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Laufberichte

Marathon in der Pfalz - Gott erhalt's

14.09.08

„Stell dir vor es ist Marathon und keiner geht hin…“ 

Frei nach Carl Sandburg wandte sich Klaus mit diesen Worten an die m4y-Autorenschaft, als er feststellte, dass am zweiten Wochenende im September sechs Marathonveranstaltungen ohne laufende Berichterstatter geblieben sind. Da schon andere Größen dieses Zitat zu“b“rechtgebogen haben und Not am m4y-Portal war, fühlte ich mich angesprochen. Und so anonym wie der Verfasser des Zusatzes „..dann kommt er zu dir“ zu obigem Zitat ist, so unwahr ist die Behauptung, dass in diesem Fall das Genannte dann zu dir kommt.  Also, statt zu Hause zu warten bis einer vor der Türe stattfindet, gebe ich Klaus Bescheid, dass ich den nächstgelegenen, mir zudem noch nicht bekannten Marathon gerne übernehme. Wobei die Definition von nahe in diesem Falle 300km Wegstrecke ist.

Ich breche also frühmorgens auf, was durchaus noch früher hätte sein können, doch der Start ist erst um 10.30Uhr. Der Weg ist mir auf den ersten zwei Stunden Fahrt bestens bekannt, bereits im Frühjahr war ich in diese Richtung unterwegs, damals an die Weinstraße. Heute führt mich mein marathonistischer Feldzug etwas weiter südwestlich. Diesmal will ich es mir nicht wie die Römer in der deutschen Toskana unter blühenden Mandelbäumen bei einem Riesling-Schwamm gut gehen lassen, heute will ich mich durch den Dschungel der Südpfalz kämpfen. Die Expedition führt nach Pirmasens, von wo aus der Pfälzerwald erobert sein will.

Hinter Landau bekomme ich einen ersten Eindruck von dem Landschaftsbild und vom Wetter, das mich heute in Variationen begleiten wird: Wald, Sandsteinfels und ein freundlich sonniger Himmel mit ein paar Wolken, die daran erinnern, dass die Nordic Walker am Vortag sich nicht nur durch den Dschungel, sondern auch durch die Sintflut kämpfen mussten.

Eingangs der Stadt weist mir eine eher diskrete Ausschilderung den Weg zum Parkplatz bei der Messe für die Teilnehmer. Vom Auto aus bin ich in wenigen Schritten beim Eingang des Messegebäudes, wo die Infrastruktur für vor und nach dem Lauf kompakt zusammengefasst ist.


Gegen Vorlage der E-Mail-Bestätigung erhalte ich im Foyer flugs die Startnummer und etwas Printmaterial. Nach und nach treffen auch noch Nachmelder ein, womit sich das Startfeld von 136 Gemeldeten um 30 vergrößert.

Wer noch nicht wach ist oder noch einen letzten Schub Kohlenhydrate braucht, kann in der Halle nebenan, wo wir später ins Ziel einlaufen werden, noch Kaffe und Kuchen kaufen. Auf der anderen Seite des Foyers ist eine Sporthalle, in welcher die Gepäckaufbewahrung eingerichtet ist und wo uns die Garderoben zur Verfügung stehen. Toiletten gibt es genügend und wer vor dem Lauf noch ein paar zusätzliche Höhenmeter sammeln will, kann sich im untersten Geschoss sogar den Luxus leisten, die Qual der Wahl zu haben, so viele freie Kabinen gibt es dort. Es ist alles so nah beieinander, dass ich mir überlegen muss, wie ich die verbleibende Zeit bis zum Start noch verbringen soll.

Dieser findet auf dem Exerzierplatz statt, der eine dem Anlass angemessene Kulisse bietet. Für die Veranstalter bedeuten die 300 Meter Distanz zum Wettkampfzentrum wegen der notwendigen Straßensperrung sicher einen nicht unerheblichen Mehraufwand, sorgen aber für  einen Auftakt mit Ambiente.

Der Countdown zu einer La-Ola-Welle, welche die Stimmung im Läuferfeld kurz vor dem Start zeigen soll, führt zu einem vorschnellen Schuss aus der Startpistole. Dass dies ein Schuss in den Ofen war, wird dann glücklicherweise allen zu früh Gestarteten nach einigen Metern klar und sie kehren zurück.

Trotz diesem Missgeschick kann kurz darauf pünktlich zur vorgesehenen Zeit die hungrige Meute auf die Jagd nach einer schnellen Zeit, einem sportlichen Gemeinschaftserlebnis oder der Eroberung einer neuen Strecke geschickt werden.  Zu der Meute gehören auch die 60 Staffelläufer und die 330 Teilnehmer, die sich die halbe Distanz ohne die zwei Zusatzschleifen vornehmen.

Die ersten Kilometer auf der Straße führen zu einer guten Verteilung und beim Wechsel auf den Naturpfad ist das Feld sortiert. Die ersten Meter hier geben einen Eindruck vom heutigen Zustand der Waldwege nach dem samstäglichen Starkregen. Nichts für sonntägliche Lackschuhe oder Leute, die ihre Kilometer auf dem Laufband im Fitnessstudio absolvieren, weil ihre teuren Treter sonst an Stil und Eleganz einbüßen könnten. Aber auch nichts, was nur einem gestählten Ramo zugemutet werden darf. Ein Waldmarathon eben.


Gefälle, Steigungen, Wald in den verschiedensten Formen, Lichtungen und Waldränder bleiben nun für die nächsten 30 Kilometer unsere Begleiter. Auf dem Weg zum zweiten Verpflegungsposten kommen wir am St. Parmas Stein vorbei, über dessen Geschichte und Bedeutung ich bei den Mitläufern leider nichts in Erfahrung bringen kann, außer dass ich ihn als solchen richtig identifiziert habe.  Dass beim Verpflegungsposten auch der erste Staffelwechsel stattfindet, ist schon von Weitem zu hören. Dass ich nicht mit wehenden Fahnen durch den Zuschauer- und Staffelläuferspalier presche, sondern stehen bleibe und fotografiere, trägt mir ein paar fragende Blicke ein.

Ab hier sind die Langdistanzler für die nächsten zehn Kilometer unter sich. Diese Strecke entspricht dem Volkslauf rund um den Arius, den der Mitveranstalter PSV Pirmasens jeweils Ende Oktober ausrichtet. Wer auf einem knappen Viertel der Gesamtstrecke einen Eindruck vom Marathon erhalten will, hat bei dieser Veranstaltung die Möglichkeit dazu und anschließend noch über zehn Monate Zeit, sich auf die lange Distanz vorzubereiten.

Nach kurzer Zeit stoße ich auf diesem Abschnitt auf einen anderen mit Kamera bewaffneten Läufer. Mit Stefan Uedelhoven komme ich ins Gespräch und bleibe es bis er kurz vor dem Ziel, wo ich etwas Tempo rausnehme. In einen regen Gedankenaustausch und das Genießen der Natur versunken merke ich kaum, wie die Kilometer an uns vorbeifliegen. Ich gehe auf in meiner Leidenschaft für das Laufen – und als ich merke, dass wir viel schneller unterwegs sind als in meinen Plänen vorgesehen, hoffe ich, dass ich deswegen in zwei Wochen in Berlin nicht eingehe.


Bei unserer Rückkehr zum Beckenhof nach dieser Schleife ist es dort bedeutend stiller, denn der nächste Staffelwechsel mit dazugehörender Stimmung findet erst beim Hombrunnerhof statt, etwa in der Hälfte der Strecke. Hier wird für eine Weile auch wieder auf Asphalt gelaufen, was mir ganz ungewohnt vorkommt.

Die Verpflegung beim Tierheim Sommerwald muss mit der Bewältigung eines herzhaften Anstiegs verdient werden. Für uns ist es der Stand geradeaus, die Halbmarathonis bogen links ab und bedienten sich an dem Tisch, an welchem wir uns später für die letzten gut vier Kilometer stärken können. Die freundlichen Helfer legen mir nahe zu laufen statt zu fotografieren. Offenbar sind wir die ersten, die hier vorbeikommen und den Eindruck machen, dass eine schnelle Zeit nicht alles ist, was einen Marathon zu einem persönlichen Erfolgserlebnis werden lässt. Diese Irritation nehme ich zum Anlass, erst recht stehen zu bleiben, zu flachsen und ein Bild zu schießen. Stefan lichtet mich mit einem der ehrenamtlichen Helfer ab, ohne deren engagiertes Mittun solche Veranstaltungen nicht möglich wären. Bei all dem Reden, Lachen und Fotografieren, lasse ich es mir auch schmecken. Mit dem Vorsatz, es heute etwas gemütlicher zu nehmen, habe ich weder Getränk noch Gel oder Riegel bei mir, sondern verlasse mich auf die angebotene Verpflegung und bin damit bestens versorgt.

Auch die zweite Schlaufe ist Natur pur, bei dem heutigen Wetter und der angenehmen, für mich perfekten Temperatur einfach traumhaft.  Die Stimmung stimmt und noch mehr Stimmung gibt es  bei Rodalben, wo die letzte Ablösung der Staffeln wartet.  Etwas weiter, es sind schon gut zwei Kilometer jenseits der Dreißigermarke, treffen wir auf Burkhard Wilmers mit der Startnummer 124, der heute seinen ersten Marathon läuft und gut auf Kurs zu seiner angestrebten Zeit ist.

Nach dem nächsten Verpflegungsposten wartet hinter einer Biegung ein langgezogener Anstieg, denn es fehlen noch einige Höhenmeter, bevor die versprochenen – 660 an der Zahl – bezwungen sind. Wieder beim Verpflegungsposten angekommen, lasse ich Stefan für einen Moment etwas zurück. Während er die Spuren seines Sturzes abwäscht, ziehe ich mit gedrosseltem Tempo weiter und bin nicht überrascht, dass er nach kurzer Zeit wieder zu mir aufschließt. Im Wohngebiet der Siedlung am Sommerwald wechselt der Untergrund für den Rest der Strecke wieder auf hart und als hart empfinde ich hier die Teilnahmslosigkeit der Anwohner in Sachen Pfälzerwald Marathon, immerhin auch unter dem Namen Pirmasenser Waldmarathon bekannt. Aber wie heißt es schon bei Asterix? „Ganz Gallien?“ Nein, nicht alle. Die wenigen Anwohner, die sich einbringen, tun es dafür umso herzlicher. Einer hat sogar seine Megasoundbox vors Haus geschleppt und sorgt mit satten Technobeats für Atmosphäre wie bei einem City-Marathon.

Stefan ist mir mittlerweile etwas enteilt und ich habe nicht die Absicht, jetzt noch einen Zacken zuzulegen. (Allerdings muss ich auch nicht zur Ablösung an seinen Verkaufsstand in der Messehalle. Gute Werbung für die Sportlernahrung in seinem Angebot ist er allemal.) Doch zwischen mir und ihm ist noch ein Staffelläufer, dem ich immer etwas näher komme. Schließlich sticht mich auf dem letzten Kilometer doch noch der Hafer: Ich beschleunige, überhole und lass mich vom Atem im Nacken den letzten Anstieg hinauf treiben. Das Abbiegen oben im rechten Winkel verhindert, dass ich - wie die Skifahrer in Gröden über die Kamelbuckel – in die steile Einfahrt in die Messehalle springe.


Sambarhythmen und Cheerleaders empfangen mich dort zum Schlussspurt und ich werde mit Namen und Vereinszughörigkeit angekündigt. Der Zieleinlauf in einem Gebäude und auf einem roten Teppich ist für mich ein Novum, umso mehr genieße ich auch diese Erfahrung. Nach dem Zieldurchlauf wird mit dem Streifenleser meine Zeit erfasst und mir die Medaille umgehängt. Keine fünf Meter weiter bin ich bereits an der Tankstelle und wenige Schritte nebenan kann ich mir die Muskeln von fachkundigen Händen lockern lassen. Marathoni, was willst du mehr?

Rundum zufrieden mache ich mich auf den langen Heimweg und hoffe, dass die Veranstalter für den 4. Pfälzerwald Marathon in einem Jahr nicht sagen müssen: „Stell dir vor, es ist Marathon und keiner kommt her“.

In diesem Sinn passt auch die Überschrift, die Klaus einfach mal so gesetzt hat, bevor er meinen Bericht hatte: „Marathon in der Pfalz – Gott erhalt’s.“

Ich füge nur noch bei: „Und die Läufer sollen mit ihrer Teilnahme dazu beitragen!“

Marathon-Sieger

Männer

1. Dehaut Thomas     LLG Landstuhl                  2:37:59          
2. Dackiw Alexander  Metzgerei-Hirtle-Team     2:41:56              
3. Dehaut Helmut       VT Zweibrücken                2:48:10       

Frauen

1. Fulde Stefanie        PSV Pirmasens                 3:02:25   
2. Wydra Julia             TV St.Wendel                      3:24:17    
3. Marton Petra           Metzgerei-Hirtle-Team      3:46:47   

 

Informationen: Pfälzerwald-Marathon
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