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Laufberichte

Noble Läufer in Dynamit-City

08.11.09
Autor: Joe Kelbel

Im Jahre 1865 gründete Alfred Nobel, der schwedische Erfinder des Dynamits in Troisdorf eine Dynamitfabrik, um die Bergwerke im Ruhrgebiet besser versorgen zu können, denn der Sprengstoff war anfangs nicht risikofrei transportierbar.

Da er kinderlos blieb, verfügte er im Jahre 1900, daß sein Vermögen in eine Stiftung eingebracht wird. Was ihn letztlich dazu bewegte, darüber hatte er nie gesprochen, doch scheint sicher zu sein, daß er sich auch der negativen Seiten seiner Erfindung bewusst war. Er schrieb in seinem Testament, der Nobel-Preis solle an diejenigen jährlich ausbezahlt werden, „die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben.“

Im Jahr 2004 wurde die Dynamit Nobel AG Troisdorf schließlich finanziell zerstückelt und das Werk geschlossen. Meine Erinnerung an die riesige Fabrikanlage ist verblasst, geblieben ist die Erinnerung an meinen ersten Ultralauf vor zwei Jahren beim 6 Std-Lauf in Troisdorf, bei dem ich in der Mannschaftswertung sogleich den dritten Platz erlangte. In meiner Erinnerung ist auch die mit den rosa Laufschuhen, die an der Versorgungsstation stand und später eine Runde mit mir mitgelaufen ist. Nachher sagte sie, die Schuhe seien hellblau gewesen, doch der Deich an der Agger hat eigene Farbgesetze.
Ich erinnere mich auch, daß die Startnummernausgabe in der Grundschule in der Heerstraße ist. Auch diesmal eigentlich gut zu finden, doch  machmal ist ein Navigationsgerätegegner auch nervös, und deshalb äußerst dankbar für exellente Ausschilderung.

Als ich damals aus der Halle raus bin, hörte ich, wie sich eine Gruppe unterhielt: „Diesen verrückten Laufjoe muß ich mal unbedingt kennenlernen“. So lernte ich Martinwalkt, Sarah, Siggi und Mattin von den Endorphine Junkies kennen.
Dieses Mal reise ich frühzeitig an. Ich möchte mir das  ultrageile Frühstück  nicht entgehen lassen. Ich möchte diese Stimmung aufsaugen. Es ist eine Stimmung, die es nur bei Ultraveranstaltungen gibt, ohne Aufgeregtheit oder Konkurrenzdruck , eine Frühstücksoase der Glückseligkeit, die nur durch die Prognose des Eintracht-Gurus gedämpft wird: „Joe, das sieht nach OP aus!“- Gerne hätte ich dazu Doro Frey interviewt, die diese Haglund-Fersen-OP gerade hinter sich hat, doch verständlicherweise ist sie heute nicht hier.

Ich bin noch gar nicht richtig in der Halle, da überfällt mich schon Ultrastevie vom LTV Marpingen. Nach kurzer Begrüßungsrangelei, bei der ich klar siegte, stellt er mir seine Vereinkollegen vor: Tanja und Jörg Hooß, die Deutschen Meister über 100 km. Als guter Reporter war mir schon um 8:30 Uhr klar, daß  Tanja an diesem Tag einen neuen Deutschen Rekord aufstellen würde, und ihr Mann nur 2 km weiter kommen wird. Also ergattere ich ein frisches Exklusivfoto von den Dreien.

Der letzjährige Troisdorfgewinner  Marian-Jan Olejnik kann als ehemaliger Bergarbeiter aus Oberschlesien sicherlich mit Dynamit umgehen. Sein Ziel es ist, Platz eins der addierten Bestleistungen des Jahres im 6-Stunden-Laufes zu erreicht. Darum kämpft auch Roland Gasch, der momentan Führende der 6-Std-Lauf-Jahresbestenliste und Réné Strosny, der dritte des Europalaufes, zur Zeit auf Platz zwei dieser Liste. In Troisdorf findet die letzte der 6 Stunden-Wertungen statt.
Ja es ist schön hier in der Halle, mit lecker Brötchen und starkem Kaffee in der Hand könnte man sich stundenlang mit all den noblen Läufern unterhalten ... wenn da nicht ein kleiner 6 Stunden-Lauf wäre. Was hat Antje Krause, die 100 km-Gewinnerin von Bornholm vor? Warum läuft sie ohne Fotoapparat?

Kaum bin ich aus der Halle raus, um meine Eigenverpflegung zu sortieren, da kommt mir Walter Zimmermann entgegen. Er ist seit Ewigkeiten amtierender Deutscher Meister im 48 Stunden Lauf, heute macht ihm dies bestimmt niemand streitig.

Im Eilschritt kommt  mir der Inder Shrinivivas Vinodkumar entgegen, ich kenne ihn noch von den 100 Km in Leipzig.  Der Mann startet für den LLC Marathon Regensburg und hat Potenzial! Mit wem telefoniert er denn da? Freundin oder Trainer?

Thomas Dietrich will seine Frankfurt-Schmach ausgleichen. Habe ich da eventuell auch etwas auszugleichen? Was ist mit Fred? 116 km läuft er für ein Bier, will der an meine Eigenverpflegung?

Endlich lerne ich Steffen Kohler kennen, der im strahlenden Trikot der Laufgemeinschaft der DUV antritt. 

Daniel Basel und Bernhard Hertinger wollen nur sammeln, nach 5 Stunden wollen sie heimfahren, ein Ort mit „X“ fehlt für die Marathon-Sammelei. Ist dieser Ort in China zu finden?

Hans-Jürgen Jablonski läuft im Schottenrock, hat aber was drunter , wie ich bei einer Kontrolle feststelle. Er glänzt mit der Schottischen Hymne, akzentfrei.
Ingo Schulze, der Organisator des Europalaufes, registriert endlich, welchen potentiellen Europalauf-Kanditaten in m4y-Jacke er vor sich hat. Mehrfach murmelt er leise „Joe, Joe“.

Ohne Zeitdruck lungern wir rund ums Stadion rum, keine Hektik, kein Startblock, ich sehe noch Wolfgang Schwerk vom Sri Chinmoy Marathon Team, komme aber nicht mehr zu ihm hin, da fällt schon der Startschuß.

Zum neunten Mal wird nun in Troisdorf der 6 Stunden-Lauf ausgerichtet. Der Termin ist konkurrenzlos, die Strecke auch. Die 2,5 km-lange Runde startet im Aggerstadion. Die Agger, ein starkes Flüßchen, welches beiTroisdorf in die Sieg mündet, braucht einen Deich, den gibt es hinter dem Stadion. Der Weg auf der Deichkrone wird jedes Jahr  zur Matschpartie, das ist einkalkuliert, das gehört jedes Jahr dazu, aber heute erstmalig nicht. Ein besonderer Tag?

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Informationen: Troisdorfer 6-Stunden-Lauf
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