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Laufberichte

Mein Tag!

 
Autor: Joe Kelbel

Als ich vor 16 Jahren meinen ersten Marathon hier in Frankfurt lief, hatte ich schon jahrelange Lauferfahrung, allerdings katastrophale. Einmal hielt ein Streifenwagen neben mir, die Besatzung öffnete die Tür und meinte, ich sei zu schwach, um nachhause zu finden. Vor zwei Jahren passierte dies einem Barfußläufer mit roter Perücke. Den fand ein Streifenwagen vor dem Zoo.

Titelsponsor meines ersten Marathons war die Maleki Group. Dieses Jahr gibt es wieder einen  neuer Titelsponsor:  Mainova, der örtliche Energieversorger. Größter  Anteilseigner ist die Stadt Frankfurt. So bleibt das Geld im Dorf.

Der Frankfurt Marathon beginnt samstags mit dem Brezellauf, bei dem sich mir einer der wenigen Privataktionäre der Mainova offenbart. Es gibt noch weitere interessante Läufer, z.B. Arne, der letztes Jahr Deutschen Rekord (2:08:33) lief, und Irina, die zweimal London, einmal Berlin gewann. Ich hatte sie in Düsseldorf kennengelernt. Und schon  brettert mir der Chef vom Düdo-Mara einen auf die Schulter: „Joe, du Sau du!!“

 

 

Die Promis Herbert, Dieter und Jo sind auch da, und natürlich Achim, der Chef von interair, dem Titelsponsor des Brezellaufes.  Alles normale Leute. Da ich regelmäßig die Zeitung lesen, weiß ich nun, wer Pietro und Sarah Lombardi sind.  Als mir Birgit aber sagt, ich solle unbedingt ein Foto mit Barbara Meier machen, stehe ich auf dem Schlauch. Barbara Meier sei diejenige, die Frankfurts Straßen aufhübscht. Mich giftet die Schöne gleich an und ich frage mich, ob man von der  rothaarigen Staffelläuferin in 16 Jahren noch spricht.

 

 


Sonntag, 10 Uhr

 

Die Startblöcke sind brechend voll, ich suche lange nach einem Durchlaß, aber überall staut es sich. Also einfach mal abwarten. Ob die ersten Blöcke gestartet sind? Vermutlich. Man hört hier hinten nichts.

Mein Block setzt sich nach 10 Minuten in Bewegung. Jetzt komme ich leicht in den
Startbereich, nur einmal wird hart abgebremst und aufgelaufen, dann übertönt die schrill piepende Zeitmessmatte das Gebrüll der Zuschauer, die wie Seeanemonen über den Absperrgitter hängen. Wer in dem Gewühl versucht, mit seinem Smartphone Fotos zu schießen, den reisst die Menge um.

 

 

Auf der Laufstrecke ist es angenehmer. Ich habe Beinfreiheit, eventuell störende Staffelläufer werden erst ganz spät gestartet. Ich erinnere mich an andere Jahre, als solche Jungspunte links und rechts über die Bordsteine sprangen, uns vor die Füße und kurz drauf atemlos Pause machten.  Auf der Gegenseite fliegen afrikanische Hochlandbeine. Die betreiben eine andere Sportart.  2002 flogen die Absperrgitter, es herrschte starker Sturm. Heute ist alles perfekt, Musikgruppen sind weit zu hören, der Mittelstreifen der Mainzer Landstraße ist mit unglaublich vielen Fans garniert.

In der zweiten Gruppe erkenne ich Moses Masai, bei dem ich vor vier Monaten übernachtete. Beim ersten Marathon in den Highlands von Kenia kam ich zwei Stunden hinter dem letzten Einheimischen ins Ziel, eine Woche später auf Mauritius war ich fast der Sieger. Was passiert heute?

 

 

Rechts schnell in die Taunusanlage, vorm Fürstenhof abbiegen, und rein in die Hochhausschlucht der Neuen Mainzer. Es gibt da in der  Hausnummer 66 im 22. Stock die schönste Cocktailbar Frankfurts. Sie haben mich gestern dort nicht reingelassen. Ich war wohl wegen Helene zu überdreht. Helene heisst mit Nachnamen Fischer, wohnt in einem Automaten, in den  man einen Euro reinwirft. Und schon singt sie: „Mein Herz läuft Marathon, wenn ich in deine Nähe komm“. „Frauen haben auch ihr Gutes“ sagt Loriot, und gibt gleich das Kochrezept für  „Birne Helene“ dazu. „Du hast doch hoffentlich nichts unterschrieben!“ „Nein, das wird alles abgebucht!“

Die nächste Band lässt mich Birne Helene vergessen, es geht zurück zum Startgelände, wo gerade die Staffelläufer und Barbara Meier auf die Strecke geschickt werden. Bei den Gebäuden der KFW geht’s hinein in die Bockenheimer Landstraße. Hermann Josef Abs leitete nach dem Krieg auf deutscher Seite die Verhandlungen um den Schuldenerlaß, sodaß ab da die KFW die Gelder des Marshallplanes verwenden durfte.

Linker Hand in der Siesmeyerstraße sind die Gründerzeithäuser, die bis Mitte der 80ern von denen besetzt wurden, die Hermann Josef Abs nicht mochten und mit Turnschuhen ins Wiesbadener Parlament einzogen. Rechter Hand das Café Laumer, wo ein späterer Außenminister sich eine Tortenschlacht mit den Professoren lieferte. Und am 20. Juli 1944 wartete hier die studentische Widerstandsgruppe Lupus auf das Komando, in der Lindenstrasse das Gestapo Hauptquartier zu stürmen.

 

 

Wir stürmen den Opernplatz. Nicht nur Auswärtige wundern sich über die eigenartigen, pinkfarbenen Rohrkonstruktionen, die sich durch das Frankfurter Stadtgebiet ziehen und an Hinterlassenschaften des CSD erinnern. Ich mache es ein wenig spannend, denn einfach ist die Lösung dieses rosa Rätsels nicht zu lösen. Genau unter so einem Rohr werden wir abgebremst, es staut sich vor rosarot umrahmter Gasse.

Vom Rossmarkt läuft man direkt auf das ehemaliges Dresdner Bank Hochhaus zu. Im obersten Stock ist ein Löschwasserbecken, das zu meiner Zeit noch als Schwimmbad diente. Im randlosen Becken liegend, konnte man weit in den Taunus schauen. Jetzt der Blick auf den Frankfurter Hof. Dort hatte ich mich mal mit dem König der Malediven („Didi“) getroffen. Ich durfte fortan seinen Anlegesteg am Flughafen Male benutzen.

Rechter Hand ist der Große Hirschgraben (km 7) mit dem Geburtshaus von Goethe. Ihn kenne ich nicht persönlich, denke aber, wir werden uns mal begegnen. Die evangelische Katharinenkirche ist seine Taufkirche. Die Familie besaß zwei Kirchenstühle. Das waren meterhohe, riesige, mehrstöckige und reich verzierte Holzbalkone,  oberhalb des normalen Gestühles und in Altarnähe. Wer samstags nicht den ganzen Tag auf der Frankfurter Marathon Mall verbringen will, der sollte, falls er Hunger hat, vor der Katharienkirche die Straße zur Kleinmarkthalle hinunter gehen. Wer Durst hat, meide aber den Sonnenbalkon des Rolander Hofes.  

Die Hauptwache war einst das Gefängnis. Im Mansardengeschoß kamen die besseren Gefangenen unter, im Erdgeschoß das gemeine Volk. Die harten Straftäter kamen ins Schanzerloch. Als Schanzer musste man die Stadtbefestigung ausbessern.

Genau vor dem Palais von Thurn und Taxis überhole ich Alexandre aus Frankreich in seinem Kuhkostüm. Ich nenne ihn („la vache qui rit“ die lachende Kuh), nach dem Käse, der ursprünglich „La Wachkyrie“ hieß. Eine Anspielung auf die Walküre, unsere Germania. Alexandre schickt Livefotos von uns zu unseren Freunden nach Frankreich und Marokko.

Vor uns ist nun das Flemming´s  Hotel. In dem 50er- Jahre Haus wurde die Nitribitt ermordet. Wer die Gefahr sucht, der kann dort mit dem Paternoster in die Roofbar fahren. Oder er geht in den Guiness Pub. Dort kommt man auch nicht mehr raus, denn er ist um diese Zeit traditionell in ein Spinnennetz gehüllt.

 

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Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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