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Laufberichte

Auf halbem Weg nach Le Mans

 

Wenig später beim Schwimmbad bekommen wir feste Nahrung, es ist spürbar wärmer geworden, der kühlende Wind hält an. Wir laufen nach Dachstein, km13. Die Reihen haben sich gelichtet, es gibt kein Gedränge, Bananen gibt es, Rosinen, Zucker, Orangen und noch vieles mehr. Hungern muss heute keiner, und bei im Schnitt alle 2km etwas zu trinken bereitet auch das schöne Wetter keine Probleme.

Live-Musik in Dachstein, die Häuser spenden Schatten. Beim Stadttor geht es nach Speis’ und Trank wieder raus. Ein schönes Dorf, wir haben Applaus bekommen und angefeuert sind wir auch worden. Es geht über den Dachsteinbach ins nächste Dorf: Ergersheim, entlang des Canal de la Bruche. Schwäne mit halbwüchsigen Jungen haben es sich am Ufer bequem gemacht, aber zuvor bekomme ich ein Stück Flammkuchen, dazu Roséwein. Planänderung: Aus dem Rosé wird nichts, es gibt Crémant, also Sekt. Auch gut, sehr gut sogar. Das bisschen Alkohol, das in dem Gläschen sein kann, spüre ich unmittelbar. Zum Verdünnen kippe ich einen Becher Wasser hinterher, alles wieder in Ordnung. 90min habe ich für die ersten 15km gebraucht. Die Rockband aus drei Mädchen bestehend spielt Nirvana.

Wir kurven durch Wolxheim, auch hier immer wieder die schönen Fachwerkhäuser. Viele Streckenposten zeigen uns, wo es weiter geht, Applaus spenden wie uns auch. Am „Rieslingweg“ geht es ab in die Weinberge. Aus riesigen Lautsprechern ertönt Blasmusik. Hört sich an wie in Bayern, Böhmen, Slowenien oder Österreich. Zwar sind wir nun in den Weinbergen, erstmal gibt es aber Wasser und nennenswerte Höhenmeter, km17. Über das Streckenprofil habe ich mir im Vorfeld keine Gedanken gemacht, im Vordergrund stand immer die außergewöhnliche Versorgung unterwegs, zusätzlich zur notwendigen Marathonkost. Hier zusammengefasst:

km 2,5:  Bretzel + Sylvaner
km 5,0:  Guglhupf + Weißburgunder
km 9,5:  Sauerkraut + Riesling
km 14:  Flammkuchen + Rosé
km 18:  Gegrillte Würste + Weißburgunder
km 21:  Marmeladekuchen + Grauburgunder
km 26:  Hering + Riesling
km 29:  Frankfurter Würstel + Riesling
km 31:  Münsterer Käse + Gewürztraminer
km 37:  Pastete im Teigmantel + Grauburgunder
km 39:  Lebkuchen + Muskatwein
km 41:  Törtchen + Sekt

Volker meint, Sigrid hinter mir wolle unbedingt ein Bild von sich auf M4Y sehen. Ich drehe mich um und sehe auch Jürgen bergwärts eilen, der muss sich gestern in Liechtenstein gut auf seinen ersten Marathon-Doppelpack vorbereitet haben.

Ende Asphalt, das Geläuf wird staubig und uneben. Kein Problem für den Australier, er begleitet seine Herzdame am Mountainbike. Mit den Höhenmetern gewinnt man Überblick, am rechten Rheinufer der Schwarzwald, hinter mir die Vogesen. Links wächst Wein, rechts Weizen, später Mais. Dass die Kirschen reif geworden sind, ist auch dem Pumuckl nicht entgangen, sie leuchten zu verführerisch.

Runter ins nächste Dorf, wo es schon wieder Orangen, Dörrobst, Müsliriegel, Wasser, Weißburgunder, Käse und was weiß ich noch alles gibt. Live-Musik, es herrscht eine entspannte Atmosphäre.  Gestärkt nehmen wir den Anstieg aus Dahlenheim raus in Angriff, oben auf der Kuppe bläst scharfer Wind von rechts und fährt mir unter die Startnummer, aber die fix-points halten! Der Wind ist mir nicht unangenehm, zumal er nach einer Linkskurve am Weg nach Scharrachbergheim von hinten kommt.

Hier sind vor zwei Stunden die Halbmarathonis gestartet, ein Streckensprecher unterhält die Zuseher, ruft einige namentlich auf. Glückliches Scharrachbergheim, Winzer sind hier ansässig, eine Brauerei gibt es, die Feldfrüchte scheinen auch zu gedeihen. Im Zick-Zack geht es durch den Ort, an jedem Knick werden wir angefeuert. Bald sind wir in Odratzheim, reges Zuseherinteresse und bei km23 wieder eine Schwammstation sowie Live-Musik. Einmal mehr überholt mich Volker in seinem Hawaiihemd, er macht auch reichlich Fotos. Habe ich schon die schönen Fachwerkhäuser erwähnt?

Mit Volker plaudernd vergehen die nächsten flachen km, bei km26 gibt es salzigen Hering auf Weißbrot. Fantastisch, ich bin begeistert. Genau das habe ich gebraucht! Wer will kann Riesling dazu haben oder Wasser.

Auf der nun zur Strecke parallel verlaufenden Straße sind Autolenker auf uns aufmerksam geworden und hupen uns anfeuernd an. Schöne und stolze Pferde haben sie hier, zwischen zwei Häusern durch belaufen wir ein schmales Gässchen und sind in Wangenmühl. Zwei Störche in ihrem Nest lassen sich von uns nicht irritieren, durch ihren Schatten am Boden werde ich erst auf sie aufmerksam. Rauf auf der Rue de Vignerons nach Wangen, da gibt es zum anderen üppigen Angebot zusätzlich Frankfurter mit Senf. Hier heißen sie Knack, anderswo Wienerli, schmecken tun sie mir so oder so.

Die Blasmusik hat leider gerade Pause, rein beim Stadttor, km28, an der Kirche vorbei, nach ein paar hundert Metern beim nächsten Tor wieder raus. Seit dem Start sind drei Stunden vergangen. Weiter geht es auf Feldwegen. Ich habe angefangen, die ersten, also eigentlich die letzten, Halbmarathonis zu überholen. Dem Tod ist es unter seiner Maske zu heiß geworden, er nimmt sie ab. Hier sind heute schon hunderte Leute vorbei, noch immer hängen da Kirschen in Reichweite am Baum. Wir laufen zwischen den Feldern durch und haben dabei wunderbare Aussicht auf die Landschaft. Kaum denke ich mir, ein Schlückchen Wasser könnte jetzt nicht schaden, ist auch schon die nächste Labestelle da. Diesmal koste ich auch die Kirschen, reif und süß und schwarz sind sie.

Es geht über die Felder, die Halbmarathonis werden immer mehr. Bei der Labe in Traenheim bekommt man nicht den Eindruck, in einen Laufbewerb geraten zu sein. Es geht zu wie am Sonntagvormittag am Kirchenvorplatz nach der Messe. Es wird gelacht und gescherzt, keiner hat Eile. Viele gut gelaunte Leute rundum. Kein Wunder, es gibt hervorragendes Essen, Obst, Käse und Wein, Powerade. Im Schuppen spielt eine Live-Band, eine Halbmarathoni hat das Mikrophon erobert und singt. Nikolaus labt sich auch, mit Deutschlandfahne als Cape, die hatte er gestern Nachmittag bei der Startnummernabholung schon um. Sein Outfit komplettiert er mit Duschhaube.
Eile haben hingegen die zahlreichen Helfer, die schleppen heran und schneiden zu, damit ja alles in mundgerechten Happen bereit liegt. Respekt vor eurer Leistung: merci bien!

Durch einen Bauernhof verlassen wir den Ort und laufen auf den nächsten Hügel, da ist das nächste Weinfest mit Blasmusik im Gange. Die Jagdhornbläser „Les Echos du Guirbaden“ sind angetreten. Hier geht es nicht zu wie im Karneval, hier ist Karneval!

Warm ist es geworden, der Wind sorgt aber immer noch für Kühlung. Beiderseits der Strecke nun Weinstöcke, km34. Ein junger Halbmarathoni mit Wuschelperücke schleppt unter seinem weiten Shirt eine Soundmachine mit, er beschallt sich selber. Kaum sind Zuseher in Sicht, baut er ein paar rhythmische Tanzschritte ein. Ein anderer hat seinen Kopf in einem Karton stecken und macht auf Roboter.

Wassersprüher in Dangolsheim, km36, und das nächste Straßenfest, auf 12 Uhr mittags fehlt nicht mehr viel. Route du Vin, schöne Wolkenformationen sind am blauen Himmel zu sehen, km37, es geht runter ins Tal der Mossig nach Soultz les Bains. Flach geht es weiter, Jürgen und ich laufen ein Stück gemeinsam, meist auf Asphalt und im Schatten. Am Zusammenfluss von Mussig und Bruche die nächste Labe: Links Wein, rechts Wasser, werden wir informiert.

Auf der Place de l’église in Avolsheim hat die „Dirty Old Band“ ihren Auftritt, schön schattig haben sie es. Ich bekomme lächelnd eine Handvoll Rosinen in die hohle Hand geleert. Keine 3km mehr sind es nun. Auf dem Asphalt kann ich gut laufen, so ziemlich alle Höhenmeter sind erledigt, Jürgen schickt mich voraus. Ich treffe einige, die ich von unterwegs schon kenne. Bei km41 warten ein paar Mädchen auf ihre Staffelpartner und 1km vorm Ziel die letzte ravitaillement.

Gar nicht so leicht da durchzukommen, die Gäste scheinen standfest zu sein, Dirk und Ulrich sind auch darunter. Es sieht gar nicht so aus, als wäre hier gleich der Zieleinlauf. Lauter relativ neue Häuser stehen hier, das Ziel ist aber am Place de la Liberté in Molsheim, den kenne ich seit gestern. Da herrscht altes Gemäuer vor, Fachwerkhäuser beispielsweise.

Beim km42-Schild treffe ich auf Evi, Küsschen, ich biege ums Eck und habe den roten Teppich vor mir, ein Stück weiter der Zielbogen. Fertig, im Ziel bekomme ich gleich meine farbenfrohe Medaille, die Bäume werfen angenehmen Schatten. Wenig später ist Jürgen im Ziel, viel schneller, als er sich am Start zugetraut hatte. Evi knipst Erinnerungsfotos, Dirk und Ulrich stoßen gut gelaunt zu uns.

Jeder bekommt in der Ziellabe ein Polo-Shirt und eine Flasche Wein, außerdem ein Törtchen. Der Eintritt ins Freibad ist auch inklusive. Den Gutschein für die abschließende Mahlzeit und das Getränk löse ich nicht ein, zu hervorragend war die Versorgung unterwegs.

Gut zwei Stunden nachdem ich im Ziel bin, geht das 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu Ende. Da ich in punkto Bugatti noch etwas unterversorgt bin, steuern Evi und ich am nächsten Tag im Zuge der Heimfahrt das Technische Museum von Sinsheim an. Hier haben sie einige sehenswerte Prachtstücke aus Molsheim stehen.

758 Marathonläufeinnen kamen bis 14h30 ins Ziel
1329 Halbmarathonis benötigten bis zu 4 Stunden
1083 10km-Finisher

Diverse Kinderläufe fanden am Samstag statt
Am Sonntag gab es noch einen 10km „Marche du coeur“ um die Aufmerksamkeit auf das Organspenden zu lenken.

Die Finisherurkunde kann man runterladen und ausdrucken.

Eine super Laufveranstaltung ist dieser Elsässische Weinberg-Marathon, könnte besser nicht sein. Nur ein Nachteil: Sehr weit entfernt von mir zuhause.


Marathonsieger:

Männer
 
1. WEBER PHILIPPE        02:44:07 (FRA)
2. STEIN DIDIER              02:44:54 (FRA)   
3. RENARD GUILLAUME  02:48:22 (FRA)  

Frauen

1. OTT MARIE                  02:56:22 (FRA)
2. SALTINI TIPHAINE         03:21:20 (FRA)
3. BISCHOFF NATASCHA    03:23:37 (D)

 

12
 
 

Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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