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Laufberichte

Ritter Sport

24.02.13

1798 kam nun auch Napoleon Bonaparte auf dem Weg nach Ägypten an Malta vorbei und nahm diese sozusagen im Vorübergehen ein. Kampflos übergaben die Ritter Malta an Napoleon,  denn die Ordensregel verbot ihnen, das "Schwert gegen andere Christen zu erheben".

Wo die Franzosen sind, da können auch die Engländer nicht weit entfernt sein. Sie blockierten zwei Jahre die Insel, bis die Franzosen keine Lust mehr hatten. Nun ließen sich die Briten häuslich nieder. Genau genommen unglaubliche 164 Jahre war die Insel nun Kronkolonie des Britischen Empire. Diese verlangten Zoll von jedem Handelsschiff,  das in den maltesischen Hafen einfahren musste und so erblühte die Insel als wichtiges Handelszentrum.

Ich bin enttäuscht, denn die Cathedral of St. Peter und Paul, die eigentliche Bischofskirche des Erzbistums Maltas, ist noch verschlossen. Wir schlendern weiter durch die menschenleeren Gassen, hier werden sich in den Sommermonaten die (Kreuzfahrt-) Touristen zu Hunderttausenden durch die schmalen Gassen schieben.

Durch die massiven Türen hören wir Gemurmel. Die Stimmen kommen aus der „Carmelite Convent“ Kirche im mittelalterlichen Kern der Stadt. Es ist kurz nach 7:00 Uhr. Die erste Sonntagsmesse wird gelesen. Über 90 Prozent der Malteser sind Katholiken und wirklich von jedem Aussichtspunkt der Inseln schaut man auf Kuppeln und Kathedralen. Es sollen so viele sein wie Tage in einem Kalenderjahr.  Eine alte Dame huscht verstohlen ins Innere der Kirche, wir huschen leise hinterher. Andächtig lauschen wir dem Gottesdienst in einer uns fremden Sprache – maltesisch.

Die letzte große Belagerung liegt 448 Jahre zurück. Was 18.000 Türken Anfang des 15. Jahrhunderts nicht gelang - die Ritter des Johanniterordens wussten es zu verhindern - versuchten wir heute: die Eroberung Maltas. Der mittelalterliche Festungsbau hat sehr enge und schmale Gassen. Damals wie heute leben hier die wohlhabendsten Familien der Insel.

 

Frühsport mit Kreuzritterfeeling


Läufer schlendern gemütlich über eine mit Trophäen gedeckte Brücke durch das mit massivem Wappengiebel verzierte Main Gate in die Stadt. Vor der Stadt ein Knäuel aus Stimmen. Die wenigsten werden jetzt an die beinahe 7000 Jahre alte Geschichte dieser Inselgruppe denken, an das kulturelle Erbe, das älter ist als Stonehenge und die ägyptischen Pyramiden.

Neugierig interessiert blinzele ich in die bereits aufgehende Sonne.  Um uns herum sind alle sommerlich gekleidet. Manche Beine sind weißer als der Nebel Englands. Hier trifft südländische Bräune auf vornehme Blässe. Einige schützen sich dennoch mit Plastikponchos vor den morgendlichen 13 Grad. Alles ist zu sehen: Schrille Outfits und rhythmisches Geschrei vor musealen Mauern. Es ist ein großartiges Schauspiel. Ungeteilte Aufmerksamkeit erhält der ältere Herr in zartem Rosé.

 

The show must go on

 

„Two Minutes“. Der Moderator heizt der Meute vor den Festungsmauern Mdinas, auch Silent City genannt, ein. Die Blasmusik, ebenfalls Erbe der britischen Vergangenheit, erhöht den Schallpegel auf dem Platz. Nur ein einziger grüner Ballon schwebt über den Köpfen der Läufer, 3:30 steht darauf geschrieben. Für mich wäre diese Pace doch ein wenig zu schnell. Aber ein Ziel habe ich dennoch im Kopf; Angela hat mich darauf gebracht. Sie wurde im vergangenen Jahr schnellste Deutsche beim Malta Marathon mit einer Zielzeit von 4:02:09. Wer weiß, mit ein wenig Glück und Rückenwind…? Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert!

Lauf-Teams, die es auch Jahr für Jahr wieder nach Malta zieht, drängen zur Startlinie. Läufer aus der ersten Reihe wiegen die Hüfte nach rechts und links. Wieder vorne dabei die Malteserin Carmen Hili, die bereits sechsmal gewinnen konnte. Die Gegner werden taxiert. Die Beine mal nach vorne, mal nach hinten geschwungen – Hauptsache, die Muskeln werden warm. „One Minute“. Der Revolver wird langsam angehoben, bis der Lauf in den Himmel zeigt. Für einen Moment schweigt die Blasmusik. Five, four, three, two, one. 8:00 Uhr: Der Startschuss ist gefallen, unter dem Startbanner „Land Rover Malta Marathon“ laufen wir los.

In diesem immer wieder schönen Moment liegt die ganze Strecke wie ein herrlicher, unangeschnittener Kuchen vor uns. Die Halbmarathonläufer und Walker werden dies erst eine Stunde und zwanzig Minuten nach uns erleben dürfen.

 

Malta is very British, isn't it?

 

Es geht durch Straßen und um Ecken. Wenngleich die Malteser seit 1979 den Abzug der letzten englischen Militärs feiern, sind die Relikte der Engländer allgegenwärtig. Vereinzelt sieht man noch die nostalgisch roten Telefonzellen, eine Blaskapelle hat sich als Bühne eine Bushaltestelle ausgesucht. Die Schüler tragen Uniform und die Lenkräder der Fahrzeuge sind rechts, die Schaltung links.

Jetzt so früh am Morgen schweigen die sandfarbenen Fassaden diskret, nur ein Echo hallt durch die Gassen weiter, es sind die Schritte der über vierhundert Marathonläufer auf dem Altsteinpflaster. Ich überhole ein laufendes Pärchen und sie sehen aus, als kämen sie vom französischen Flugpersonal, als Stewardess und Flugkapitän verkleidet. Eine witzige Idee, leider haben beide recht schnell den Abflug gemacht.

Wir genießen diesen Streckenabschnitt mit den typischen aus Kalkstein erbauten Häusern. Sehenswert sind die bronzenen Türklopfer oder die Balkone an den Fassaden für die es früher eine andere Funktion gab als heute: Die Frauen saßen in den Erkern und klöppelten maltesische Spitze. Von diesen Balkonen konnte man hinausschauen aber nicht hinein. Kam ein Straßenhändler, so ließen sie einen Korb hinunter. Die Gassen bieten die perfekte Szenerie für die Stimmung von einst. Ich laufe an einem japanischen Pärchen vorbei, sie erinnern mich an den Tokyo Marathon, der ebenfalls heute stattfindet und von dem wir im letzten Jahr berichteten (siehe „Nichts ist unmöglich“ auf marathon4you).

Wie eine Warnung vor Gottlosigkeit wachen an vielen Ecken der Insel kalkweiße Gipsstatuen, deren Hände drohend in den Himmel weisen; so auch hier, in Mdinas größeren Schwesterstadt Rabat. Die Sonne scheint, die Strecke führt angenehm abwärts. Eine letzte Kurve und wir sind an dem perfekten Fotoknipsstandort angekommen. Bauch rein, Brust raus und lächeln, denn hier lauern Fotografen auf ihr Motiv. Im Hintergrund, weithin sichtbar, thront auf der Spitze des Bergsporns honiggelb die Cathedrale. Vom Hochplateau laufen wir abwärts in die fruchtbarste Landschaft des Landes. Während es bei uns noch vielerorts schneeweiß ist, dominiert hier auf den terrassenartigen Feldern üppiges Grün. Etwa bei Kilometer sechs trennt sich für die nächsten zwanzig Kilometer die Strecke und wir Marathonläufer werden nun einige Haken im Inland schlagen.

Ich stoppe meine Zeit am Kilometerschild zehn. Die Strecke ist noch einfach zu laufen und bislang auch angenehm autofrei. Die Flutlichtmasten des Ta' Qali-Fußballstadion passen nicht in mein Geschichtsbild und den Blick verdränge ich schnell. Dafür nehme ich das Schild "Hundepark" erfreut zur Kenntnis, denn wo ein Hund darf…

Weiter geht es auf die Straße in Richtung Attard. In den Hangars und Kasernen eines ehemaligen Militärflugplatzes aus dem Zweiten Weltkrieg haben sich heimische Handwerksbetriebe angesiedelt. Ein Platz für sonnenbebrillte und konsumfrohe Touristen. Denn die größte Auswahl an Mitbringsel ist hier zu finden: Gläser, Kannen, Vasen und filigrane Schmuckanhänger in Form des Malteserkreuzes. Selbst ein lebensgroßer Ritter aus Weißblech kann man hier günstig ergattern. Teuer wird dann nur der nachzubuchende Sitzplatz im Flieger. An das Gelände schließt der National Park an, Maltas jüngste, durch viel Beton aber leider verunstaltetes Pinienwäldchen. Hier passieren wir auch das erste Mal den Pitkali Vegetable Market, noch ist vom Marktgeschehen nichts zu spüren.

 
 

Informationen: Malta Marathon
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