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Laufberichte

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Es geht nun auch für mich wieder in westliche Richtung. Ich laufe hinter einem Tiroler Pärchen, er trägt ein Shirt des Dublin Marathons 2015 und eine graue Startnummer (sub 4h), sie eine grüne wie ich. Ihr Tempo liegt bei 6:30 min/km, eine Zeit, die für knapp unter 2:15 auf der Halbdistanz ausreicht. Ins Gespräch kommen wir nicht, vielleicht halten sie mich wegen der M4Y-Shirts für einen Deutschen, der ihren Dialekt schwer versteht. Die Uhr zeigt 1:27 für 15 Kilometer, das passt schon, obwohl die 4:30er inzwischen mehr als 3 Minuten vorne sind.

Die 15 km-Labe befindet sich noch im Parkareal, hier stehen auch Zuschauer. Endlich höre ich die bei italienischen Marathons üblichen Anfeuerungsrufe: „Dai, dai“, „bravi, bravi“ und sogar von einer älteren Dame ein „corri bellissimi“. Ob sie auch mich zu den Schönsten aller Schönen zählt?

Jetzt jetzt kommen von hinten langsam die Ausdauernden heran, während die Tiroler neben mir nicht mehr so spritzig wirken und offenbar mit ihren Kräften haushalten. Ich überhole sie, bevor wir aus dem Park draußen sind. Der Marathonkurs führt nun in Richtung Arno nach Süden, unter einer Eisenbahnbrücke durch. Im Gegensatz zur ersten Unterführung beim Hauptbahnhof am Beginn des Marathons, die alle mit Bravour meisterten, schaffen nach ca. 16 Kilometern nun einige nur mehr im Gehtempo den Anstieg auf die Ponte della Vittoria, die nach der Piazza Vittorio Veneto, wo zahlreiche Zuschauer stehen und applaudieren, über den Arno führt.

Von der Mitte der Brücke hat man „una bella vista“ auf die Umgebung links und rechts des mehr als 10 Meter tiefer liegendes Flussbettes, das von dicken Mauern gesäumt wird (und so nicht dem Ruf „Zurück zur Natur“ bei der Wasserregulierung gerecht wird). Der Arno ist mit 241 Kilometern Länge der größte Wasserarm in der Toskana. Er fließt bei Marina di Pisa ins Tyrrhenische Meer. Der Pisa-Marathon findet heuer am 20. Dezember statt. Mal sehen, ob meine Flaschenpost von einem aufmerksamen Angler inzwischen an Land gezogen sein wird.

Der Kurs führt nun auf der anderen Seite des Arno parallel zum Fluss entlang der Via Giovanni Antonio Sogliani und weiteren Straßenabschnitten mit klangvollen italienischen Bezeichnungen. Plötzlich taucht das Tiroler Pärchen vor mir wieder auf, sie dürften mich irgendwo nach Kilometer 15 wieder überholt haben. Obwohl es an zwei Brücken, der Ponte A. Vespucci und der Ponte alla Carraia vorbei flussaufwärts geht, kommt es mir vor, als verlaufe das Gefälle in die andere Richtung, denn ich kann etwas Tempo zulegen.

Der Marathonkurs schwenkt nun um 90 Grad nach Süden. Er führt durch die enge Via di Seragli bis zum berühmten hölzernen Stadttor Porta Romana, früher ein Teil der Ringmauer um Florenz. Der Untergrund für empfindliche Füße (trotz dicker Laufsohle) ist hier längst nicht so schlimm wie auf einigen Abschnitten in der Altstadt, die erst in 2 ½ Stunden auf mich zukommen werden. Jetzt sind ca. 18 Kilometer erreicht. Es geht vor der Porta Romana im spitzen Winkel auf der ebenfalls engen via Romana vorbei an den wegen der Verbauung mit Wohnhäusern nicht einsehbaren Boboli-Gärten, die mit 4,5 ha eine der größten und imposantesten Gartenanlagen Italiens sind und auf die Zeit Mitte des 16. Jahrhunderts zurückgehen. Allerdings kann man die zahlreichen Brunnen, Skulpturen und dgl. nur bewundern, wenn man einen Eintritt (wie fast überall in der Architektur, Kunst- und Kulturmetropole Florenz) bezahlt hat. 

Die Tiroler lassen nicht locker. Vielleicht bilde ich mir auch nur ein, dass sie mich als Dauerbegleiter längst wahrgenommen haben. Wir laufen am Palazzo Pitti vorbei, der zu den Attraktionen von Florenz zählt. Heute befinden sich in den Gemäuern mehrere Museen mit bedeutenden Gemälden der großen, zumeist italienischen Meister der Renaissance und des Barock.

Man muss sich fragen, ob bei einem Marathonlauf jemand (außer vielleicht ein Kulturfreak oder ein beflissener, laufender Reporter) an Kunst und Architektur denkt, wenn er an den Prachtbauten in Florenz vorbeikommt. Es ist natürlich auch eine Frage der Kondition und Vorbereitung – wer in einer Sechserzeit den Marathon abspult und in knapp über 4 Stunden finisht, hat Reserven und kann sich auch geistig dem Rundherum-Geschehen widmen. M4Y-Autoren verbinden den Laufsport mit Sightseeing, das ist fast ein Credo.

Wir nähern uns nun zum ersten Mal der Ponte Vecchio, doch wir werden erst drei Kilometer vor Ende des Marathons drüber laufen. Jetzt zweigt der Kurs nach Osten ab und verläuft wieder entlang der Südseite des Arno. Zu meiner Rechten befindet sich die Chiesa Lutheraner, die ich heute vor dem Start noch kurz fotografiert habe. Es wäre wünschenswert, dass im streng katholischen Italien diese Kirche von der Stadtverwaltung und ihrer Glaubensgemeinschaft vor dem Verfall bewahrt wird.
Die Marathonstrecke führt nun weiter am südlichen Ufer des Arno entlang. Die 20 km-Anzeige befindet sich unweit der Ponte alle Grazie, meine Uhr zeigt 2:08:15 Stunden an, die Halbdistanz ist unter 2:15 noch zu schaffen. Ich bleibe kurz stehen und knipse die sonnenerstrahlte Seite der Altstadt von Florenz mit ihren schönen Fassaden. Vier Japaner lehnen an der Ufermauer und versuchen zeichnerisch die Eindrücke festzuhalten.

Nach der Labe geht es weiter auf der Ponte San Nicolo über den Arno, unweit davon sind die roten Kleider-LKWs geparkt. Inmitten einer Pinienallee erreichen wir auf Höhe der Querstraße via Orcagna die Halbmarathondistanz, die ich knapp über 2:14 Stunden netto passiere. Nur einen Kilometer weiter ist die Marathonstrecke unterbunden, wir werden auf den Gehsteig umgeleitet. Eine auf der Straße liegende Person wird mit einer Plane abgeschirmt und dahinter von Rettungskräften betreut. Davor steht eine Frau und weint. In solchen Momenten ist man betroffen, denn nach Kainach und Vilnius wäre das für mich heuer schon der dritte Zusammenbruch, der hoffentlich in Florenz nicht wie die beiden anderen letal ausgeht.

Bei Kilometer 22 ½ werden uns wieder Schwämme zur Kühlung angeboten, doch bisher habe ich diesen Service noch nicht beansprucht. Die Lufttemperatur mag vielleicht gefühlte 12 Grad erreicht haben. Aber nur an sonnigen Plätzen, in den Gassen spürt man die Herbstkühle deutlicher.

Der Kurs zweigt nun nach Norden zunächst in eine Vorstadt nahe des Campo di Marte ab, wo ich gestern am frühen Abend die Startunterlagen ausfasste. Ich spüre aus unerklärlichen Gründen einen gewissen Kräfteverschleiß, obwohl ich bisher kontrolliert gelaufen bin. Als ich endlich die 25 Kilometer-Anzeige nach 2:39 Stunden auf meiner Uhr erreiche, gönne ich mir eine Gehpause und zwei Linzeraugen a la preparazione fiorentina. 

 
 

Informationen: Firenze Marathon
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