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Laufberichte

Wo man gerne wieder läuft

15.07.06
Autor: Klaus Duwe

Viel Stamm-, wenig Laufkundschaft

 

Wunsiedel liegt im äußersten Nordostzipfel Bayerns, dort, wo vor der Wende die Welt so ziemlich zu Ende war. 10.000 Einwohner zählt die Kreisstadt, deren Name wahrscheinlich von wunne, was so viel heißt wie Wald- und Wiesenlandschaft, abgeleitet ist. Von 1163 stammt die erste urkundliche Erwähnung und heute noch passt der Name zur Stadt wie kein anderer. Denn dunkle Fichtenwälder, grüne Wiesen, Hügel und Berge prägen das Landschaftsbild.

 

Wunsiedel ist gut zu erreichen über die A 9 oder A 93 und liegt ungefähr 30 Kilometer südlich von Hof und knapp 40 Kilometer nordöstlich von Bayreuth. Von Nürnberg sind es gut 100 Kilometer.

 

Hier im Fichtelgebirge in Wunsiedel müssen schon immer zähe, ausdauernde und innovative Menschen gewohnt haben. Und solche, die sich nicht leicht unterkriegen lassen. Neun Mal ist die Stadt fast gänzlich abgebrannt, immer wieder wurde sie aufgebaut, zuletzt 1834. Ein harter Schlag und eine erhebliche wirtschaftliche Schwächung bedeutete es auch, als  1872 mit dem Bau der Eisenbahnlinie Regensburg – Hof – Berlin begonnen wurde und Wunsiedel keinen Anschluss bekam.

 

In dieser Notlage sann man nach Alternativen und begann mit der Erschließung des Gebietes für den Fremdenverkehr. Schließlich hatte man mit der Luxburg eine Sehenswürdigkeit, die weit und breit ohne Beispiel war. Dabei spielte die gleichnamige Burganlage eine eher nebensächliche Rolle. Das Hauptaugenmerk galt dem geheimnisvollen, riesigen Felsenlabyrinth, das man bis dahin gemieden hatte. 

 

Die Initiatoren lagen richtig. Das Felsenlabyrinth, dessen Entstehung man auf starke Erdbeben und "weltumstürzendes Getöse von Gipfeln, die in Abgründen zu tausend anderen Felsen zerschmettert worden waren", zurückgeführte, sorgte für Aufsehen. Goethe („Der Granit lässt mich nicht los“) besuchte die Gegend dreimal und löste als Erster das Rätsel der durcheinander geworfenen Granitblöcke: Granit verwittert ungleichmäßig. Wo er zuerst brüchig wird, gibt er nach, darüber liegende Steine rutschen nach, stürzen ab und kommen irgendwo zum Stehen oder Liegen. Keine Untersuchung hat bis heute etwas Anderes ergeben.

 

Seit 1790 gibt es Operettenaufführungen und 1804 wurde ein Festspielgelände errichtet, das es heute noch gibt. Erste Aufführungen vor dem Felsenlabyrinth gab es schon viel früher (1665), die Darbietungen der Schüler und Laien wurden mit der Zeit aber zu deftig, so dass man sie abschaffte. Im letzten Jahr besuchten 137.000 Menschen die Luisenburg-Festspiele.

 

Genug Geschichte, wir wollen laufen.

 

Der Fichtelgebirgsmarathon findet bereits zum 7. Mal statt. Es ist keine Großveranstaltung, 500 Teilnehmer für beide Strecken (Marathon und Halbmarathon) werden nicht ganz erreicht. Man ist trotzdem zufrieden, sagt Birgit Schindler, die viel der Organisationsarbeit übernommen hat. „Über einige Teilnehmer mehr würden wir uns schon freuen, aber eine Großveranstaltung wollen wir nicht werden,“ fügt sie an. Der Fichtelgebirgsmarathon soll überschaubar bleiben, für die Organisatoren und für die Läufer. Das macht den Reiz solcher Veranstaltungen schließlich aus.

 

Am Samstag trifft man sich in der Kantine vom Sponsor Dronco (die machen unter anderem Trenn- und Schleifscheiben und Diamantwerkzeuge vornehmlich für Profihandwerker, aber immer mehr auch für den anspruchsvollen Heimwerker). Dort gibt es die Startunterlagen und für 4 Euro schmackhafte Nudelgerichte.

 

Auf dem Parkplatz stehen Autos aus Berlin und Hamburg, viele sind  mit dem Zug angereist. Sie werden vom Bahnhof abgeholt. Unter ihnen der Läufer aus Tschechien mit dem Riesen-Rucksack, der kein Wort deutsch spricht. Irgendwie kriegt Birgit es dennoch gemanagt, ihm das Quartier zuzuweisen. Bei Peter Cairns, dem Läufer aus Australien, ist die Verständigung kein Problem, Birgit spricht fließend englisch. Soweit es möglich ist, werden die Leute sogar privat untergebracht.

 

Wie nennt man eine herzliche Atmosphäre, wo man sich hin setzt, sich wohl fühlt und bleiben möchte? Familiär - , genau, das trifft hier auf ganz besondere Weise zu. Viele wissen das zu schätzen und kommen gerne wieder. Wie Volker  Schwandt aus Berlin, er hat alle 6 Läufe bisher mitgemacht und bekommt die Startnummer 1.

 

Am nächsten Morgen um 7.30 Uhr fahren von hier aus die Busse nach Weißenstadt zum Marathon-Start, eine halbe Stunde später geht es für die Teilnehmer am Halbmarathon nach Leupoldsdorf. Peter Karl, der Organisationsleiter, kommt in den Bus, begrüßt die Läuferinnen und Läufer fragt noch einmal nach, ob alle wirklich auch zum Marathon-Start wollen, dann gibt er die Fahrt frei.

 

Gut zwanzig Minuten später sind wir am Weißenstädter See am Rande des 3.500–Einwohner Städtchens. Es ist frisch, obwohl die Sonne vom fast wolkenlosen Himmel scheint. Auf Bootsstegen oder auf der Uferwiese suchen die Marathonis ein sonniges Plätzchen, andere laufen sich warm oder machen ihre Gymnastik- und Dehnübungen.

 

Ganz unaufgeregt und eher müde wirkt Thomas Koch, den die Einheimischen hier als Favoriten sehen. Fast täglich rennt er die umliegenden Berge rauf und runter und weiß genau, was auf ihn zukommt. Sonst herrscht die bei solchen Läufen übliche Gelassenheit. Erst Minuten vor dem Startschuss versammelt man sich unter dem Startbanner. Der Weißenstädter Bürgermeister Klaus Knies wird noch ein paar Begrüßungsworte los, dann schickt er mit einem gezielten Schuß in den Himmel die über 200 Läuferinnen und Läufer auf die Strecke.

 

Bevor es in die Berge geht, wo insgesamt 800 Höhenmeter zu bewältigen sind, geht es gemütlich auf einem flachen Teerweg zum Einlaufen um den See. Es gibt alles hier: Bootsliegeplätze, Strandbäder, Cafés und einen Campingplatz. Und demnächst, der Baustelle nach zu urteilen, wohl auch ein großes Hotel. Knapp 4 Kilometer misst die Seerunde. Kurz vor deren Vollendung laufen wir geradeaus auf einem Feldweg und wenig später auf der Verkehrsstraße Richtung Schönlind. Nach einem Kilometer, kurz vor dem Ort, geht es links zur ersten Verpflegungsstelle.

 

Strategisch günstiger Standort, würde ich sagen, denn jetzt kommt der 6 Kilometer lange Anstieg auf den Schneeberg, mit 1051 Metern der höchste Berg des Fichtelgebirges. Darüber täuschen auch einige flache  und sogar kurz abschüssige Passagen nicht hinweg. Die Strecke ist wunderschön. Sie führt uns durch dunkle, schattige Fichtenwälder, über sonnige Lichtungen und Waldwiesen. Es ist still, man hört nur die eigenen Schritte und das Gezwitscher der Vögel.


Das Wetter ist genial, herrlicher Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen. Im Schatten und wenn ein Windchen geht, verspürt man sogar angenehme Kühle.

 

Das Läuferfeld hat sich längst verteilt. Hin und wieder überhole ich einen, der bergauf zum Wanderer wird. Mein Ziel ist es heute, durchzulaufen - keine Gehpausen, komme, was da wolle. Bis jetzt ist das natürlich kein Problem. Bei Kilometer 8 am Weißenhaider Eck ist die nächste Getränkestelle. Auch nicht schlecht, denn jetzt geht es 3 Kilometer auf der Teerstraße schnurstracks bergauf auf den Schneeberg. Alles nimmt die rechte, schattige Seite, obwohl es wirklich nicht zu warm ist. Es ist ja noch früh am Tag und wir sind auf mittlerweile immerhin fast 1000 Meter Höhe.

 

Bald sehen wir den markanten weißen Turm, zusammen mit anderen militärischen Einrichtungen auf dem Gipfel , Zeugnis des Kalten Krieges. Aber schon früher hatte der Berg wegen seiner guten Fernsicht strategische Bedeutung. 1498 wies der Bayreuther Markgraf den Gebirgshauptmann Kunz von Wirsberg an, ein Netz von Beobachtungsstationen aufzubauen. Dabei entstand 1520 die erste Warte auf dem Schneeberg.


Die Felsengruppe auf dem höchsten Punkt heißt „Backöfele.“ Im 30-jährigen Krieg sollen sich hierhin die Bewohner der umliegenden Orte geflüchtet haben, die dann natürlich auch ihr Brot buken. Heute nennt man auch den Aussichtsturm so.

 

Die Verpflegungsstelle (km 11) ist komplett bestückt. Es gibt Iso, Wasser, Cola, Melone, Brot, Schokolade und was sonst noch alles. Ich werde meine mitgeführten Riegel (man weiß ja nie) wieder nach Hause nehmen müssen.

 

Abwärts geht es auf einer Schotterstraße mit herrlichem Ausblick. Wer sich zu sehr ablenken lässt, bekommt vielleicht Probleme. Der Weg ist nämlich anfänglich ziemlich steil und die Schottersteine erfordern schon etwas Konzentration. Dann geht es aber links ab auf einen welligen Waldweg. Nach kurzer Zeit passieren wir den 1000-Meter-Stein, der die entsprechende Höhe markiert.

 

Unterhalb des Seehügel (953) laufen wir jetzt immer bergab. Vor der Abzweigung zur Platte (884 m) geht es links Richtung Schmierofenhütte. Ungefähr bei Kilometer 17 wird der erholsame Abwärtslauf durch einen kräftigen und deshalb schmerzhaften Gegenanstieg gebremst. Dann geht es aber wieder, teilweise steil, abwärts.

 

Ich bin ganz alleine, keiner hinter und keiner vor mir. Bin ich noch richtig? Einen Moment bin ich unsicher. Dann kommt eine Kreuzung und wie immer ist eine rote Markierung auf dem Boden und zusätzlich weisen Flatterbänder den Weg. Verlaufen ist praktisch unmöglich.

 

Bei der Verpflegungsstelle bei km 19 bedient mich die kleine Vanessa. Sie ist ganz begeistert bei der Sache. Klar, bei den Vorbildern. Überall wird man nämlich sehr freundlich und hilfsbereit empfangen. Wie man stundenlang verschwitzten Läufern lachend und gut gelaunt das Wasser und etwas zu Essen reicht, muss ich immer wieder bewundernd registrieren. Ich will da nicht tauschen.


Bei Kilometer 21 erreichen wir am Waldrand den Startplatz des Halbmarathon und gleich darauf Leupoldsdorf. Hier stehen sogar einige Leute an der Straße, um uns anzufeuern und zu applaudieren.

 

Auf einer alten Bahntrasse geht es weiter fast eben durch Wiesen und kleine Waldstücke Richtung Tröstau. Auf der halbseitig gesperrten Straße laufen wir durch den Ort (km 24), in dem kaum ein Mensch zu sehen ist.  Beim großen Maibaum geht es durch die Unterführung auf die andere Seite und am Ortsausgang ist dann eine große Verpflegungsstelle eingerichtet, wo sich auch einige Leute versammelt haben, die von einem Sprecher unterhalten und darüber informiert werden, wer denn da gerade vorbei läuft.

 

Auf einer asphaltierten Nebenstraße geht es jetzt zur Abwechslung mal wieder bergauf bis zum Golfhotel Fahrenbach und dann geradeaus auf einem Feldweg Richtung Kösseine-Gipfel (945), der zum Glück umrundet und nicht überquert wird. Trotzdem ist es teilweise ziemlich steil. Gerade will ich von meinem Vorhaben, durchzulaufen, ablassen und eine Gehpause machen. Da sehe ich vor mir, dass es bald etwas gemäßigter weiter geht und gleichzeitig ein schattiger Abschnitt kommt. Ich ziehe durch und erreiche bei Kilometer 27 die nächste Verpflegungsstelle an einem fast ebenen Weg.

 

Zum Kösseine gehören übrigens Großer und Kleiner Haberstein, Burgsteinfelsen, Mühlstein, Püttners- und Jakobifels, an dessen Nordhängen sich das eingangs beschriebene Felsenlabyrinth befindet.

 

Den Spritzbrunnen (km 27,5) mitten im Wald finde ich ganz lustig. Er soll nicht umsonst hier stehen denke ich, und erfrische mich mit seinem kalten Wasser. Der schwierigste Teil der Strecke liegt hinter uns. Das bedeutet im Fichtelgebirge aber nicht, dass es gemütlich weiter geht. Der ständige Wechsel von auf und ab ist anstrengend und ermüdend. Dafür sorgen immer wieder herrliche Ausblicke für Abwechslung. Die Zeit vergeht wie im Flug und das Laufen macht sehr viel Spaß, auch wenn die Temperaturen mittlerweile etwas angezogen haben. Zu warm ist nach wie vor nicht.

 

Bei Kilometer 33 kurz vor Kleinwendern geben uns riesige Felsbrocken einen kleinen Eindruck davon, wie es wohl im Felsenlabyrinth aussehen mag. Dann erreichen wir die Ortschaft und laufen über freies Feld Richtung Bad Alexandersbad. Nach einem schattigen Wäldchen geht es über eine sumpfige Wiese und schon bald sehen wir links das kleine Mineral- und Moorheilbad.

 

Normalerweise führt die Strecke direkt in den Ort und durch den Kurgarten. Starkregen hat in den letzten Wochen jedoch einige Wege unpassierbar gemacht. Statt dessen nehmen wir den Weg hinauf auf den Hügel, laufen nach Sichersreuth (km 38) und werden dort an einer Verpflegungsstelle entschädigt. Kaum sieht mich der junge Mann, schnappt er sich zwei Becher und kommt mir entgegen. Wasser und Cola hat er im Angebot. Genau das Richtige jetzt.

 

In Dünkelhammer kommen wir wieder auf die ursprüngliche Strecke, die jetzt unterhalb des Katharinenberges weiter nach Wunsiedel führt. Bei Kilometer 40 gibt es noch einmal eine Erfrischung, dann erreichen wir die ersten Häuser, die wohl in den 50er Jahren als Werkswohnungen gebaut wurden. Sie sehen alle gleich aus und unterscheiden sich nur in der Farbe. Dann laufen wir über den Fabrikhof von Dronco rauf zur Hauptstraße. Nach einem kurzen Stück geht es rechts zum Fichtelgebirgsstadion ins Ziel.


Dort hat Birgit heute die Aufgabe der Sprecherin übernommen. Jede Läuferin und jeder Läufer wird namentlich begrüßt und beglückwünscht. Gekonnt wirbt sie beim Publikum um Aufmerksamkeit und animiert zum Klatschen. Die Marathonis freut’s, strahlend laufen sie ins Ziel, wo eine ungewöhnliche Porzellan-Medaille und gutes fränkisches Bier auf sie wartet.

 

Streckenbeschreibung

Punkt-zu-Punktkurs über den Schneeberg mit insgesamt ungefähr 800 HM

 

Auszeichnung/Starterpaket

Gastgeschenk, Funktionsshirt, Medaille, Urkunde

 

Verpflegung

Ausreichend Verpflegungstellen mit Iso, Wasser, Apfelschorle, Cola, Brot, Bananen, Orangen, Melonen

 

Zeitnahme

manuell

 

Logistik

Bustransfer von Wunsiedel nach Weißenstadt, dort Kleiderabgabe
Parkplätze am Stadion oder bei Dronco

 

Fazit

Alles bestens: Strecke, Organisation, Verpflegung und die Menschen - ich verstehe, dass die Leute immer wieder hier her kommen. Ich verstehe nicht, dass es nicht viel mehr sind.

 

 

Informationen: Fichtelgebirgsmarathon
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