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Laufberichte

Die Brücke bei den Eschen

 
Autor: Joe Kelbel

“Außerhalb 7” ist die Adresse des TSV Eschollbrücken und unser Startort.

“Außerhalb” bezeichnet ein komplexes Entwässerungs-Schutz-und Bewässerungssystem, welches nicht dem nahen Rhein gilt, sondern dem 50 km  südlich mündenden Nekar, denn Eschollbrücken liegt in einer 2000 Jahre alten Neckarschleife, dessen Wasser seinen alten Weg nicht vergisst, und wie damals 50 km nördlicher bei Trebur münden will.

Wem das zu verwirrend ist, der kann auf dem Satelittenbild den alten Flusslauf sofort erkennen und auch noch die Umrisse einer großen Burg. Es ist die Wasserburg der Herren von Eschollbrücken (12. Jahr.), die die „Brücke bei den Eschen”, die schon zur Römerzeit existierte, bewachten.

Hier müssen die Germanen bei ihren Raubzügen ins fränkische Reich den Neckar überquert haben. Bestimmt haben sie reichlich Gold dabei verloren. Einige Schätze hat man schon gefunden, die gehören aber der “Frau vom Sand”, die hier beim Sandbach in einem Hügelgrab gefunden wurde. Die 3600 Jahre alte Dame liegt nun im Museum in Crumstadt in einem gläsernen Sarg, wie Schneewittchen.

Der Sandbach ist der untere Teil des alten Mäanders des Neckars, der obere ist der Schwarzbach, den wir heute 10mal sehen werden, denn der 50 km Lauf ist ein Rundkurs von 5 km Länge.

Start, Ziel und das Veranstaltungszentrum sind beim Sportplatz Eschollbrücken. Dort bezahlt man die Startunterlagen und erhält dazu traditionell ein Duschgel und eine Tafel Schokolade. Die Zeitmessung erfolgt auch traditionell, also per Hand mit elektronischer Unterstützung. An der Startlinie gibt es ein schnelles Frühstück und ein Interview für den Bayerischen Rundfunk, dann schickt uns Manfred auf die Strecke.

Bei km 1 sind wir schon auf dem windigen, eisigkalten Hochwasserdamm, der den Schwarzbach und früheren Neckar bändigt. Hier in Eschollbrücken dreht sich alles um die Bewirtschaftung von Grundwasser. Gerade der Anstieg des Grundwassers in den letzten Jahren hat Millionenschäden an Grund und Boden hervorgerufen. Mit automatischen Wasserschranken versucht man Spargelfelder und Keller trockenzuhalten.

Bei km 2 kommen wir in ein gegenteiliges Gebiet: Unter den Beton-und Metalldeckel an unserer Laufstrecke verbirgt sich ein komplexes Infiltrationssystem, welches  gereinigtes Rheinwasser über das Erdreich ins Grundwasser leitet. Die sandige Erde bindet so das Wasser für trockenere Zeiten. Was wir auf unserem Weg durch das hessische Ried sehen, sind sogenannte Schluckbrunnen (dazu sage ich nichts), Sickerbohrungen und Sickerschlitzgräben, gekennzeichnet durch kleine gelbe Schildchen mit einem “S”.

Das hessische Ried ist der nördliche Teil des Bruchsystems des Oberrheingrabens. Vor 53 Millionen Jahren entstanden, füllen nun Sand, Ton und Kies diesen Bruch mit einer Dicke von 3,5 Kilometern. In dem Kies, links von der A67, fand man 1984 die Reste eines Waldelefanten aus der Zwischeneiszeit (vor 80.000 Jahren). In der Zwischeneiszeit war es also im Gegensatz zu heute schön warm und grün. Unter den abgedeckten Spargelfeldern regt sich in diesem Jahr noch kein Spross. Auch nicht im Wald, den wir auf dem Trail durchqueren. Und am Friedhof tut sich erst recht nichts mehr.

Nur am löchrigen Sportplatz gibt es Hinweise auf unterirdisches Leben. Mit weißen, im kalten Wind knatternden Bändern, ist er überspannt. Hin und her geht es hier, um die fehlenden Meter der Runde auszugleichen und um auf exakt 5 km zu kommen. Man bekommt von den zahllosen Helfern die Rundenzahl zugerufen, hechtet zum eigenen oder zum allgemeinen Versorgungstisch und begibt sich auf die nächste Tour.

Gerhart macht gute Stimmung mit seinen Steppeinlagen, er kennt nicht nur jeden Läufer beim Namen, sondern kann auch das entsorgte Leergut zuordnen: “Jooee, liegt dein Leergut wie letztes Jahr wieder oben, auf der Bank?”

Um 11 Uhr starten die 25 km-Läufer und bringen wieder ein wenig Leben auf den Deich. Sogar die Frühlingssonne lässt sich blicken. Viele Ultraläufer beenden trotzdem nach 6 oder 7 Runden ihren als Training gedachten Lauf.

Der Eschollbrücker 50er ist ein großer Lauf auf kleiner Strecke, der einen auch mal in eine Selbstvergessenheit entlässt und somit für einen entspannten Lauf auf geschichtsträchtigen Orten sorgt.

Was wäre, wenn Hagen von Tronje auf der Brücke bei den Eschen stand, und den Schatz der Nibelungen irrtümlicherweise im Neckar statt im Rhein versenkte?

Vielleicht kann ich dazu im nächsten Jahr was sagen.

 

Fotogalerie von Klaus

 

 

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