzw. ab morgen wieder) Betreuerin beim TE-FR, ist für das deutsche Nationalteam am Start.

René eilt sich heute, gewinnt und ich fange ihn direkt nach der Dusche schon ab und wir fahren nach Bergamo, um diese einmalige Atmosphäre zu erleben und eine kurze Auszeit aus dem Zigeunerlager zu genießen. Als wir dort ankommen laufen die Athleten seit rund sechs Stunden. Es ist heiß und direkt neben uns übergibt sich der führende Russe über das Absperrgitter. Da wird sich in den Platzierungen in den kommenden 18 Stunden noch einiges ändern... Doch das werden wir nicht mehr mitbekommen und eigentlich sind wir auch nur hier, um „unsere“ Läufer anzufeuern.

Wir gehen mehrere Runden entgegen der Laufrichtung und sind erstaunt, dass auch manche Läufer anderer Nationen uns, bzw. René grüßen und für die weitere Reise nach Norwegen alles Gute wünschen. Nach zwei Stunden und mehreren Eis' müssen wir leider wieder zurück, doch die Unterbrechung des immer gleichen Ablaufes tat gut! Essen gibt’s nur im Schnellimbiss und auch die heutige Massage ist eher ein Quicki, aber es war's Wert!

Übrigens: Jule wurde 5te bei den Frauen mit 219km! Und das mit dem Wissen, dass ihr Freund heute einen schweren Tag haben würde, da er verletzt am Start stand. Glückwunsch und Hochachtung zu dieser großartigen Leistung!!!

Etappe 13, Freitag 1. Mai 67,9 km

es wird schöner!

Das ist die Überschrift für die heutige Etappe. Weniger Müll im Straßengraben, weniger tote Hunde am Rand, weniger aggressive Autofahrer, weniger Gehupe, weniger LKWs (ok, es ist Feiertag), dafür mehr Landluft .

Ab der Hälfte etwa sieht man die schneebedeckten Alpen, sozusagen der Pelzrand des italienischen Stiefels. Die Bergziegen freuen sich auf die kommenden Tage!                                    

Etappe 11, Mittwoch, 29. April Lugo - Alberone 84,8 km 

Gestriger Zieleinlauf auf einem menschenleeren Marktplatz, mit anschließendem 1000Meter-Marsch durch Gassen und Park. Es sollte wohl der Versuch sein, Publikum zu gewinnen. Trotzdem war besonders Chris' Zieleinlauf sehr ergreifend, einer der schnellen Läufer, den eine Verletzung bis ganz ans Ende gezwungen hat. Die Verletzungen der Läufer werden schlimmer. Es sind inzwischen viele, die mit aufgeschnittenen Schuhen und in den verschiedensten Formen getapten Schienbeine über die Bundestrassen mehr humpeln als laufen. Von den übrigen Mehrtageslauf-Begleiterscheinungen wie Herpes, Erkältung und Magen-Darmbeschwerden sind wir bisher verschont. 

Die Verteilung der Verletzungen scheint auch sehr homogen zu sein, es trifft schnelle und langsame ebenso wie solche aus dem Mittelfeld. 

Damit in unserer Kleinfamilie wenigstens einer Probleme hat, quält mich seit 3 Tagen ein Hexenschuß und die damit verbundene unüberwindbare Entfernung zu meinen Füßen. Ich fürchte, wir geben ein recht lächerliches Bild ab, wenn René mir morgens die Socken anzieht. 

Nebenbei pflegen wir kleine Anekdoten, wie im Schlamm versinkende Betreuerfahrzeuge oder solche, die ihre Oberlichter an den Bäumen abfeilen. 

Ich muß jedoch noch sechs Tage beulenfrei überleben, bis zum Bier ausgeben!

Stunden später... 

René kam grad rein – den ersten Marathon in 3:46, den zweiten in 3:43, immerhin knapp langsamer als meine Bestzeit, tschaka!

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Etappe 9, Sonntag, 26. April Fano - Bellaria 73 km

Um zu erkennen, dass hier zwei Jungs das Rennen (bisher) ganz offensichtlich dominieren, braucht's auch vom Computer zu Hause nicht viel Phantasie. Noch viel augenfälliger wird es jedoch hier vor Ort. Gestern an der zweiten Verpflegungsstelle der 8ten Etappe, etwa bei km 15, lagen Rainer und René bereits 16 Minuten vor dem dritten Läufer der 7:00 Uhr Gruppe und an der 3ten VP bei km 36,5 waren die beiden an der kompletten 6:00 Uhr Gruppe vorbei. Das heißt, beide hatten diesen 54 Läufern bereits eine Stunde abgenommen!

Für mich allerdings wurde das dann ein recht langweiliger Tag, denn da ich die VP's anfahre, um René zu versorgen, zwischendurch immer mal anhalte, um Bilder zu machen, habe ich auf den folgenden 37 Kilometern außer den beiden niemanden mehr gesehen. 

Übrigens dürfen die persönlichen Betreuer ihren Läufer ausschließlich an den VP's verpflegen, um Gleichberechtigung gegenüber denen zu wahren, die keinen eigenen Supporter dabei haben. 

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass die gestrige Etappe auf den ersten 15 Kilometern einen dicken Berg beinhaltete.

Im Augenblick stehe ich an VP2, neunte Etappe, friere und genieße die Aussicht ins Tal, denn das ist der vermutlich letzte Berg vor Südtirol. Jetzt kommen 4 absolut flache Tage, Bundesstrasse geradeaus bis zum Horizont. Poebene. 

Etappe 7, Samstag, 25. April, 71km

Zusammenfassend ist wohl aus unserer Sicht zu sagen: alles bestens!

Äh – sagte ich bereits? Na gut, es hat sich nicht geändert. Für andere sieht es leider anders aus. Ganz anders.

Gestern ist Jürgen Wetzel schon nicht mehr angetreten und heute gibt es zwei weitere Ausfälle. Ahn ist immer noch auf der Strecke, es ist etwa 18 Uhr und er muss noch rund 20km zurücklegen. Das heißt, er ist auf jeden Fall raus. Sehr schade, ein sehr sympathischer junger Mann aus Korea, der die ersten Tage sehr entspannt wirkte und lief, als ob er ständig weit unter Niveau bleibt. Weiterhin hat Richard an Ulis Verpflegungspunkt aufgegeben. Es war sein eigener Wunsch.

Soviel zu den schlechten Nachrichten, es ist wie in einer billigen Zeitung, die hässlichen Dinge zuerst. Sorry.

Wir haben Bombenwetter! Sonne satt, euer aller Bitten hat wohl genutzt. Für die Betreuer und die Wäsche toll, für manche Läufer, insbesondere die Langsamen eher schwer und für die, die Schokolade mögen auch eher nix.

Leider kann ich mich nicht jeden Tag melden, es ist einfach viel zu viel zu tun. Vorgestern gab's eine recht bergige Etappe, da sieht man in den Ergebnissen sehr schön, wer das mag. Rainer und René vorweg, sind die beiden in einem sub 5min/km Schnitt die Hügel hoch. Einfach genial anzusehen vom Auto aus. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man sich als langsamer Läufer, beim überholt werden, in solchen Momenten fragt, ob man den Laufsport aufgeben sollte.

Gestartet wird täglich in zwei Gruppen, die tagesschnellsten 10 bis 12 Läufer starten am Folgetag um 7:00 Uhr, die anderen um 6:00. Das beginnt sich dann ab der zweiten Verpflegungsstelle üblicherweise zu vermischen, wenn die Schnellsten die Langsamsten überholen.

Wir sind hier in Italien wechselweise auf Campingplätzen oder recht engen Hallen untergebracht – gestern war's ein leer geräumtes Restaurant. Das bedeutet, unser Bus macht sich mehr als bezahlt!

Denn in der Halle müssen wir uns den wenigen Platz nicht teilen und auf dem Campingplatz müssen wir kein Zelt auf- und vor allem nicht morgens um 5:00 Uhr wieder abbauen!

Es hat sehr viele Vorteile, einer der schnellen Gruppe zu sein: zum einen hat man morgens keine Hektik wegen der Gepäckabgabe, doch viel wichtiger ist, dass man sich nach sechs Uhr die Waschräume nur noch mit 10 anderen teilt. Außerdem liebt René es, im Verlauf des Tages all die anderen einzuholen und mit jedem zwei Takte zu scherzen.

Mir selbst ist es natürlich auch lieb, einen soooo schnellen Läufer zu betreuen, das macht den Nachmittag länger, die Freizeitplanung besser. Während der kurzen Etappen massiere ich René bis zu 2 Stunden, heute fiel's etwas kürzer aus.

Ach ja, habe ich eigentlich schon mal betont, dass ich sehr stolz auf mein Renntier bin? Falls nein, ich bin es, und wie!

Etappe 4, Mittwoch, 22. April, 62km

Zusammenfassend ist wohl aus unserer Sicht zu sagen: alles bestens!

René freut sich ein Loch ins Shirt, dass endlich mal in paar Hügelchen kamen. Und da kann, darf und will ich ihn auch nicht bremsen. Wenn's einen Berg gibt, dann strahlt mein Süßer.

Vielleicht kann man noch ein Wort über's Wetter verlieren, es ist ein wichtiger Punkt für alle Läufer. Kühl (leicht unerwartet für mich) sehr windig und Nieselregen. René (und vermutlich die meisten anderen auch), empfinden das als sehr angenehm. Etwas weniger angenehm leider für die Betreuer, die nicht nur frösteln, sondern denen auch alles vom Tisch weht. Leeren Flaschen nachlaufen und Kekse, die's vom Tisch weht und somit Straßenhunde anzieht, machen zusätzliche Mühe.

Auch der nächtliche Regen ist zwar nicht störend, aber die Wäsche will leider nicht trocknen und wir haben keine 64 Paar Socken....

Soweit ich bisher mitbekommen habe, sind auch alle anderen noch guten Mutes, keine Ausfälle, ein paar Bläschen hier und da und geringe Shin Splint Ansätze bei wenigen. Die komplette Truppe ist gut drauf. Ob's dem Bier zu schulden ist? Gestern hatten wir drei Geburtstage, heute einen – soviel kann ja kein Betreuer trinken.

Was mich persönlich etwas erstaunt ist die Tatsache, dass ich eigentlich überhaupt keine Zeit habe. Ich bin den ganzen Tag vollauf beschäftigt. Erwartet hätte ich deutlich mehr Leerlauf, aber eigentlich sind die Tage viel zu kurz und ich betreue ja einen schnellen Läufer! Wieviel schwieriger muss das erst für die langsameren sein!

4:30 wecken, anziehen, 5:00 Frühstück – dabei schon große Eile, denn die ersten Körbe der Verpflegungsposten sind schon gleich fort und ich muss doch die Flaschen noch anrühren und dort abgeben. Dann bleibt etwas mehr Zeit, da René ja erst um 7:00 Uhr startet, somit genügt die eine Stunde für waschen, Toilette, spülen und Auto aufräumen. Fahrt zur ersten Verpflegung, unterwegs fotografieren, René die Flasche anreichen, evtl. Jacke abnehmen – selbst zwei bis drei Kilometer joggen, umziehen. Fahrt zum zweiten CP, Pulli wieder aus, joggen, fotografieren, René die Flasche wechseln. Dazwischen schwatzen, zweites Frühstück, dann dritter VP, gleiches Spiel. Tanken, einkaufen, VP4 auslassen, Rennverlauf beobachten, immer wieder fotografieren, 5ter VP und Spurt ins Ziel. Parkplatz suchen, Jacke für René, Kamera – JUCHU!

Duschen, Wäsche waschen, Wäsche aufhängen falls möglich, René ausgiebig massieren :-) jaaaaa, das hat er verdient!!! und ich auch! Steckdose für Kocher suchen, Kartoffelpüree und Basica anrühren, Obst schälen, quatschen, quatschen... Tag erzählen und erzählen lassen...

Demnächst mehr, jetzt gibt’s nämlich Abendbrot!

Fotos Etappe 3

Etappe 2, Montag, 20. April, Barletta - Foggia, 68km

Sagte ich gestern zurückhalten?

Da es heute regnet und mir so spontan die Lust zum Laufen nicht kommen will, stehe ich hier am CP6 bei km 55. Marianne und Brigitte bauen grade sorgfältig ihren Verpflegungsstand auf, auch das wäre bei Sonnenschein angenehmer.

Am ersten CP habe ich die schnelle Truppe, die um 7:00 Uhr gestartet ist, abgewartet und mein Hüpper ist schon wieder allen voraus. Wie war das mit dem Esel und dem Eis noch mal?

Apropos Eis, mmhhh Italien. Auf der Strecke weniger, doch beim Eis essen schenken sich Rainer und René nix.

Ausfälle gibt’s bisher keine und was ich bisher so erfragt und beobachtet habe, scheint es allen gut zu gehen. Viele lassen es sehr gemütlich angehen, fotografieren unterwegs, insbesondere bei den vielen Fischern gestern alles Mögliche an schwimmendem Getier. Nein, von mir gibt’s solche Mordbilder nicht. Ich knipse lieber alles, was sich selbstständig noch bewegt.

Eine klitzekleine Korrektur vielleicht noch zur Startaufstellung: no. 49, Byeung Sik Ahn stand ursprünglich fälschlicherweise bei den Damen – tja, würde er Theo heißen, oder wenigstens Christian oder Klaus... ich glaube, er nahm's gelassen.

Zieleinlauf: René diesmal vor Robert und Rainer, Christian und Takasumi. Die Mädels haben sich heute aufgedröselt und alle Stufen gefüllt: Hiroko vor Ria und Elke.

Und: nein, es wird nicht so bleiben, ich werde René ganz inständig bitten, sich ein kleines bißchen zurückzunehmen. Er sitzt grad neben mir und rollt beim Mitlesen die Augen.

Informationen: TransEurope-FootRace (TE-FR 09)
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Etappe 1, Sonntag, 19. April, Bari – Barletta, 57km

Ok, ich gebe zu, ich war noch nie in Italien. Jedenfalls nicht südlicher als Bozen und das ist Südtirol. Es fällt mir schwer zu glauben, dass Neapel auf der anderen Seite und noch weit weg ist. Man sagt, dort würde fürchterlich gefahren... dort? Nur dort?

Heute früh am Start habe ich die Läufer glühend beneidet und etwa für 20 Kilometer hielt dieses Gefühl auch an. Dass es sich geändert hat, ist gewiss weder Wetter, noch Blasen oder anderem körperlichen Unbill geschuldet. Den Verkehr als chaotisch zu beschreiben wäre nicht nur untertrieben, sondern nahezu lächerlich. Alle 5 Kilometer, die ich beulenfrei überlebe, habe ich das dringende Bedürfnis einen auszugeben.

In den Städten holt mich nahezu die komplette Karawane ein und in den wenigen Zwischenstücken versuche ich, die Läufer wieder zu photofangen. Hätte ich weniger Gepäck, würde ich auf Vespa umrüsten, es ist tatsächlich das schnellste Fortbewegungsmittel.

Hatte ich schon gesagt, dass es Spaß macht? Und wie! Ich wünschte, die Etappe wäre nicht so kurz, so dass ich ständig hin und her fahren könnte. Vom Auto aus ist es spannend die Führungswechsel zu beobachten, die Gesichter der Läufer, die Anspannung, Anstrengung, die Freude.

Die Orientierung gelingt eins A, die kleinen orangefarbenen Pfeile kleben vorbildlich an jeder Kreuzung und sind auch vom Auto aus prima zu sehen. Somit stellt sich das schicke Falk als die bisher unnötigste Anschaffung heraus. Bisher - es ist schon eine unglaubliche Vorstellung, dass Joachim, unser Radlmarkierer und Streckenplaner 35.000 Sticker bis zum Nordkap verpappen will.

Zurück zum Renngeschehen:

Sollte ich andeuten, dass ich ganz schrecklich stolz auf mein Renntier bin oder sollte ich lieber die Luft anhalten, dass er nicht übermütig wird? Einen „Durchmarsch“ wie beim Transe Gaule wird’s hier nicht geben, dazu ist die Strecke zu lang und die anderen zu gut! Aber das weiß er selbst und wird sich (vielleicht? hoffentlich?) morgen ein klein wenig zurückhalten.

Zieleinlauf: René vor Rainer und Robert, Stephane und Christian. Die Mädels machen das Podest ganz oben voll und sparen sich die kleinen Stufen. Hiroko, Ria und Elke kamen zusammen ins Ziel.

 

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