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Laufberichte

Das haben wir uns verdient

16.10.11

Weiter geht es an einem der größten gotischen Kreuzgänge Europas vorbei, der Kirche San Francesc. Für manchen ist der Marathon wohl hier bereits mehr Kreuzweg als Wallfahrt und manche kämpfen wohl noch mit der Umstellung von Flip-Flops auf Laufschuhe. Es gibt Prozessionsmärsche, an denen wird nachts von Palma aus zur Schwarzen Madonna im Kloster Lluc gelaufen und nicht jeder schafft diesen Marsch. So wird es wohl auch heute sein. Zwischen Brunnen, Blumen und Säulen scheint die Zeit gebannt zu sein, wären da nicht die schrillen, heftigen Schreie der Anfeuerung. Eine Gruppe Flamencotänzer macht Stimmung. Ein Flamencotänzer nimmt mich in den Arm, um mit mir zu tanzen. Kay ist mit den Flamenco-Damen beschäftigt und so kann er meinen tänzerischen Einsatz nicht fotografisch festhalten.

Hier an der Stadtmauer bei Kilometer 20, teilt sich die Strecke. Während die Halbmarathonläufer Richtung Kathedrale laufen, geht es für uns in Richtung S´Arenal. Ich dachte, hier wären wir ihn los, den Porno-Läufer. Sein Outfit entspricht nicht dem Dresscode für einen Marathonlauf. Details werde ich hier nicht schildern, er posiert oft genug vor unserer Kamera und er ist auch nicht abzuschütteln. Vielleicht sollte man solche Exemplare in die Stierkampfarena stellen. Dort hätte er sein Publikum und im Gegensatz zu den Stieren hätte er noch seine Freude daran. Olè.

Hier beginnt nun nicht unbedingt der schönste Teil der Strecke, die Bebauung wird spärlicher. Wir laufen inlandig vorbei an schwarz-weißen Kühen und alten Windmühlen. Diese Mühlen stehen wahrscheinlich nur zu Dekorationszwecken hier. Halbzeit am Paseo Portixol. Ulrike von der Groeben hat die Halbmarathon-Ziellinie in 1:58:00 Stunden erreicht.  Wir laufen am Puro Beach, dem Scene Club auf der Landzunge in Can Pastilla vorbei. Hier kann man es sich tagsüber auf Liegen am Pool angenehm machen, alles ist in Weiß, einfach optimal zum Chillen aber jetzt nicht für uns. Für uns beginnt hier das Erlebnis Ballermann.
Ballermann 6 ist ein Strandlokal an der Platja de Palma auf Mallorca. Der Name ist eine Verballhornung der spanischen Bezeichnung Balneario und heißt so viel wie „Heilbad“. Auf einer Strecke von fast 5 Kilometern gibt es fast 15 baugleiche Strandlokale Balneario Nr. 1 bis Balneario Nr. 15 - die Nummerierung erfolgt von Südosten nach Nordwesten.

Bei Kilometer 26,5 KM erreichen wir Can Pastilla. Dies ist im Grunde ein Vorort von S’Arenal  und verfügt auch über den größten Charterflughafen Europas. Wie schön ist doch die Anreise mit diesem Verkehrsmittel. War es im 19. Jahrhundert mühsam, nach Mallorca zu kommen, so ist die Anreise heute sehr bequem, vorausgesetzt, es wird nicht gestreikt. Es waren nur noch wenige Tage bis zum Marathon in Palma de Mallorca und dann kamen diese Nachrichten: „Chaos auf Mallorca befürchtet – Fluglotsen in Deutschland wollen doch streiken.“ Zum Glück ist es aber nicht so weit gekommen und so zischt, zum Greifen nah, über uns der gelbe TUI-Flieger. Schade, leider war gerade der Akku der Kamera leer. An der Carrer Manuela de los Herreros kommt man den Bewohnern des Meeres nah wie sonst nirgends. Wir laufen am tiefsten Aquarium Europas vorbei.


Nix los uff de Gass


Wo sind sie denn, die ständig feiernden und andauernd betrunkenen deutschen Touristen, die ihren Mallorca-Kurz-Urlaub mit Feiern und Flirten am Ballermann verbringen? Es ist kurz nach 12:00 Uhr. Da sitzen welche, bei XXL-Schnitzel oder Riesencurrywurst. Wir stecken uns die mit viel Power gefüllten Fruchtgummis in der Geschmacksrichtung Lemon in den Mund. Aber auch der Geruch von Gambas in Knoblauchbutter kommt uns in die Nase, während wir die Bierstraße queren. Alles sieht aus wie eine verlassene Filmkulisse. Sonja Oberem ist auf ihren letzten Metern ins Ziel und wird auch dieses Jahr wieder gewinnen. Für uns ist bei Kilometer 30 der Wendepunkt erreicht.  Bis zum Ballermann Nr. 6 führt uns die Strecke nicht mehr. Plötzlich, völlig unerwartet, ein Stimmungsnest!

 

Sie schlafen doch nicht!


Zahllose Urlauber schauen sich die stundenlang dauernde Prozession nun schon an. Überwiegend in deutsch sind die Anfeuerungsrufe. Drei Jungs, Chinesen mit Lederhosen, kariertem Oberhemd und Tiroler-Hut, verteilen Flugblätter. Werbung für das Oberbayern heute Abend. Rechts Bettenburgen, links das Meer. Wir laufen am sechs Kilometer langen Strand von Palma. Die Laufstrecke ist hier mit einem Band abgesperrt. Jetzt, für ein paar Stunden, ist hier alles ganz anders. Hier trifft sich die exzessive Laufszene. Ich stelle mir vor, wie an den Verpflegungsstellen der rote, alkoholfreie isotonische  Fruchtpunsch mit bunten Strohhalmen aus Eimern geschlürft wird.

Ein Mädchen reicht mir wieder eine Wasserflasche. Es sind sehr viele Helfer hier. Sozusagen ein Helfer für jeden Marathonläufer. Jetzt, bei Kilometer 34, versuche ich mich abzulenken. Wie damals empfinde ich wieder diese körperlichen Qualen. Jedoch herrscht heute kein Gegenwind. Was haben wir uns mit dem Rennrad durch die Gebirgsstraßen der Serra de Tramuntana gequält. Auf der schmalen, schlaglöchrigen und schlecht befestigten Straße zum Piratenturm am Cap Formentor gegen den Wind und der jäh hinabstürzenden Felswände getreten. Harte Oberschenkel und feuchte Hände. Der Ausblick raubte den letzten Atem. Nach jedem Trainingstag ließ ich mich in voller Montur auf das Hotelbett fallen, um Minuten später mit Laufschuhen am Strand die letzte Trainingseinheit für den Tag zu absolvieren. Dabei begann das Training schon vor dem Frühstück im kühlen Wasser. Der Pool dampfte, Athleten in schwarzen Neoprenanzügen auch. 50 – 100 Bahnen sollten es schon sein. Schließlich machten das alle hier. In so einem Triathleten-Boot-Camp will man mit einem Körper mit Schwimmertorso und Läuferbeinen, die zudem noch für das Radfahren optimiert wurden, nach Hause fahren. Da fragt man sich wirklich: „Sind Triathleten noch ganz dicht?“. Man könnte aber auch,  wie bereits 2004  Astrid Benöhr, die Insel zu Fuß umrunden. Für die 359 Kilometer war sie 50 Stunden und 51 Minuten unterwegs.

 
 

Informationen: Palma de Mallorca Marathon
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