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Laufberichte

Unbekanntes Bayern

13.07.13

Fichtelgebirge? Haben dort nicht vor langer Zeit die West-Berliner Urlaub gemacht? Für sie war es die nächste Adresse zum Skifahren oder Wandern, gleich hinter der ehemaligen Innerdeutschen Grenze zwischen Hof, Bayreuth und Wunsiedel gelegen.

Ich muss gestehen, dass ich als gebürtiger Münchner bisher von Franken noch nicht viel gesehen habe. Böse Zungen behaupten, dass ich mich in Norditalien besser auskenne als im nördlichen Bayern. Das will ich ändern und beginne mit der Teilnahme am Fichtelgebirgsmarathon.

Der Start des Laufs findet anlässlich der 13. Ausgabe am 13. Juli 2013 erstmalig im Stadion von Wunsiedel im Südosten des Fichtelgebirges statt, das Ziel befindet sich in Weißenstadt. In den vergangenen zwölf Jahren verlief die Strecke umgekehrt.

Die Unterlagen kann man sich am Freitagabend bis 21:00 Uhr im Stadion abholen. Natürlich gibt es die Startnummern auch am Marathontag, da viele Läuferinnen und Läufer erst kurz vor der Veranstaltung aus der Umgebung anreisen.

Schönes Wetter schon am Samstagmorgen. Sonnen auf der Stabhochsprungmatte. Wir treffen m4you-Autor Herbert Orlinger aus Linz, der mit seinem Bekannten Anton mitläuft. Letzterer bestreitet heute seinen 30. Marathon – in diesem Jahr wohlgemerkt! Die Atmosphäre ist recht gelassen. Hier sind wohl viele erfahrene Marathonläufer dabei.

Ausreichend Toiletten sind im Vereinsheim vorhanden. Besonders die weiblichen Teilnehmer freuen sich darüber, dass man stets ein freies Häuschen ergattert.

Dem Anlass angemessen wird der Startschuss vom 2. Bürgermeister Roland Schöffel abgegeben. Nach einer halben Stadionrunde geht es auf die Straßen von Wunsiedel und nach weniger als einem Kilometer sind wir schon zwischen den Feldern. Ich hätte ja gerne noch etwas mehr von der Stadt gesehen, aber es handelt sich wohl um einen reinen Landschaftslauf. Daher kann ich nur berichten, dass es hier die Luisenburg-Festspiele auf einer Naturbühne gibt. Und das Fichtelgebirgs-Museum mit Ausstellungen zum Thema Geologie.

Die ersten Kilometer sind, was den Laufuntergrund betrifft, wahrscheinlich die schwierigsten. Auf einem Feldweg zwischen den wunderschön grünen, hügeligen Feldern muss man etwas aufpassen. Genau richtig, um sich für größere Aufgaben im Trailrunning vorzubereiten.

An steileren Passagen ist der Weg gepflastert. Manchmal sind nette Gesichter auf den Boden gemalt. Bei Kilometer fünf kommen wir an einer Art Tempelchen vorbei: der Luisenbrunnen in Bad Alexandersbad. Dessen eisenhaltiges Wasser entspringt der westlichsten Quelle der Bäderregion Marienbad, Karlsbad und Franzensbad. Hier erwartet uns auch gleich der erste Verpflegungsstand. Gut bestückt mit Bananen, Apfelschnitzen, Melone, Iso, Wasser und Cola, jedoch ohne „Eisensäuerling“ aus der Quelle. Einen Zapfhahn hätte es gegeben. Trotzdem sind wir bestens versorgt. Die Helfer sind guter Laune und für ein Späßchen zu haben. Meinem Wunsch nach Zartbitterschokolade anstelle der Milchschokolade soll nächstes Jahr nachgekommen werden.

Ich halte Ausschau nach Rehen auf den Feldern vor dem Wald. Die ersten Tiere, die ich sehe, sind dann aber Pferde. Danach eine kleine Kuhherde. Ich rufe Judith zu, dass ich noch keine Hirsche oder gar Bergelefanten gesehen habe. Ulrike und Andreas aus Altenburg (im Skatstadt-Marathon-Hemd) machen mich dann auf Lamas am Wegesrand aufmerksam. Ist doch auch was. Außerdem werden wir am Abend noch Känguruhs sehen, in einem Gehege in unserem Übernachtungsort Bischofsgrün. Sportlich ist dort eher im Winter was geboten. Im Frühstücksraum stehen Pokale von Langlaufwettbewerben und vom Skispringen.

Am zweiten VP-Punkt erhalte ich auf Nachfrage die vertrauliche Auskunft, dass es jetzt richtig bergauf geht. Bis hierher seien es ja nur Hügel gewesen. Wir müssen noch einige Höhenmeter gutmachen und umrunden die „Große Kösseine“. Die Kösseine ist ein Granitmassiv, über dem die Europäische Wasserscheide verläuft. Es gibt viele Niederschläge (siehe auch die älteren Marathonberichte), sodass hier die Flüsse Saale, Eger, weißer Main und Naab entspringen. Die ersteren fließen zu Ostsee und Nordsee, die Naab in Richtung Schwarzes Meer.

Das Schild „Vorsicht Sprengungen“ kündigt die einzige Abbaustelle von Kösseine-Granit an. Und weil Johann Wolfgang von Goethe dreimal hier war, gibt es von ihm natürlich auch eine Abhandlung über Granitverwitterungen. Man kann aber auch nachlesen, dass er von der Schönheit der jungen Damen begeistert war. Für den Läufer bedeutet der Granit oft interessante Felsformationen am rechten Wegesrand. In Wunsiedel - Heimatstadt von Goethes Dichterkollegen Jean Paul, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird - gibt es auch ein bekanntes Felsenlabyrinth.

Es ist schön, bergauf zu laufen, wobei sich das Feld inzwischen schon etwas auseinandergezogen hat. Wir beginnen mit einem lustigen Katz- und Maus-Spiel. Bergauf werden wir überholt. Bergab dann andersherum. So lernt man einige Mitläuferinnen und -läufer gut kennen.

Hier verläuft auch die Grenze der Regierungsbezirke Oberpfalz und Oberfranken. Aus diversen Kabarettsendungen im Fernsehen glaube ich zu wissen, dass die Oberpfälzer eher wortkarge Gesellen sind. Das kann ich jetzt aber nach den Erfahrungen mit den Standbetreuern nicht bestätigen. Leider ist dann das Oberfränkisch auch nicht so urig, wie ich mir das erwartet hätte, und die Leute sagen hier auch „Hallo“ zur Begrüßung. „Grüß Gott“ scheint wirklich auszusterben.

Den Gipfel erklimmen wir also nicht und laufen ab km 15 jetzt 2 km und ca. 180 Höhenmeter bergab. Größtenteils auf einem Weg durch den Golf- und Landclub Schloß Fahrenbach. Wer aufpasst, sieht auf dem Gipfel des Schneebergs gegenüber den markanten Turm einer ehemaligen Abhöranlage. Da dürfen wir noch hin. Zuvor kommen wir in die Ortschaft Tröstau. 

Die Hauptstraße unterqueren wir durch eine Fußgängerunterführung, auf deren anderer Seite eine Treppe wartet – ist ja schließlich ein Berglauf. Auch einen kleinen Flugplatz gibt es. Und mehrere Zuschauer. Als Eisenbahnfan fällt mir eine Bahnkilometermarkierung auf. Wir laufen auf einer aufgelassenen Schienentrasse. Im Ortsteil Leupoldsdorf ist neben einem Eisenbahnwaggondenkmal der Startpunkt des Halbmarathons. Interessanterweise bei Kilometer 20. Dazu später noch was.

Jetzt  kommt erst mal eine neue und größere Herausforderung: Wir müssen auf den nächsten 11 Kilometern noch 500 Meter hinauf. Da ist an einigen Stellen für uns Flachlandtiroler Gehen angesagt und die Freunde aus Altenburg werden uns jetzt endgültig abhängen. Ein bisschen frustrierend, dass wir ziemlich nach hinten durchgereicht werden. Judith schwört sich, nie mehr einen (Berg-)Marathon zu laufen, und wähnt uns schon am Ende des Läuferfelds. Wer meine Artikel verfolgt, weiß, dass es jetzt an der Zeit ist, den Mund zu halten.

Ich betrachte derweil die Flora genauer: Schon den ganzen Weg begleiten uns wunderschön lila blühende Glockenblumen, ebenso einige weiße Stauden sind dabei. Manchmal sieht man auch schon einige Disteln. Und viele farbige Blümchen. Das Wahrzeichen des Fichtelgebirges ist der weiße Siebenstern. Und natürlich gibt es ganz, ganz viel Wald. Gelegentlich kann man einen Blick auf die umgebenden Berge erhaschen. Die Forstwege sind hier alle super zu laufen und trotz Sonnenschein ist es meist schattig bei einem kühlenden Lüftchen. Ideale Bedingungen für einen Sommermarathon.

Einige Wanderer sind unterwegs, der Gipfel ist nah. Judith aus Lauda in Baden-Württemberg schließt zu uns auf und gibt meiner Judith ihren Kampfgeist wieder. Die angekündigten letzten 500 Meter bis zum Gipfel sind dann die steilsten. Oben ein Alphornbläser, der uns antreibt, und dann eine Verpflegungsstelle zum Kräftetanken. Die Abhöranlage aus der Zeit des Kalten Krieges steht auf dem höchsten Gipfel des Fichtelgebirges (1051 m) und ca. 20 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt. Heute wird sie für den Mobilfunk genutzt. Einige Läufer aus der Tschechischen Republik sind natürlich auch mit von der Partie. Außerdem Teilnehmer aus Moskau, aus Helsinki, aus Kanada, aus Italien und aus Österreich. Auf diese Internationalität ist der Veranstalter sehr stolz.
Die höchste Stelle heißt übrigens Backöfele. Wo im Dreißigjährigen Krieg Brot gebacken wurde, steht heute ein hölzerner Aussichtsturm.

Nach der Stärkung geht es vier Kilometer auf einer autofreien Teerstraße mit etwas Split steil bergab. Links noch eine Bergwachthütte. Die gibt es also nicht nur in den Alpen. Einige schöne Ausblicke auf den Weißenstädter See. Uns kommt das Gefälle gerade recht. Wir überholen nun wieder viele Läufer und sind sehr flott unterwegs. Zum Fotografieren komme ich da nicht. Die Straße geht dann wieder in einen Forstweg über, noch ein kleiner Gegenanstieg und bei Kilometer 37 sind wir im Tal und auf einer Landstraße. Da kein Auto zu sehen ist, weiß man nicht, ist sie gesperrt oder nicht. Also laufen wir brav am linken Rand. Inzwischen sehen wir leider keine anderen Läufer mehr. Die Strecke ist aber sehr gut markiert mit farbigen Bändern und Pfeilen am Boden sowie auffällig gesperrten Abzweigungen.

Unter 4:30 h werden wir wohl nicht mehr bleiben. Der Weißenstädter See ist dann bei Kilometer 38 erreicht. Den gegenwärtigen See gibt es seit 1976, als man sich entschloss, die Eger aufzustauen. Aber schon bis 1816 gab es hier einen Stausee. Wir laufen die Seepromenade entlang. Wirklich ein schönes touristisches Ambiente. Wenn jemand einen Übernachtungsort sucht, würde ich ihm Weißenstadt empfehlen. Viele Spaziergänger sind hier unterwegs, die uns aber kaum wahrnehmen. Man sitzt im Café und genießt das sommerliche Wetter. Das Ziel auf der anderen Seeseite ist zu sehen und zu hören. Bei Kilometer 41 wird der nahe Endpunkt angekündigt. Wenige Meter weiter ist er erreicht.

Haben wir uns irgendwo verlaufen? Fehlt da nicht was? Die Uhr steht auf 4:24 h. Anscheinend wurde bei der Umkehr des Streckenverlaufs eine kleine Korrektur bei der Seeumrundung vorgenommen, die für die Marathonis nicht ausgeglichen wurde. Das könnte den Marathon auf eine  klassische, vor-britische Länge verkürzt haben. Ich denke, dass man damit leben kann, da die Zeiten bei Berg- und Landschaftsläufen sowieso nicht vergleichbar sind. Uns stört es nicht und klar ist auch, dass jeder Läufer den letzten Kilometer noch geschafft hätte.

Ansonsten fänden es einige „Wiederholungstäter“ besser, wenn der schwerste Anstieg am Anfang kommen würde, also so wie früher. Ich kenne es nicht anders und finde das Ziel am See sehr schön. Mal sehen, für welche Variante sich der Veranstalter nächstes Jahr entscheidet.

Wir genießen den wunderschönen Tag am See. Man merkt, dass die Organisatoren (wie im Internet angekündigt) mit viel Begeisterung am Werk sind und sich freuen, ihren Gästen das schöne Fichtelgebirge zu zeigen. Es gibt Getränke bis zum Abwinken. Besonders erwähnenswert das exzellente alkoholfreie Weißbier von Maisel.

Die Prämierung der Siegerinnen und Sieger nimmt Weißenstadts Bürgermeister Frank Dreyer vor. Der ist mit dem Fahrrad angereist. Judith hat den zweiten Platz in ihrer AK belegt und wird die Trailschuhe wahrscheinlich doch noch nicht an den Nagel hängen. Der letzte Läufer (1. M70) kommt nach 5:54 h ins Ziel, gefolgt von einem Besen-Quad der Bergwacht.

Fazit:

 Sehr gut organisiert (bis auf die Schwäche bei der Vermessung)

 Sehr gut ausgestattete Verpflegungspunkte, einige zusätzliche Wasserstellen

 Im Startpreis enthalten ist ein hochwertiges Laufshirt, alternativ ein Buff-Mehrzweck-Kopf/Halstuch oder eine Kappe

 auch im Startpaket: Vollkornbrot mit italienischen Kräutern vom deutschlandweit bekannten Sponsor Pema aus Weißenstadt.

 Orginelle Medaille aus Holz

 Schönes Zielgelände am See (Wassertemperatur 19 Grad)

 Fast warme Duschen auf dem angrenzenden Campingplatz

 Bustransfer zurück zum Startplatz

 900 Höhenmeter

 Finisher Marathon: 129 m und 20 w, Halbmarathon: 167 m und 59 w

 Fahrradbegleitung nach Anmeldung möglich

  

Marathonsieger
Männer

1. Apfelbacher Sebastian  TG Kitzingen 02:56:04
2. Mistrik Erik 03:07:46
3. Müller Alexander TV Stammbach 03:08:08

Frauen

1. Gipser Heike  SC Gefrees 03:23:33 
2. Schadewell Andrea Team Icehouse 03:45:53
3. Stahlberg Kirsten Teichwiesen Friends 03:47:23


149 Finisher

 

Informationen: Fichtelgebirgsmarathon
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