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Laufberichte

„Ich bin eine Ultraläuferin“

04.04.09
Autor: Heike Mohr

Vor zwei Jahren war ich schon mal in Rotenburg a.d. Fulda, um hier in netter Gesellschaft einen 30 km-Lauf als Vorbereitung für den Wien-Marathon zu absolvieren. Damals stieg ich nach den absolvierten 30 km aus.

Dieses Jahr hatten sich die Veranstalter des Waldhessenlaufs zu ihrem 10-jährigen Jubiläum etwas Besonderes ausgedacht. Neben dem traditionellen 6-Stunden-Lauf sollte es noch einen 12-Stundenlauf und einen 100 km-Lauf geben. Im Lauf-Forum wurde diese Neuerung begeistert aufgenommen, und so ließ ich mich auch anstecken und meldete mich zum 6-Stunden-Lauf an, wieder als Vorbereitung für meinen Frühjahrsmarathon. Michi wollte auch mitkommen, als Vorbereitung für seinen 24-Stunden-Lauf im Sommer.

Ich sammelte Michi, der aus Wien anreiste, am Freitag Abend am Flughafen Köln/Bonn ein und los ging’s ins idyllische Rotenburg a.d. Fulda. Wir trafen eine halbe Stunde vor dem Start des 12-Stunden- und des 100 km-Laufes ein, bezogen fix unsere Pension und gingen dann in den Schlosspark, die erste Atmosphäre dieser Veranstaltung genießen. Direkt am Start trafen wir Michael, den ich aus seinem Avatar im Forum an seinem Shirt direkt erkannte. Er zeigte mir noch ein paar andere User, die ich bislang nur vom Namen kannte, und so lernte ich gleich auch noch Ines und Mark kennen.

Letzte Anweisungen gab’s von Veranstalter Harald Heyde an die 12-Stunden-Starter, dann ertönte schon das Signal und los ging’s. Die 100 km-Läufer starteten ein Stück weiter hinten und kamen erst nach den 12-Stunden-Läufern an uns vorbei. Mein „Lieblingswalker“ Martin war nicht zu übersehen, er sang lauthals „Muss i denn zum Städtele hinaus“, als er an uns vorbeiwalkte. Mal schauen, ob er morgen, wenn wir starten, immer noch singen würde…

Wir bejubelten die Tapferen noch ein paar Runden und überließen sie dann der Nacht, um beim Italiener im Schlosspark noch was zu essen. Der Kellner dort fragte uns, weshalb man so was macht. Gute Frage, und ich war mir sicher, dass ich mir dieselbe Frage am anderen Tag spätestens nach vier Stunden auch stellen würde…

Am anderen Morgen trafen wir eine Viertelstunde vor dem Start im Schlosspark ein, freuten uns schon jetzt auf die phänomenale Verpflegung und schauten uns die noch immer laufenden und walkenden Teilnehmer an. Es war wirklich erstaunlich, wie frisch und munter die alle aussahen. Meine Frage vom Vorabend, ob Martin immer noch singen wird, wenn wir starten, beantwortete sich beim Herumschauen im Schlosspark – er walkte ein Stück weiter hinten und spielte Mundharmonika…

Michael, den ich am Abend an seinem Shirt erkannt hatte, stand umgezogen am Rand und meinte, er habe in der Nacht leider aufgeben müssen. Aber sinnlos sollte seine Reise nach Rotenburg auch nicht sein, ich übergab ihm meine Kamera und bat ihn, Fotos zu machen. Was er stundenlang ausgiebig tat, immer wieder von anderen Stellen der Schlossparkrunde.

Harald Heyde rief uns 6-Stunden-Starter zusammen, bat uns, eine Gasse für die letzten 12-Stunden-Läufer und die 100 km-Läufer freizulassen und schon ertönte auch für uns das Signal zum Start. Die Runde bei dieser Veranstaltung startet direkt hinter der Jugendherberge (die die Veranstaltung auch mit Räumlichkeiten und Übernachtungsmöglichkeiten für die Teilnehmer unterstützt), geht dann in ein paar Schleifen durch den Schlosspark – auch vorbei an der Pizzeria – dann geht’s aus dem Schlosspark hinaus und ein Stück an der Fulda entlang, mit Blick auf die malerischen Fachwerkhäuser. Und dann geht’s am Schloss schon wieder hinein in den Schlosspark, über ein kurzes Stück Kopfsteinpflaster mit einem leichten An- und wieder Abstieg. Und von hier aus kann man auch schon das Zelt, in dem die Runden gezählt werden, schon wieder sehen. 1,145 km ist diese Runde lang.

Mit meinem T-Shirt vom Kölner Brückenlauf mit der Rückenaufschrift „Bin ich eigentlich die erste Frau, die Ihnen davonläuft?“ fing ich mir eine Menge netter Bemerkungen ein. Von „Witziges Shirt!“ über „Bin ich denn der erste Mann, der Dir davonläuft?“ bis zu „Nee, die erste nicht, aber die netteste!“ kam so einiges, was ich sehr nett fand.

Überhaupt erstaunte mich die tolle Stimmung unter den Läufern. Jeder quasselte im Vorbeilaufen mit jedem, und immer wieder drosselte jemand das Tempo, um ein Weilchen mit mir zu laufen und zu quatschen. Hier war ich keinen Meter allein, und wäre ich schlecht drauf gewesen und hätte keine Lust gehabt zu reden, hätte ich ein Problem gehabt…

Anfangs traf ich immer wieder auf die letzten 100 km-Läufer, die ich noch ein bisschen anfeuern konnte. Eine absolut bewundernswerte Leistung, die ich sicherlich niemals erbringen werde.

Für mich war die kurze Runde eine tolle Sache, so war die Distanz, die ich zurücklegen musste, schön kurz und überschaubar, und ich freute mich über die stetig wachsende Zahl an Runden., die von einem netten Team gezählt wurden. Die Jungs und Mädels hatten bei jeder Runde ein nettes und motivierendes Wort für mich.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, alle vier Runden etwas zu trinken und bei aufkommendem Hunger eine Kleinigkeit zu essen. Aber diesen Vorsatz konnte ich angesichts der tollen Verpflegung nicht halten, zu verführerisch waren die unterschiedlichen Getränke (Tee, Wasser, Malzbier, alkoholfreies Bier, Cola, Iso-Getränk, Brühe) und das leckere Essen (Obst, Müsliriegel, Nutellabrote, Schmalzbrote, Waffeln, Knabbergebäck, Chili und Nudeln mit Tomatensoße – und irgendwas fehlt jetzt bestimmt in meiner Auflistung…). Ich musste aufpassen, nicht zuviel zu nehmen und mit schwerem Magen weiter zu müssen.

Informationen: 6-Stundenlauf Waldhessen
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

Nach drei Stunden sauste ein Läufer mit einem gelben Marathon-Fähnchen an mir vorbei. Harald Heyde schickt hier jedes Jahr die Läufer mit solchen Fähnchen auf die 37. Runde, auf der man die Marathon-Distanz absolviert. Bei diesem Läufer konnte ich so schnell gar nicht applaudieren, wie er schon an mir vorbei war.

Meine Runden drehte ich immer wieder mit anderen netten Leuten – mit meinem „Lieblingswalker“ Martin, mit Ines I und Ines II, mit Michi, stückweise mit Martin, solange er noch seine 100 km voll machte und mit immer wieder neuen Läuferinnen und Läufern. Schlechte Laune kriegen ging hier gar nicht.

Laut meiner Triathlon-Trainerin sollte ich 3:30 Stunden laufen und dann aussteigen. Aber mir war schnell klar, dass ich das bereuen und mich deshalb an diese Anweisung nicht halten würde. Die 3:30 Stunden wollte ich durchlaufen und den Rest dann locker abwechselnd gehen und laufen, wie’s gerade ging.

Und so machte ich das auch. Nach 3:35:02 Stunden erreichte ich wieder den Start und ging ab jetzt erstmal eine Runde. Und bekam prompt einen Kommentar vom „Endorphinjunkie“, der meinte, dass das hier ein 6-Stunden-LAUF sei und kein 6-Stunden-WALK… Blöderweise überholte er mich die letzten zweieinhalb Stunden bis zum Schluss-Signal immer nur dann, wenn ich gerade ging.

Irgendwann war’s dann trotz Gehpausen und völlig unerwartet soweit, auch ich bekam ein Marathon-Fähnchen. Diese Runde konnte ich ja jetzt schlecht gehen, und so lief ich stolz mit dem gelben Fähnchen meine 37. Runde. Als ich wieder das Rundenzähl-Zelt erreichte und mein Fähnchen wieder abgab, jubelte ich laut „Ich bin eine Ultraläuferin, hurra!“ Die Marathondistanz war schon einige hundert Meter vorher überschritten und ich hatte nun die längste Laufstrecke meines Lebens hinter mich gebracht! Jetzt packte mich doch der Ehrgeiz, in der letzten noch verbleibenden Zeit 45 km zusammen zu bekommen.

Was auch gelang, letztlich standen 45,421 km hinter meinem Namen auf der Ergebnisliste. Ich konnte mich immer noch bewegen und freute mich gigantisch über meinen ersten – und obendrein ungeplanten – Ultralauf. Die Frage nach dem Warum stellte ich mir wider Erwarten nicht, im Gegenteil, jetzt weiß ich eine Antwort: weil’s gigantisch Spaß macht, mit so vielen netten Leuten einen sonnigen Tag im Rotenburger Schlosspark zu verbringen und sich ganz nebenbei selbst zu übertreffen.

Mein linkes Knie hatte irgendwann angefangen zu schmerzen, aber ansonsten ging’s mir auch noch erstaunlich gut. Einen Schönheitspreis hätte ich heute mit meinen Kompressionsstrümpfen bestimmt nicht gewonnen, aber sie hatten ihren Zweck voll erfüllt, meinem operierten und ansonsten noch öfter schmerzenden Bein hatte dieser Härtetest nichts ausgemacht.

Nach der Dusche in unserer Pension trafen wir alle frisch und munter zum Läuferbufett – Erbsensuppe, Nudeln oder Reis mit Gulasch, Salat und Ananasquark; auch im Startgeld enthalten – in der Jugendherberge wieder. Hier gab’s dann auch die Siegerehrung, Urkunden für alle und zum ersten Mal für alle Teilnehmer eine Geschenktüte mit Schokolade, Tee und Nudeln oder Kartoffelpüree oder Müsli.

Nachdem alle verabschiedet waren, machten Michi und ich noch einen Spaziergang durch die schöne Kleinstadt Rotenburg, gönnten uns auf unseren Lauf ein Bier und einen Sauren in einer gemütlichen Kneipe und ruhten dann unsere müden Knochen aus.

Nach einem Abstecher über Eisenach mit Wanderung auf die Wartburg machten wir uns dann am Sonntag wieder auf den Weg zum Flughafen zu Michis Rückflug und dann endlich heim auf die Couch.

Mein Dank für diesen Tag geht natürlich zuerst an Harald Heyde und das Marathonteam Waldhessen für die tolle Organisation und die Super-Verpflegung, aber auch an alle Läuferinnen und Läufer (insbesondere alle Forianer), die mich mitgezogen haben, an Michael für die tollen Fotos, an Martin und Walter, die mich von der Terrasse des Italieners genau im Blick hatten und immer bejubelt haben, an Jörg für den guten Tipp mit Eisenach und nicht zu vergessen an Michi, dass er mitgekommen ist und mein Dauer-Gequassel ein ganzes Wochenende ausgehalten hat.

Meine Urkunde wird bestimmt einen Ehrenplatz bekommen. Und wenn ich an den Waldhessenlauf im nächsten Jahr denke, dann fällt mir der größte Karnevalshit aller Zeiten ein: Da simmer dabei, datt is priihiiima…

Ergebnisse:

6-Stunden-Lauf

Männer

1.    Herget, Thomas  LG Fulda  Fulda  75,343   
2.    Traeger, Ralf   Großbeeren  66,794    
3.    Menzel, Udo  LG Emsdetten  Emsdetten  63,487   

Frauen

1.    Steinhauer, Doris  TV 03 Breitenbach  Rotenburg  56,994   
2.    Bergelt, Carola  SG Druckerei Spiegler Bad Vilbel  Frankfurt  56,994   
3.    Grahnert, Ines   Langen  56,352   

Ergebnisse:

12-Stunden-Lauf

Männer

1.    Daum, Stefan   Raunheim  131,895    
2.    Seegel, Maic   Heidelberg  127,824   
3.    Sakuth, Holger  M&H Rennsteigteam  Eisenach  114,779   

Frauen

1.     Hadbawnik, Iris  UltraRunners.de  Frankfurt  101,984   
2.     Makowka, Friederike  Sri Chinmoy M.T. Genf  Genève 4  80,150   
3.     Fischer, Ines  LGV Marathon Gießen  Gießen  73,708   

100 km-Lauf
Männer

1.      Fischer, Markus  Tempo Colonia  Köln    9:51:31    
2.      Oesterheld, Frank  Feuerwehr SV Düsseldorf  Hückelhoven    10:10:36   
3.      Vergin, Holger  VHV Versicherungen  Rehburg-Loccum    11:39:31   

Frauen

1.      Marton, Petra  TV Hambrücken  Hambrücken    10:52:47   
2.      Eckardt, Corinna B.  SC Neuenstein  Bad Hersfeld    12:30:28 
3.      Möhr, Andrea   Berlin    14:25:52   

 

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