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Laufberichte

Ritter Sport

24.02.13
 

Reduce speed now

 

Von weitem höre ich es hinter mir rufen: "We want Coke!". Was wir stattdessen bekommen, ist Wasser. Wasser so viel wir wollen, Wasser in Plastikflaschen. Den Osmanen ging es damals nicht so gut. Heute wie damals gab es kaum ein Süßwasserreservoir, welches durch Flüsse oder Seen gespeist wurde, denn dafür ist die Insel zu steinig. Dies machte sich der einfallsreiche La Valette zu Nutze und befahl seinen Rittern, tausende von Wasserkrügen von der Quelle der Marsa-Ebene füllen zu lassen und in die Festungen zu bringen. Als nun die eigenen Brunnen bis zum Rand betankt waren, befahl er, die wenigen Wasserlöcher und Quellen, die die Belagerer zum Trinken brauchen würden, zu vergiften.

Erinnert mich deshalb das eigentlich gut schmeckende gelbe Powerrade Getränk, welches in Plastik-Messbechern gereicht wird, an ein Pflanzenschutzmittel?  Und ist es nur ein Zufall, als wir kurz darauf auf einen Wegweiser mit der Aufschrift „Psychiatrie-Museum“ stoßen ? Sind wir vielleicht Versuchskaninchen?

Apropos Kaninchen, Wildkaninchen freilebend zu sehen, ist unrealistisch. Das könnte daran liegen, dass die Langohren meistens als „Fenek“ in einer Rotwein-Knoblauchsoße auf den Tellern der Malteser enden. 

Schon vor einigen Kilometer sind bereits einige vom Laufen ins Gehen übergegangen. Liegt es an der gelben Flüssigkeit? Muss ich mir Sorgen machen? Als es mir nach einigen weiteren Kilometern immer noch gut geht, bin ich mir sicher, dass ich mir keine Sorgen machen muss.

Wir laufen durch eine Wohngegend; zu Fuß ist außer uns niemand unterwegs, aber mit Fahrzeugen. Aus manchem Garten schauen Zitronen und Orangen über die Kalkmauern, zwischendrin immer wieder Palmen. Nur wenige Anwesen besitzen einen eigenen Vorgarten, denn Gärten waren wegen des Wassermangels lange nicht erlaubt. Nun ist Schluss mit Vorgärten und wir laufen an einer langen stetig steigenden und gut befahrenen Straße weiter. Einige Läufer nutzen diesen Streckenabschnitt zum Gehen. Das ruhige Gegenstück zum lebhaften Treiben an der Straße finden wir nun im Inselinneren. 

Etwa zwanzig Kilometer sind gelaufen und noch bevor die Stadt Mosta erreicht ist, hat das Auge die alles überragende Kuppel bereits erblickt. Weit über das Umland ragt die von Santa Marija Assunta, von den Maltesern auch Rotunda genannte Kuppel, heraus. Sie bietet Platz für 12 000 Menschen und ihre Kuppel wird nur durch die in Rom und London an Größe übertroffen. Mit eigenen Händen und Opfern haben Gläubige zwischen 1833 und 1860 die freitragende Kuppel erschaffen. Gab es daher einhundert Jahre später das in dem Kirchbuch aufgezeichnete Wunder?

Es ist der Zweite Weltkrieg und über 300 Gläubige befinden sich zur Heiligen Messe in der Rotunda, als plötzlich eine Fliegerbombe in die 60 Meter hohe Kuppel schlägt, um kurz darauf in den Boden zu rammen. Sie explodierte nicht und niemand wird verletzt. Grund genug, um an Wunder zu glauben. Mosta selbst wurde durch schwere Luftangriffe stark getroffen, jedoch galten diese Angriffe eher dem britischen Fliegerhorst Ta´Qali über dessen Boden wir nun ein zweites Mal laufen.

Im zweiten Weltkrieg wurde Malta aus diesem Grund Ziel von über 2000 Luftangriffen der Deutschen und der Italiener. In Relation auf die Fläche Maltas, haben die Insulaner im zweiten Weltkrieg die meisten Bomben abbekommen. Das Georgskreuz, vom britischen König Georg VI. als Tapferkeitsmedaille verliehen, ist seither auf der Landesflagge abgebildet. 

 

Deutsch/französische Freundschaft

 

Seit Kilometern habe ich einen Begleiter an meiner Seite. Ich darf die Beharrlichkeit der Franzosen nicht unterschätzen. Er schüttelt mich nicht ab, ich ihn aber auch nicht. Ein kurzer Plausch, ein Schulterklopfen, weiter geht’s. Wir drücken auf die Tube. Mittlerweile sind einige Marktstände und Wägen geöffnet. Wir laufen vorbei an saftig roten Erdbeeren und anderen leckeren Früchten; der nächste Wagen bietet „Amerikan Meals“ und sonstige Leckereien feil.

Für uns gibt es hier nichts zu plündern, eher versucht man uns auszuhungern. Für manche ist dadurch die Schlacht schon entschieden. Aus meiner winzig kleinen Bauchtasche, zwischen Fotoapparat und Ladegerät krame ich ein Gel heraus. Es verspricht schnelle Energie. Wohl dem, der vorgesorgt hat. Aufreißen, reindrücken, durchstarten!  Noch liegen etwa 18 Kilometer und ein langer Anstieg vor mir. Steinmauern begrenzen die schmale Straße rechts und links. Bis zu fünf Meter hohe Kakteengewächse ragen über die Mauern und so mancher Feigenkaktus steht bereits in Blüte.

Die großen Schlaglöcher auf diesem Streckenabschnitt erinnern mich irgendwie an Mallorca. Auch hier sind die Straßen nicht unbedingt für ein Trainingslager mit dem Rennrad geeignet. Große Achtsamkeit ist also opportun! Wir sind wieder an der breiten Hauptstraße mit dem Shopping Paradies angelangt. Der Parkplatz ist belegt. Ständig quellen Heerscharen von Besuchern aus den Reisebussen und strömen auf den Markt, einzig getrieben vom Bedürfnis, den Einkaufshunger zu stillen.

 

Das dichteste Straßennetz Europas 

 

Wer an wem vorbei flaniert, liegt im Auge des Betrachters. Auf der einen Straße lässt so der ein oder andere Walker die Stunden gemütlich verstreichen, auf der anderen Straßenseite klopft so mancher zeitgeplagte Autofahrer hektisch auf sein Lenkrad. An den Windschutzscheiben baumeln Rosenkränze. 42000 Autos sollen täglich zwischen dem Mriehel Bypass und Attard verkehren. Für uns ein Verkehrsalptraum, auf Malta völlig normal. Auf 400 000 Einwohner kommen unglaubliche 300 000 Fahrzeuge. Da sind Parkplätze rar und die Politessen sollen am Umsatz beteiligt sein.

Würde aber nun jemand behaupten, entlang der Marathonstrecke gäbe es keine Zuschauer, so ist diese Aussage nur bedingt richtig, denn die meisten Zuschauer sind wie eben bereits erwähnt mobil. Entweder sie sitzen auf dem Sonnendeck eines Sightseeing Busses oder in ihren Fahrzeugen. Nur die allerwenigsten sind auf Fahrrädern unterwegs.

Erst treten sie nur vereinzelt auf und nun nach und nach in Scharen. Die letzten Reste der Halbmarathonläufer und die Walker. Fred Feuerstein und seine Familie sorgen bei einem Bäcker erst einmal für eine ordentliche Ernährung auf der Strecke. Schnell sind sie nicht, aber sie sehen gut aus. Die Fotos, die ich schieße, kosten Zeit, aber sie sind es wert.

An einer Verkehrsinsel steht ein Warden (Polizist) und zieht langsam und genussvoll an einer Zigarette, während er in südländischer Ausgeglichenheit für unsere Sicherheit sorgt. Alles in allem laufen heute über 3000 Läufer/Walker über diese Straße. Auf einen Marathonläufer kommen ungefähr vier Halbmarathonläufer und noch viel mehr Walker. Ein Rekord! Slalomartig überhole ich hunderte von Walking-Akteuren, bei einigen waren echte Make-up Künstler am Werk. Diese Walker vor mir haben die Entdeckung der Langsamkeit gemacht. Das ist wohl ein wesentlicher Bestandteil des urbanen Lebensgefühls. Da ist es auch nur natürlich, dass sie nicht verstehen können, warum wir Läufer es so eilig haben. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt: Sei es beim Suchen nach der richtigen Musik oder beim Telefonieren mit den Freunden, um mitzuteilen, wo und mit wem man sich gerade rumtreibt. Es erfordert doch eine Menge Disziplin, hier nicht einfach mit dem Rennen aufzuhören und gemütlich mit zu walken. Andererseits bin ich früher im Ziel und das hat auch etwas! Unter den 3000 Teilnehmern sind übrigens 1200 aus dem Ausland.

 
 

Informationen: Malta Marathon
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