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Laufberichte

E.T. Full Moon Marathon: Ultra der außerirdischen Art

27.08.11

Dann kam die einzige Abzweigung, die State Road 375 ging nach links weg und wir fuhren ab jetzt also auf dem Extraterrestrial Highway. Wenige Meilen ging es nach Westen und dann weiter Richtung Nordwesten. Knapp 100 Meilen (160 km) war dieser Highway lang, aber bereits nach 20 Meilen (32 km) waren wir am Ziel, genauer im Startbereich.

Es war kurz vor 22 Uhr, in zwei Stunden erst war Start. Ein paar wenige „leuchtende“ Teilnehmer aber waren schon da. Leuchten taten natürlich nicht die Läufer, sondern der Ring, den sie um den Hals trugen. Jeder Teilnehmer des Laufes bekam im Startbereich einen grün leuchtenden Stab, den man um den Hals trug. Wir zogen uns um und gesellten uns ebenfalls zu den erleuchteten Gestalten.

Außer einem Verpflegungstisch mit Helfern, einem Wagen mit Sprecher und Lautsprecher davor, elf Dixi-Häuschen und einem weißen Briefkasten (Mailbox) war nichts im Startbereich, und auch im Umkreis von mehr als 100 Meilen war nur Wüste, die weit (20 Meilen) hinter den Bergen liegenden Area 51 und eine 32 km entfernten Ansammlung von ein paar elenden Hütten, Rachel, unser Zielort. Warum war also gerade hier im Nirgendwo der Startbereich? Ganz einfach – des Briefkastens wegen! Das ist nämlich nicht nur ein einfacher Briefkasten (Mailbox), sondern der berühmteste Briefkasten der Welt, die „Black Mailbox“, heute nicht mehr black, sondern weiß, aber immer noch weltberühmt.

 

Black Mailbox


Und das kam so: Genau hier zweigt eine Schotterstraße zur weit im militärischen Sperrgebiet liegenden Ranch des Farmers Medlin ab, dem einzigen Anwohner im Sperrgebiet und nahe Area 51. Da die Post in den USA abgelegene Häuser nicht beliefert, stellen die Bewohner ihre Briefkästen immer an den Highway, auf dem der „Postbote“ vorbeifährt, oft viele Meilen weg vom Anwesen. Hier war das also der Extraterrestrial Highway, auf dem der Postbote fuhr. Weil dieser Briefkasten weit und breit das einzige Merkmal in der trostlosen Wüstenlandschaft war und die Area 51 nicht weit ab lag, wurde genau diese Kreuzung zum Treffpunkt von UFO-Enthusiasten und Konspirologen.

Die aber schreckten offensichtlich vor nichts zurück, öffneten immer wieder auch die Post, die im Briefkasten lag – es könnte ja ein interessanter Brief an das Militär in Area 51 drin sein – und manche schossen gar auf den Kasten. Irgendwann ersetzte daher der Farmer seinen ursprünglich ganz konventionellen, schwarzen Briefkasten durch einen schussfesten aus 5mm starkem Stahlblech, gesichert durch ein Vorhängeschloss und strich ihn weiß an.

Wir standen also, mit zunehmend mehr Läuferinnen und Läufern, hier bei der „Black Mailbox“ und erfreuten uns an dem jetzt schon ziemlich bunten Treiben. Bald auch kamen die Busse, die die Läufer aus Las Vegas hier her brachten und meine drei „Miturlauber“ die die 10 km liefen, waren inzwischen weiter zu Ihrem Startbereich gefahren.

Die Temperatur lag wie erwartet bei etwa 23 Grad, immer noch waren Wolken am Himmel, zunehmend aber schaute der Mond heraus und bald hatte der warme Wind alle Wolken vertrieben und der helle Vollmond tauchte die Umgebung in ein feines Licht  - die passende Alien-Stimmung.

Noch aber dominierten die bunt leuchtenden Läuferinnen und Läufer um uns herum. Bei diesem Lauf ist es Tradition, dass man sich dem Motto „Alien“ entsprechend kleidet und viele sind dem nachgekommen und haben sich mehr oder weniger phantasievoll geschmückt. Es war schon eine eigentümliche Atmosphäre hier in der einsamen Wüste. Ein bunter, leuchtender Haufen, alles redete erwartungsfroh durcheinander, gedämpfte Musik kam aus der Lautsprecheranlage, nicht dröhnend laut wie so oft bei unseren Läufen in Europa und ab und an informierte der Sprecher über den weiteren Ablauf.


Warten ...


Irgendwann wurde mir bewusst, dass hier nicht nur Marathon- und Ultraläufer standen. Auch die Halbmarathonis und 10-km-Läufer, die mit den Bussen gekommen waren, tummelten sich hier. Sie würden uns um Mitternacht auf unseren langen Weg verabschieden und dann mit den Bussen weiter zu ihrem jeweiligen Startbereich fahren: Die Halbmarathonis starteten eine halbe Stunde später sieben Meilen (11 km) weiter und die 10-km-Teilnehmer eine Stunde und 20 Meilen (32 km) weiter.

Und dann endlich kam Joyce, die Organisatorin. Sie hatte sich etwas verspätet, weil sie ein paar Busse wieder zurück auf den richtigen Weg hierher führen musste, hatten die sich doch tatsächlich verfahren, trotz Plan und Navigationsgerät. Wie man sich in einer Gegend verfahren kann, wo es im Umkreis von 100 Meilen genau zwei Asphalt-Straßen mit einer Kreuzung gab, war mir schleierhaft. Aber wir waren eben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und da schafft man auch das.

Mit 10 Minuten Verspätung schickte uns Joyce dann auf die Strecke, ganz unspektakulär, ohne Startschuss. Langsam setzten sich die etwa 250 Marathonis und Ultras (175+75) in Bewegung. Noch beleuchteten die Busse die Szenerie, setzten sich aber bald in Bewegung, passierten das Feld und kurz danach lief man in stiller,  in mondbeschienener, geheimnisvoller Landschaft. Leider vermögen die Bilder nicht darstellen, wie hell es war, welch angenehmes Licht der Mond in der kargen Landschaft verbreitete. Die vorgeschriebene Lampe konnte ausgeschaltet bleiben.


Start


Auf den ersten 10 oder 11 Meilen verlief die Straße kerzengerade, beidseitig begrenzt durch einen weißen Randstreifen, noch ein paar Zentimeter Asphalt und dann Schotter. Auflage war, dass man links vom Randstreifen laufen sollte. Als Grund wurde angegeben, dass das eine öffentliche Straße sei, auf der auch Verkehr wäre. Nun, kein Mensch hielt sich daran! Warum auch? Es war Mitternacht, eine Straße im Nirgendwo mitten in der Wüste, wer sollte da auch schon fahren. In der Tat kamen während des ganzen Laufes keine 10 Fahrzeuge an uns vorbei und vermutlich waren die meisten davon auch noch Angehörige.

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