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Laufberichte

Höhenflug

25.07.09

Zur Erfüllung seines Daseinszwecks soll Mann bekanntlich ein Haus bauen, einen Sohn zeugen und einen Baum pflanzen.  Und dann? Eine Bekannte meinte kürzlich, dann komme die Midlife Crisis und Mann bewältige diese, indem er sich entweder eine Geliebte nimmt oder sich ein Motorrad kauft (vorzugsweise eine Harley) oder einen Marathon läuft.

Als glücklich Verheirateter  brauche ich keinen Stress mit einer Geliebten und Motorrad Fahren ist mir zu gefährlich, folglich habe ich bekanntlich den Marathon gewählt. Und was macht Mann, wenn er sich über die Ziellinie eines Marathons geschleppt hat? Da wären die Varianten Bergmarathon und Ultra – oder die Kombination dieser beiden als dritte Möglichkeit. Im vergangenen Jahr habe ich am Swiss Alpine in Davos diese Option auf dem K78 eingelöst, was nun?

Ich brauche nicht lange zu überlegen: Wiederholen – auf und Davos! Davon können mich auch jene nicht abhalten, die im vergangen Jahr Opfer der unglücklichen Verkürzung der Durchgangszeiten waren und den Swiss Alpine nun boykottieren.

Da ich schon seit geraumer Zeit in der Startliste aufgeführt war, bekam ich die im Startgeld inbegriffene Fahrkarte vom Wohnort (für Ausländer ab Grenzbahnhof oder Flughafen) nachhause geschickt und konnte mich auf eine gemütliche stressfreie  Anfahrt mit der Bahn freuen. Eine Unterkunft hatten mir liebe Bekannte schon vor geraumer Zeit angeboten.

Dieter, der Marathonsammler, hat sich für den C42 entschieden, um seinem Ziel von hundert verschieden Marathons noch näher zu kommen und landet am Freitagmorgen mit der ersten Maschine aus Berlin in Zürich. Da mich mein Zug sowieso am Flughafen vorbeibringt, treffen wir uns dort und fahren bei schönstem Sommerwetter nach Davos. Der Ausblick auf Zürichsee, Walensee, das Schloss Sargans und das friedliche Prättigau versetzt uns in Ferienstimmung.

Mit dem Regio-Ticket, welches allen Teilnehmern ebenfalls abgegeben wird, wollen wir unsere Reise von Davos-Platz aus noch verlängern. Am Bahnhof treffe ich Klaus Klein mit seinen Kumpanen, die ebenfalls vorhaben, einen kleinen Abstecher nach St. Moritz zu machen und dabei einen Teil der Strecke von der Bahnlinie aus zu inspizieren.

Beim Warten auf den Zug komme ich mit Remo ins Gespräch, einem jüngeren Läufer, der meinen Dialekt spricht. Nach zwei erfolgreichen Teilnahmen am Jungfrau-Marathon will er sich an der Königsdisziplin des Swiss Alpine versuchen. Er ist ganz froh, ein bisschen Marathon-Erfahrung um sich herum zu haben, wobei er sich seriös auf diese Herausforderung vorbereitet hat. Streckenplan, Profil, Verpflegungsplan, Zeittabelle – alles hat er akribisch zusammengestellt und mit persönlichen Notizen versehen. 

Der Bummel über das Pflaster von St. Moritz bestätigt mir wieder neu, dass dieser mondäne Ferienort nicht nur aus Gründen des Budgets nichts ist für mich. Auch deshalb machen wir uns wieder auf den Weg zurück nach Davos. Wir wollen auch genügend Zeit haben, um die Startnummern abzuholen und uns an der Pastaparty für den morgigen Tag zu stärken. Nochmals kann ich von der Albulastrecke aus – ein UNESCO Weltkulturerbe – einen Blick auf die Landschaft werfen, die ich in weniger als vierundzwanzig Stunden zu Fuß durchlaufen werde.  Auf der Fahrt über den Viadukt bei Wiesen atme ich kurz durch und stelle mir vor, wie ich morgen als nicht schwindelfreier Läufer  über den seitlich angebrachten Metallsteg tänzle.

Das Kongresszentrum wird zurzeit umgebaut, weshalb die Starnummernausgabe und die kleine Marathon-Expo in einer Schulanlage untergebracht sind. Mit ein bisschen Suchen finde ich den Zugang und bin innert kürzester Zeit im Besitz meiner Startunterlagen.

Der Tag davor

Beim Sportzentrum stellen wir uns zur Essensausgabe an und setzen uns mit leckerer Pasta an einen der zahlreichen Tische. Den Nachschlag, den wir uns holen dürfen, müssen wir dann allerdings auf der gedeckten Tribüne zu uns nehmen. Aus den anfänglichen Tropfen hat sich ein stetiger Regen entwickelt. „Lieber heute als morgen“, denke ich und merke, dass die bisherigen dreizehn Marathons und der Ultra in diesem Jahr nur einen Teil der Nervosität auf den kommenden Tag zu dämpfen vermögen. Oder ist es einfach die Vorfreude?

Der Regen, der mich auf den letzten Metern vor meiner Unterkunft noch kräftig befeuchtet, bleibt auch während der Nacht ein treuer Begleiter. Immer wieder wache ich auf und höre das leichte Trommeln auf dem Dachfenster. Ich würde mich als bescheiden bezeichnen, doch einen Wunsch habe ich um 5.00 Uhr: „ Bitte kein Dauerregen wie am LGT Alpinmarathon  Liechtenstein!“ Mit diesem Flehen auf den Lippen döse ich nochmals weg, bis mir eine halbe Stunde später der Wecker das Startzeichen für die letzten Vorbereitungen an diesem besonderen Tag gibt. Wie hat wohl die Lokalmatadorin im Nachbarhaus geschlafen?

Jacky startet zeitgleich zum K31, weshalb ich mein Marathonfrühstück ausnahmsweise nicht alleine einnehmen muss. Der Nachteil ist, dass ich plötzlich merke, dass ich mich mit meinen Vorbereitungen beeilen muss. Dafür ist mittlerweile blauer Himmel zu sehen. Mit diesem Zeichen - zusammen mit der Wettervorhersage, die ich vom Organisationsteam aufs Handy bekommen habe - entscheide ich mich für kurze Kleidung. Ein letzter Check noch: Im Trinkrucksack sind ein Langarmshirt und die Jacke für Wetterumschwung oder allgemein kühle Witterung in der Höhe, die Kameratasche mit Ersatzbatterien ist am Gurt; im Beutel sind Duschzeug, Kleider und Schuhe. Es kann losgehen!

Dort wo die Leute Schlangen stehen, treffe ich Anton Lautner.  Das Dreigestirn der Berichterstatter auf der langen Strecke ist also komplett. Während wir uns ins Feld begeben, steht Klaus Duwe noch bei der Startlinie. Sein Start zum K42 findet später in Bergün statt. Bis es so weit ist, ist er mit den anderen Journalisten unterwegs, nachher wechselt er in die wahrhaftige Arbeitskleidung eines Laufreporters. 

Mittlerweile kenne ich so viele Läuferinnen und Läufer, dass die Zeit bis zum akustischen Countdown mit Vangelis‘ „Conquest of Paradise“ fast zu kurz ist, um mit allen ein paar Worte zu wechseln.  Startnummer 975 is ready for take off. Begleitet vom Geknatter des Hubschraubers mit dem Fernsehteam mache ich mich auf die Piste. Die Schubhebel lasse ich vorerst weit vom Anschlag entfernt. Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr besser einzuteilen, zudem gilt es auf der anfänglichen Schlaufe durch die Stadt in den Bergen noch einige Bekannte zu grüßen, denen das Läuferfeld ein frühes Aufstehen an einem Samstagmorgen im Urlaub wert ist.

 
 

Informationen: Davos X-Trails
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