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Laufberichte

Ein Nieder-Sachse in Niedersachsen

 

„Was, du willst in Polen laufen?“ So oder so ähnlich hörten sich die Antworten an, wenn ich verkündete, den Schloss Marienburg-Marathon laufen zu wollen. Nun ist es sicher nicht schlimm, in Polen zu laufen. Aber ich will nun mal nicht die alte Ordensburg in der Nähe von Danzig umrunden, sondern das gleichnamige Schloss zwischen Hildesheim und Hannover, also in Niedersachsen.

Und das hat seinen Grund. Als ich in meinem Eisenbahnerleben vor einigen Jahren nach Hamburg versetzt wurde und erstmals auf den Gleisen zwischen Hannover und Hildesheim gen Süden rollte, sah ich plötzlich auf einem Hügel ein traumhaft schönes Märchenschloss. Meine Kollegin muss meine bewundernden Blicke bemerkt haben und erklärte mir: „Das ist Schloss Marienburg – da wohnt Ernst August von Hannover.“ DER Ernst August? Genau, DER Ernst August! Dann erzählte sie mir noch: „Wenn auf dem Schlossturm die Fahne weht, ist der Prinz zu Hause“. Und im Wind wehte die Fahne…

Es gibt Sachen im Leben, die kann man nicht erklären. Kaum eine Zugfahrt, auf der ich die Schönheit des Welfenschlosses nicht genießen konnte. Dabei habe ich nicht gewartet, bis es nun endlich auftaucht. Nein, ob ich gerade Schreibarbeiten erledigte, mit der Transportleitung telefonierte oder mich mit Reisenden herumärgern musste – irgendwann schaute ich aus dem Fenster und was sah ich? Natürlich das Schloss. Selbst wenn ich mal gedacht habe, liebe Reisende, jetzt könnt ihr mich aber mal, jetzt schließe ich hinter mir die Tür meines Dienstabteils und betreibe Augenpflege – ich wachte auf, sah aus dem Fenster und da war es wieder: Das Schloss, die Fahne wehte, Ernst August war da. Der schien nie zu verreisen.

Nun könnt ihr denken, was hat das mit dem Marathon zu tun? Für mich sehr viel, denn ich wäre nie diesen Marathon gelaufen, hätte ich nicht durch die Zugfahrten das Schloss und irgendwie auch Ernst August kennengelernt.

Ach so, für den Marathon fehlt ja noch einer, der noch wichtiger ist als Prinz Ernst August von Hannover – und das ist Heiner Schütte. Der Mann, der sich diesen Marathon ausgedacht hat. Wir trafen uns vor langer Zeit bei einem Lauf. Er erzählte mir von seinem Plan, Leute um Schloss Marienburg laufen zu lassen und das hörte sich verdammt gut an. Leider hatte meine Frau an jenem Tag im vergangenen Jahr, als die Premiere stattfand, eine andere Aufgabe für mich…

Doch dieses Jahr habe ich mich durchgesetzt und sitze schon vor Sonnenaufgang bei Andreas Gäbler vom LRC Mittelsachsen im Auto. Knapp dreihundert Kilometer liegen vor uns. Er kennt sich aus, war schon bei der Premiere im Vorjahr dabei und fährt zielsicher den Parkplatz am Ortsrand von Adensen an.

Ja, man muss schon vor dem Lauf laufen. Vom Parkplatz zur Turnhalle, vielleicht dreihundert Meter. Ich denke, das ist eine Entfernung, die man Marathonläufern zumuten kann.

Alles was der Läufer so braucht, findet er in der Turnhalle. Startnummernausgabe, Umkleidemöglichkeiten, Gepäckaufbewahrung, Duschen, sogar eine Cafeteria. Ich finde dann auch noch Klaus Egedeso, der eigentlich nach Dänemark gehört, dem es aber scheinbar in Deutschland gefällt. Er ist in diesem Jahr schon 24 Marathons gelaufen, 14 davon in Deutschland!

Im Tütchen mit der Startnummer befindet sich auch der Zeitchip, dazu ein kleiner Kabelbinder. Das ist kein Schnürsenkel-Ersatz, damit wird der Chip am Laufschuh befestigt. Aber hierzu ein Hinweis von mir: Werkzeug, um das nach Befestigung des Chips herausragende Ende des Binders abzuschneiden, gibt es an der Startnummernausgabe. Aber Vorsicht, nicht in den Schnürsenkel schneiden. Wobei, für den Fall könnt ihr euch einen neuen Kabelbinder geben lassen – diesmal als Schnürsenkel-Ersatz…       

Ich habe übrigens Startnummer 222. So eine edle Startnummer bekommt man nur, wenn man ein besonderes Jubiläum feiert oder ein besonders guter Läufer ist. Oder wenn der Heiner Schütte erreichen will, dass der Schmidt einen sehr positiven Laufbericht für Marathon4you schreibt... sagt mir ein Mitläufer. Was natürlich Quatsch ist. Veranstalter ist der VfL Adensen-Hallerburg, nicht die FIFA…

Vor der Halle und vor dem Start hat Heiner Schütte das Mikrofon in die Hand genommen. Ich habe im Fernsehen schon Leute mit Mikrofon gesehen, die weitaus weniger unterhaltsam waren. Er erzählt, dass es der Feuerwehr in diesem Jahr leider nicht gelungen ist, die Waldwege zu bewässern. Ja, die waren im vergangenen Jahr etwas feucht.

Und er beglückwünscht uns auch zu dem Entschluss, heute hier zu laufen: „Ich verspreche euch, so ein Wetter werdet ihr hier nie wieder erleben.“ Womit er Recht haben könnte. Es geht auf Ende November zu, die Sonne scheint, manch ein Läufer ist noch in kurzen Hosen unterwegs.

Die ersten Meter laufen wir durch Adensen. Mir fallen zwei Häuser auf, die mit ihrer Fassadengestaltung irgendwie aus der baulichen Reihe tanzen (siehe Fotos). Ich glaube, in manch anderem Ort hätte man so etwas gar nicht genehmigt. Solche Orte bezeichnet man deshalb auch als langweilig.

Ich laufe heute meinen 69. Marathon. Wer glaubt, mit so einer Zahl glänzen zu können, sollte lieber nicht den Schloss Marienburg-Marathon laufen. Hier sind über 30 Läufer vom 100MarathonClub Deutschland am Start.

Und Jubiläen gibt es! Johann Spieker, 75 Jahre alt und immer noch sehr schnell, läuft heute seinen 500. Marathon. Und wird noch übertroffen von Günter Meinhold. Der ist in den letzten zwei Monaten über 20 Marathons gelaufen, damit er beim Schloss Marienburg-Marathon seinen 600. laufen kann.

Wen wundert es da, dass mit Sigrid Eichler und Christian Hottas auch die absolute Weltspitze der Vielläufer vertreten ist. Als ich ein Stück neben Christian laufe, erzählt der mir zwei Witze. Über die Sachsen – ich verstehe gar nicht, dass man über Sachsen Witze machen kann.

Das Gelände steigt langsam an, wir nähern uns dem Berg, auf dem sich Schloss Marienburg befinden soll. Es wird auch dort sein, nur sehen kann man es nicht. Die Veranstalter wollen wohl die Spannung noch etwas hochhalten.

Bei Kilometer 3 sind wir im Wald. Und dafür ist hier ganz schöner Krach. Böse Menschen haben Lautsprecherboxen aufgestellt - werden Hase und Reh denken. Denen wird das nicht gefallen. Die Läuferschar dagegen ist begeistert. Die Läuferin vor mir bewegt ihre Hüften im Rhythmus der Musik. Mein Gott, wie schön ist Marathon!

Die Asphaltstraße haben wir schon kurz hinter Adensen verlassen. Inzwischen sind wir auf Wanderwegen unterwegs, die man teilweise getrost als Pfad bezeichnen kann. Ein Blick nach unten kann mancherorts nicht schaden. Andererseits, wer fällt, fällt meist weich. Und sollte es doch schiefgehen, die Sanitäter sind hier hoch zu Ross unterwegs und kommen in Notfall garantiert ganz schnell angetrabt. 

Habt ihr schon einmal einen Marathon erlebt, bei dem man sich die Strecke aussuchen kann? So nach dem Motto: Nee, der Weg gefällt mir nicht, ich nehme den anderen. Hier wird so etwas angeboten! Unterhalb des Schlosses kann sich jeder entscheiden: Entweder für  den kurzen und steilen Aufstieg zum Berg – oder für den langen und eher flachen. Ich entscheide mich für den kurzen – ein Marathon ist auch so schon lang genug…

Der direkte Aufstieg zum Schloss hat es in sich. Wir wandern auf schmalen Pfad. Und dann taucht es endlich auf, das Märchenschloss, das ich jahrelang von weitem bewundert habe. Aus der Nähe ist es nicht minder schön, eher noch schöner. Fehlt nur noch, dass Ernst August auf dem Hof steht. Aber man kann nicht alles haben. Eine Verpflegungsstelle macht es auch.

Und ein Dudelsackspieler. Hat der Heiner den Mann für uns in den kleinen Schlosshof gestellt? Oder gehört der zum Inventar des Schlosses? Egal, es gibt mit Sicherheit keinen Läufer, den der Dudelsackspieler mit seinen Klängen nicht begeistert. Der Schloss Marienburg-Marathon, das ist der Marathon mit dem Dudelsackspieler!

Nun dachte ich, nach dem Schloss kann es mit mir nur noch bergab gehen. Da habe ich mich aber getäuscht. Ein Hügelchen wartet noch, dann erst geht es abwärts. Wir kommen wieder an der Stelle mit dem Krach vorbei, diesmal habe ich keine Hüfte vor mir, dafür trällert Freddie Mercury „We are the Champions“. Wo er Recht hat, hat er Recht.

An dieser Stelle befindet sich jetzt ein Kontrollpunkt. Braucht man so etwas? Ich dachte immer, Sportler sind ehrlich. Und die Ehrlichen bekommen einen Strich auf die Startnummer.

Nach 10,5 Kilometern erreichen wir das Ziel. Theoretisch, praktisch sieht es so aus, dass wir vorbeilaufen müssen. Denn der Heiner hat sich eine interessante Streckenführung einfallen lassen. So eine Art „8“, die wir zweimal durchlaufen müssen.

Die zweite Schleife der „8“ führt wie die erste im Großen und Ganzen durch Wald und Feld, ist aber bedeutend flacher, aber auch 10,5 Kilometer lang. Und hat man die hinter sich, ist man logischerweise wieder in Adensen und alles beginnt von vorn.

In der zweiten Runde treffe ich auf Patrick Hussel von der LLG Springe. Das ist mir peinlich. Nicht dass ich Patrick treffe, sondern dass ich dachte, Springe liegt im Harz. Nein, dass liegt gleich hier um die Ecke und es gibt da auch einen Marathon. Wer am 22.03.2015 Zeit hat: Springe-Deister-Marathon!

In der zweiten Runde fallen die Anstiege logischerweise etwas schwerer. Wäre Christian Hottas jetzt hier, könnte ich ihm einen Witz erzählen. Was ist das: Kommt aus Sachsen und ist ziemlich danieder? Ein Nieder-Sachse…

In 5.20 Stunden erreiche ich das Ziel. Dass es eine Medaille gibt, muss ich wohl nicht extra erwähnen. Aber was das für eine Medaille ist, dass müsst ihr euch unbedingt auf den Bildern anschauen. Eine schönere Medaille sah ich nimmer!

Vor langer Zeit hat mir Heiner Schütte schon erzählt, dass es ihm bei seinem Marathon sehr wichtig sei, dass jeder Läufer mit einer außergewöhnlichen Medaille nachhause geht, die ihn noch lange an den Lauf erinnert. Auch wenn so eine Medaille etwas teurer ist…

Übrigens, hier bekommen nicht nur die Läufer eine Medaillen, sondern auch die Helfer. Ein Beispiel, das Schule machen sollte. Denn ohne Helfer könnten sich auch die Läufer keine Medaille um den Hals hängen. Ohne Helfer gäbe es keinen Marathon.

Bei diesem Lauf merkt man: Hier hat ein Vielläufer,  der Heiner Schütte nämlich, einen Lauf vor allem für Vielläufer organisiert. Und für Einsteiger. Und dieser Heiner Schütte wundert sich nun, dass sich auch Läufer angemeldet haben, die Bestzeiten von unter 2:30 Stunden vorweisen können. Da muss er sich aber nicht wundern. Wer einen so schönen Marathon organisiert, muss damit rechnen.   

Einen Nachsatz noch: Als ich zuhause ankomme und meiner Frau stolz die Medaille zeige, sagt sie zuerst: „Sehr schön!“ Und dann: „Aber auch kein Wunder, wenn man einen Prinzen als Sponsor hat…!“

Liebe Frau, das dachte ich auch. Aber wie mir Heiner Schütte mitteilte, ist Ernst August nicht in den Lauf involviert. Und was die Welfenfahne betrifft: Die weht immer über dem Schloss. Der Prinz war heute vielleicht gar nicht da? Sein Pech, er hat ganz schön was verpasst!


Sieger Marathon Männer

1. Rene Jäger                                       DetsRaceTeam                              2:50:59 
2. Marcel Krieghoff                             USV Erfurt                                   2:53:39
3. Timo Habedank                                                                                     2:58:53  

186 Läufer im Ziel


Siegerinnen Marathon Frauen

1. Hannelore Lyda                              DetsRaceTeam                               3:49:40
2. Ines Rössler                                    VfB Fallersleben                            3:53:27
3. Silvia Reichelt                                Delligser SC                                   3:55:45

35 Läuferinnen im Ziel

 

 

 

Informationen: Schloss Marienburg Marathon
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