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Laufberichte

Höllenlauf durch die heilige Stadt

21.03.14

Rund 25.000 Teilnehmer begaben sich beim vierten Jerusalem Marathon auf einen der anspruchsvollsten Stadtkurse der Welt und erlebten eine unvergessliche Atmosphäre an einem historisch einzigartigen Ort.

Nur 37 Personen mussten laut Veranstalter medizinisch versorgt werden. Ein junger Mann, Mitte 20, befand sich vorübergehend in kritischem Zustand und musste im Krankenhaus behandelt werden. Unterm Strich eine fast schon überraschend positive Bilanz, bedenkt man die einzigartigen Bedingungen beim Jerusalem-Marathon.

Rund 25.000 Teilnehmer trauten sich am vergangenen Freitag auf die, gelinde formuliert, anspruchsvolle Strecke über 42,195 Kilometer, die halbe Distanz oder die zehn Kilometer durch die faszinierende Stadt in Israel. Neben kulturellen Orten, atemberaubenden Aussichten und historischen Bauwerken erlebten die Teilnehmer die ebenso inspirierende wie faszinierende Atmosphäre einer multikulturellen Veranstaltung, die weltweit wohl ihresgleichen sucht.

"Ich bin schon fünf Marathons in der gesamten Welt gelaufen, aber mit voller Überzeugung kann ich behaupten, dass nichts mit dem Lauf in Jerusalem vergleichbar ist", sagte Bürgermeister Nir Barkat in der "Jerusalem Post". Und damit hat er in vielerlei Hinsicht recht. An jeder Ecke stehen Menschen und unterstützen die Läufer. Juden, Christen, Moslems, Atheisten. Jung, alt, arm, reich. Selten bekommt man auf der Welt einen derartigen Mix unterschiedlicher Kulturen und Religionen an einem Ort nicht nur zu sehen, sondern förmlich zu spüren.

Die Teilnehmer kommen aus aller Welt: Europa, Amerika, Afrika. Teils tragen sie traditionelle Kleidung - ein offenbar aus Deutschland angereister Mann startet sogar in einem Schwarzwaldkleid inklusive Bollenhut. Einige Israelis laufen für verstorbene Angehörige, Ehepaare tragen T-Shirts mit den Bildern gefallener Soldaten, vermutlich ihren Söhnen. Aber es geht keinesfalls traurig oder bedrückend zu - ganz im Gegenteil.

An der einen Ecke, nur wenige hundert Meter von der Klagemauer entfernt, dröhnen die aktuellsten Disco-Hits aus überdimensionalen Lautsprechern, junge Menschen tanzen und grölen und der DJ fordert die passierenden Läufer über Mikrofon zum Durchhalten auf. Kurze Zeit später trommeln junge Juden mit Kippa, Schläfenlocken und traditioneller Kleidung auf großen Bongos - ein anderer Sound, aber der gleiche Effekt: Als Läufer ist man überwältigt und euphorisiert.

Seit dem Startpunkt an der Knesset, dem israelischen Parlament, vergeht kaum ein Kilometer ohne Gänsehaut-Moment: Es geht durch das Jaffator, das armenische Viertel, die Altstadt und endet schließlich im Sacherpark. Menschen verkleidet als Gaukler oder lustige Monster peitschen die Läufer ebenso an, wie unzählige Familien mit ihren Kindern, die am liebsten mit jedem der 25.000 Teilnehmer abklatschen würden. Und so beißen sich die Teilnehmer durch, in freudiger Erwartung auf den nächsten speziellen Moment, auch wenn sie noch so häufig ans Aufgeben denken mögen.

Denn Jerusalem mag für viele Menschen heilig sein - für Marathonläufer ist die auf rund 800 Metern über dem Meeresspiegel gelegene Stadt die Hölle: Es gibt kaum eine Straße, die nicht mindestens fünf bis zehn Prozent Steigung oder Gefälle hat. "Dieser Lauf kombiniert atemberaubende und inspirierende Aussichten, frische Luft und vor allem eine herausfordernde Strecke", sagt auch Bürgermeister Barkat, der wohlwissend nur beim 21,1 Kilometer langen Halbmarathon gestartet ist - doch selbst auf dem legt man insgesamt einen Höhenunterschied von fast einem Kilometer zurück.

Nach gefühltem Empfinden verlaufen maximal zwei Kilometer des Halbmarathons auf einer ebenen Stecke. Die restlichen 19 Kilometer kämpfen sich die Teilnehmer die Berge hinauf oder herab - und gleichzeitig gegen die krampfenden Oberschenkel und Waden an. Beim vierten Jerusalem-Marathon kam erschwerend hinzu, dass es nach zuvor einigen durchwachsenen Tagen wieder extrem sommerlich wurde: Schon beim Start um 7 Uhr morgens betrug die Temperatur fast 20 Grad, sie kletterte später auf bis zu 30 Grad in der Sonne.

Um seine Spitzenzeit zu verbessern, sollte daher niemand nach Jerusalem, zum womöglich härtesten Stadtmarathon der Welt, kommen. Das zeigen auch die Siegerzeiten: Ronald Kimeli Kurgat aus Kenia gewann in 2:16,09 Stunden. Das ist zwar neuer Streckenrekord, aber fast eine Viertelstunde langsamer als die Weltbestzeit über die 42,195 Kilometer. Beim Halbmarathon siegte Nalie Gebre in 1:11,37 Stunden, ebenfalls annähernd eine Viertelstunde über der Weltbestzeit.

Nir Barkat beendete seinen Halbmarathon nach 2:22,47 Stunden - Jerusalems Bürgermeister war dennoch zufrieden: "Der Jerusalem-Marathon ist ein einzigartiger Lauf, den jeder Marathonläufer einmal erlebt haben muss. Er ist auf einer Stufe mit New York, Berlin, London oder Paris", sagt er. Wer einmal teilgenommen hat, wird ihm nicht widersprechen.

 

Informationen: Jerusalem Marathon
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