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Laufberichte

Gänsebraten und zwei Büstenhalter

 
Autor: Joe Kelbel

Der MMM, der Mainzer Maarauen (Ultra) Marathon ist seit 8 Jahren eine feste Größe im Laufkalender. Es darf jeder teilnehmen, der eingeladen wird. 120 haben das Glück.   

Die Strecke führt an beiden Ufern des Rheins bei Mainz entlang, startet aber am Main, auf hessischer Seite. Und dort herrscht noch die Todesstrafe (Artikel 21 der Landesverfassung). Uns beschäftigt heute eher § 1 Abs 1 des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes (SchaumwZwStG), denn alle 9 Kilometer kommen wir am Verpflegungsstand von Biggi vorbei. Die Sektsteuer wurde 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Marine eingeführt. Ein Beispiel für Abgaben, die zu einem bestimmten Zweck eingeführt, aber nach Wegfall des Zwecks nicht wieder abgeschafft werden. So wie der Soli. Das wird auch nicht der Parlamentspräsident von Rheinland Pfalz ändern können, unter dessen Schirmherrschaft der Lauf steht. Die Bürgermeister von Mainz, Wiesbaden und Gustavsburg erst recht nicht. Sie würden ja gerne mitlaufen, sind aber zum Gänseessen eingeladen.

Wir starten wie gesagt in Hessen, in der Stadt Gustavsburg, die ihren Namen vom schwedischen König Gustav Adolf hat, denn der baute 1632 im 30jährigen Krieg hier auf der Mainspitze die Gustavsburg. Heute lagert dort BP Kerosin für den Frankfurter Flughafen. Die Burg hatte auch eine Gaststätte, die damals noch am Mainufer lag, heute Kolpingstraße 9.

Unsere Gaststätte( VP) mit Start/Ziel ist am Sportplatz in Gustavsburg, wo 1856 der Hafenbahnhof gebaut wurde. Güterwaggons wurden von hier auf Dampffähren verfrachtet (Trajekt) und rüber nach Mainz transportiert. Sechs Jahre später stand die Südbrücke und machte das Trajekt überflüssig. Am ehemaligen Hafenbahnhof hält jetzt die S-Bahn. Man kann also bequem zum Start anreisen.

Das Startgeld (40) geht nicht an die kaiserliche Marine, sondern an das Hospiz Mainspitze. Das Hospiz ist erste Anlaufstelle für Sterbende und ihre Angehörigen, es liegt östlich der Kolpingstraße 9. Da sich die ehrenamtlichen Helfer des Hospizes mit Leidenden auskennen, übernehmen sie mit einem Einkaufswagen unsere mobile Versorgung entlang der Laufstrecke.

 

 

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Unser Lauf beginnt mit der Querung der Kostheimer Brücke (1887). Mainz Kostheim gehört seit 1945 zu dem Land mit der Todesstrafe. Diese Strafe kann nicht abgeschafft werden, dafür bedürfte es eines Volksentscheides, und damit tun sich Politiker bekanntermaßen schwer. Wir haben leichtfertig  den Main überquert und laufen nun am rechten Ufer entlang. Der Weinprobierstand ist im Winter geschlossen.

Der Floßhafen diente einst den Holzflößern als Ankerplatz, die Holzflöße kamen über den Main, die Verbindung ist jetzt bis zur kleinen Brücke, die wir überqueren, versandet. So kommt das Wasser heute aus dem Rhein. Das Holz wartete im Floßhafen auf die Weiterverarbeitung, die Flößer im jetzigen Gasthof Rhein-Main-Terrassen auf gebratenen Gänse und andere knusprige Dingerchen. Die Gänse duften jedenfalls schon, wie all die Jahre.  Wo jetzt das Freibad ist, waren die Sägewerke mit Blick auf den Mainzer Dom.

Wenn ich Angler sehe, frage ich jedes Mal, ob sie wirklich Sport treiben. Der Angelschein kostet 150, dazu kommt noch die Fischereiabgabe. Preiswerteres Hobby, aber nicht so erfolgsverwöhnt wie unseres.

Wir überqueren beim Stützpunkt der Wasserschutzpolizei den Floßhafen und nehmen Kurs auf die Theodor Heuss Brücke, um hinüber nach Mainz zu wechseln. Tatsächlich sitzen Wasserpolizisten und nicht Bierpolizisten vor dem PC und tun so, als würden sie arbeiten. Dabei geht es hauptsächlich darum, ob jetzt Hessen oder Rheinland-Pfalz für das Bußgeld der Schiffer zuständig ist.

Das „Strandschiff“, ein Dreimaster, war bis 1974 als Heringsfischer vor Grönland im Einsatz. Doch auch in Mainz ist es kalt. So kalt sogar, dass der Akku meiner Kamera seine Arbeit einstellt. Glücklicherweise kann M4Y-Kollege Anton noch Fotos beisteuern.

Über die Theodor Heuss Brücke überqueren wir die Grenze nach Rheinland Pfalz. Nicht jede Flussmitte bildet automatisch eine Ländergrenze. Mit Luxemburg gilt die Vereinbarung eines Kondominiums  (lat.: gemeinsames Hausrecht). Das erklärt das Wort Kondom, das die Fische im Aquarium unterhalb der Brücke nicht nutzen, weswegen ich lieber Bier, als Wasser trinke. Das Wasser wird hinter den beiden mittleren Pfeilern mit Hilfe dicker Schläuche, die die Kormorane reich garniert haben, entnommen. Es ist nicht für das Aquarium bestimmt, sondern für die Rheinwasseruntersuchungsstation, die ständig die Wasserqualität überprüft.  Und die entnimmt sowohl von hessischer, wie auch von rheinlandpfälzischer Seite.

An der Chill-und Partystation Mainz-Strand, wo sich im Sommer Sonnenanbeter entspannen, entspannt sich der Darm der Möwen, weswegen der Sand entfernt wurde. Jetzt, wo nur wenige Spaziergänger unterwegs sind, erhalte ich auch einen weißen Gruß von oben.  

Am Hilton und an der Rheingoldhalle ist es angenehmer, es duftet  wieder nach gebratenen Gänsen. Nach was sonst, um dieses Jahreszeit? Man müsste wieder mal den Mainz Marathon laufen, doch dann ich bin dann wieder beim Trans Atlas Marathon über 285 Kilometer.

 

 

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Auch vor dem Hyatt Regency weht der Geruch von gebratenen Gänsen auf die Laufstrecke. Auf der Ufermauer wird eine Reihe Gläser gerade mit Schampus gefüllt. Bei einer Hochzeit fällt traditionell viel Schaumweinsteuer an.
Am Rheinufer entlang geht es zum Winterhafen Mainz: „Rheinkilometer 500, Zollhafen Mainz, Herzlich Willkommen in bester Gesellschaft“, so werben staatsnahe Baugesellschaften um  zukünftige Eigentümer und Abgaben.

Die Südbrücke Mainz, eine Eisenbahnbrücke, ist eine der wenigen Brücken Deutschlands, die nicht von staatlicher Seite einen Namen erhalten hat. Wenn, dann müsste sie Karl-der-Große-Brücke heißen, denn der ließ hier die erste Brücke 803 errichten.

Die jetzige Südbrücke ist, wie oben gesagt, 1856 gebaut worden, und machte das Trajekt überflüssig. Sie ist über einen Kilometer lang. Dann haben wir eine Runde geschafft und kommen nach 9 Kilometern zu  Biggis Verpflegungsstand zurück. Biggi ist zuständig für die Schaumweinsteuer (etwa 1,02) pro Flasche, die dem Bund zugeführt werden. Sascha ist für die Biersteuer zuständig, die wegen des berechtigten Widerstandes von Bayern den Ländern zufließt. Der Haustrunk für die Angestellten und Arbeiter einer Brauerei ist steuerfrei, auch für den Hobbybrauer sind 2 Hektoliter steuerfrei. Pro Flasche Bier zahlt man etwa 10 Cent Biersteuer, das lasse ich gelten.

Es folgen vier weitere Runden.  Wir kommen etwa jede Stunde hier vorbei, dann hält sich die Getränkesteuer in Grenzen. Tatsächlich gibt es die Getränkesteuer, die die Gemeinden von den Gaststätten einforderte nicht mehr, die Erhebung war zu aufwändig, genau, wie die Streichholzsteuer.

Einen Schwan zu braten ist auch sehr aufwändig, man muss ihn beim Braten komplett mit Speck bedecken. Der Vogel wird ja nicht gemästet, hat also kein Fett, wie die Gans. Wir finden keinen Schwan im Tiefkühlregal, weil das Tier traditionell dem Adel vorbehalten ist. Die englischen Schwäne gehören immer noch alle der Queen. Die Schwäne hier am Weinprobierstand sind fett, denn sie werden von Menschenmüttern und ihrem Nachwuchs gut gefüttert. Alle drei Lebensformen machen uns Läufern keinen Platz, so dass ich umständlich die Ladestation für die unsäglichen E-Bikes umrunden muss.

Angenehm sind die zwei Nilgänse vor dem Freibad, sie sind jung und zutraulich. Die Nilgänse wurden in England angesiedelt, ziehen von dort zur Überwinterung zu uns. In Frankfurt sind sie ab sofort zum Abschuss freigegeben, weil sie die Freibäder verkacken.

Zwei Hunde springen in den Rhein, um Stockenten zu jagen. Die lassen sich aber nicht beeindrucken. Ihren Namen bekamen sie, weil sie anspruchslos auf Reisighaufen brüten. Die Enten, nicht die Hunde.

Von der  mit großen, roten Kugeln geschmückten Bastion von Schönborn weht schon wieder fetter Gänsebratenduft auf die Laufstrecke, ich werde langsam wahnsinnig. Der Mainzer Erzbischof Johann Philipp von Schönborn ließ im 30jährigen Krieg hier eine Schiffsbrücke bauen, die Bastion schützte den Brückenkopf, ist jetzt Grillstätte für duftendes Geflügel.

Glücklicherweise treffe ich jetzt wieder auf den mobilen VP der Helfer des Hospizes und kann den Rest der Runde nahrungsmäßig überbrücken. Danach gibt es wieder heiße Kartoffelsuppe von Olaf und Würstchen vom Metzger, Ei-Brote und Kartoffelsalat von Jörg, Schmalzbrote und Zwiebelscheiben natürlich auch.

Ihr wollt wissen, was es mit den zwei Büstenhaltern auf sich hat? Die hängen total verdreht auf der Stromleitung am Rheinufer Ecke Fischtorplatz/ Uferstraße. Wer mir glaubwürdig erklärt, was dort passiert ist, dem besorge ich einen Startplatz beim nächsten MMM! Ich will´s wissen, brat mir doch einer `nen Storch!  
 

 

Informationen: Mainzer Maaraue (Ultra-)Marathon
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