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Laufberichte

Voll die Welle

22.09.12

 

Etappe 2 Rapperswil

 

Der hohe Anteil an Abschnitten mit echtem Trailcharakter überrascht mich positiv. Ich hatte mir im Vorfeld Wander- und Spazierweg-Autobahnen, geeignet fürs Gassi Gehen in Gucci-Ballerinas mit Klein-Fifi, vorgestellt, muss jedoch feststellen, dass ich mit meinen Ultra-Schuhen, die ich nur in Trailausführung besitze, das perfekte Schuhwerk trage.

Wolken und Nebel geben mehr und mehr den Blick auf den See und in Richtung Innerschweiz frei und wir Singles machen den Weg frei für die Sixpacks und Twins. Die Schnellsten von Ihnen haben die Stunde Rückstand aufgeholt und preschen an uns vorbei.

Das Schloss Rapperswil und der Seedamm sind gut zu sehen, das bedeutet, dass die nächste Station näher rückt. Die Ablösungen der Sixpacks, die Ankommenden und die Supporter sorgen für Leben auf dem Schulhof, die freundlichen Helfer für einen tollen Service. „Kann ich dir die Flasche auffüllen, brauchst du sonst etwas?“, höre ich mehr als einmal.

Ich fühle mich gerüstet für den nächsten Abschnitt und beschließe alleine loszutraben, obwohl ich es schätze, in einer kleinen Gruppe zu laufen. Die Distanz und das Zeitlimit lassen mich anders kalkulieren.  Das lange, gerade Stück entlang des Obersees würde mir sicher kürzer erscheinen, wenn ich mich beim Laufen mit jemandem unterhalten könnte. Aber ich bin vorgewarnt und habe mich darauf eingestellt. Irgendwann auf diesem Abschnitt kommt die vorhergesagt Regenwelle. Es wird dunkel und die Topfen klatschen ganz ordentlich herunter. Spätestens in Schmerikon flutscht es in den Schuhen. Mit einem Membranschuh hätte ich diesen Moment herauszögern können, aber ob diese Wahl auf die Dauer des ganzen Laufs die bessere wäre, lasse ich dahingestellt.

Ein genaueres Kartenstudium im Vorfeld bringt Vorteile. Zum Beispiel den, dass man nicht überrascht ist, wenn der Weg nicht direkt dem östlichen Ende des Zürichsees entlang geht, sondern weiter entgegen der Fließrichtung des Wassers. Zuerst ist dies der Aabach, der auf einer gedeckten Holzbrücke überquert wird. Ein Kutscher kommt mir mit seinem Zweispänner entgegen und meint: „Da habt ihr euch keinen guten Tag für euer Unterfangen ausgesucht!“ Sicher wäre es mit weniger Nässe angenehmer; fürs Laufen ist dieser Landregen, zu welchem sich der Niederschlag mittlerweile entwickelt hat, aber sicher weniger störend als für eine Ausfahrt mit der Kutsche.

Wie auf rohen Eiern nehme ich die Metallbrücke über den Steinenbach in Angriff. Auf dem Damm des Linthkanals geht es weiter nach Grinau. Auf der anderen Seite des Kanals liegt am Waldrand verborgen die alte Linth. Parallel bringen diese drei Flussläufe das Wasser geordnet zum Zürichsee. Das vor über 200 Jahren begonnene Linthwerk war ein epochales Projekt und wird derzeit den Erfordernissen von Hochwasserschutz und den Erkenntnissen der Ökologie angepasst.

Bei Grinau ist Schluss mit flach aber nicht fertig lustig. Nein, der Spaß geht richtig los. Wo die Armee ist, da ist Morast. Das war eine meiner ersten militärischen Erfahrungen. Die Schutz- und Sperranlangen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs können hier in Augenschein genommen werden, mich interessiert aber nur das lange Waldstück über den Buechberg. Da bin ich richtig im Element.
Welchen Kontrast bietet da beim Verlassen des Waldes der Golfplatz bei Nuolen. Fein manikürierter Rasen. Wie sähe der aus, wenn 300 Wayvers über, statt um das Green herum pflügen würden? Mit meinen verschlammten Profilschuhen fühle ich mich besser als ich mit polierten Tretern aus Wasserbüffelleder.  Oder wie wurde ich mal gefragt? „Hast du noch ein Liebesleben oder spielst du Golf…?“ Ich halte den Golfern hier zugute, dass ihr Hobby offenbar zur Renaturierung der Landschaft beiträgt, welche für die Abbau von Kies herhalten muss.

Falls ich es noch nicht erwähnt habe: die Regenwelle ist noch nicht vorbei. Der Weg nach Lachen sieht nicht zum Lachen aus. Der Himmel weint und der Kiesweg ist zur wohl längsten Kneippanlage der Welt mutiert. Plötzlich stehe ich wenige Meter vor einer Start- und Landepiste. Ich bin nicht vom Weg abgekommen, die Markierungen haben mich bisher richtig gelotst. Das hier ist kein Hochsicherheits-Airport, es ist der Flugplatz von Lachen mit einer Piste, die kaum länger als breit ist. Wenn nach Westen gestartet werden muss, was fast immer der Fall ist, hat man vorzugsweise einen starken Motor unter der Haube. Und sonst bitte eine ausgeprägte Koordinationsfähigkeit, denn die Ausfahrt aus dem Bootshafen liegt direkt hinter der Piste und die Masten der Segelschiffe sind in der Regel höher als ein Besenstiel…

Kristina wartet bei der Verpflegung auf ihren Twin Roberto. Ich war überzeugt, dass er mich noch einholen würde, was wenige Minuten später der Fall gewesen wäre. Ich freue mich, dass ich so beide noch sehe. Auch wenn wir sonst unsere Wege gehen: Laufen verbindet.

Wie üblich ist bei mir nach 60 Kilometern der Sättigungsgrad in Sachen Iso erreicht. Cola und Salzgebäck wäre jetzt nach meinem Gusto. Na ja, vielleicht wird diese Anregung fürs nächste Mal umgesetzt. Mit etwas Geschick kann ich mir Bückware in Form eines Bleifreien schnorren. Ich verspreche, dass ich diesen Freundesdienst in meinem Bericht auf jeden Fall erwähnen werde.

 

Etappe 3 Lachen

 

Mit der Zeit bin ich gut dran, noch habe ich kein Limit im Nacken und ausreichend Polster für späteres Nachlassen. So bestärkt und gestärkt nehme ich nach dieser längeren (23km) Etappe die nächste Welle in Angriff, während von oben immer noch die gleiche Welle am Nässen ist. Bis Schindellegi sind es nur 16 Kilometer. Diese überschaubare Distanz wartet dafür mit dem herzhaften Anstieg zum Etzel auf. Das müsste mir liegen.

Die angebotene Massage auf dem Kulminationspunkt muss ich nicht in Anspruch nehmen, ich bleibe auch lieber in Bewegung, denn es auf 1100 Metern Höhe ist es doch gleich kühler. Zumal es – falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte – regnet und regnet. Im Abstieg gibt es einen steilen Schlammpfad zwischen zwei mit Elektrozäunen gesicherten Weiden. Meine Überlebenstrainings auf ähnlichen Trailstrecken zahlen sich aus. Mir kann man auf diesem Weg keine Geständnisse entlocken.

In Schindellegi ducken sich bei der Verpflegungs- und Wechselstation alle Leute unter die Vordächer. Haben die sich noch nicht daran gewöhnt, dass es seit Stunden regnet? Zugegeben, eine kleine Anpassung muss ich auch vornehmen. Ich trinke nur warme Bouillon und esse etwas Banane bevor ich vor weiterem Auskühlen weiterziehe.

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Informationen: THE WAYVE
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