Von unten, vom Platz der Geköpften (Place Djamaa-el-Fna), dröhnt das aufputschende Wummern der Trommeln, vermischt sich mit dem Klappern der Gnaoua-Musik. Blau-grüne Plastikhubschrauber segeln wie Christbaumschmuck aus dem sternenklaren Himmel auf die Menschenmenge, die sich um die Schlangenbeschwörer drängen.
Wir sind sechs Läufer, die sich heute am zweiten Weihnachtsfeiertag in Marrakech auf der Dachterrasse treffen, um Morgen früh die lange Fahrt in die Sahara, nach Zagora anzutreten.
Nicht ganz sechs Läufer, ich bin wegen meiner Achillessehne ausser Gefecht, singe melancholisch das marrokanische Weihnachstlied: „Leise schlürf ich den Tee, mein Fuss ist starr, er tut noch weh.“
Als interAir-Reisebegleiter bin ich mit den Laufkameraden in der nächtlichen Medina mit ihren engen Gassen unterwegs. Die Eindrücke in den dunklen Souks sind überwältigend. In dem Gewimmel finde ich sogar den Place Rhahba Kedima mit seinem einzigartigen Cafe des Espice, von dessen Dachterrasse wir auf den Gewürzmarkt schauen und dem vielstimmigen Abendgebet lauschen, welches über die nächtlichen Dächer der Medina schallt.
Es ist ein kleines Weihnachtswunder, dass wir am nächsten Morgen unser Gepäck am Flughafen doch noch vervollständigen dürfen und recht pünktlich die Fahrt über den Hohen Atlas antreten können.
Die Strasse nach Zagora mit seinen überwältigenden Blicken auf die Gipfel des Hohen Atlas, hinunter in die Ebenen und dann hinauf zum Tizi-N-Tichka gehört für mich zu den Must-Do in Afrika und ich bin froh, wenn die Gespräche der Reisenden beim Anblick der göttlichen Landschaft verstummen.
Unterbrochen wird unsere Serpentinenfahrt nur durch Stops für Fotos, Entsorgung und Nahrungsaufnahme. Besonders liebe ich den Mittagsstop in dem Bergdorf Taddart, dem kleinen Ort, dessen Duft von gebratenem Fleisch mir die hungernden Sinne raubt.
Wenn mein Achillessehnen-Professor sehen würde, wie ich mich in einer mehrstündigen Wanderung auf den Djabal Zagora (975m) schleppe, wäre ich wieder einmal Thema in seinen Vorlesungen.
Reste einer alten Almoravidenfestung (islamische Mönche, 11.Jahrh) zeugen von der Wichtigkeit der Karawanenroute, die einst bis nach Mali führte. Der original mittelalterliche Wegweiser (52 Kamelwandertage bis Timbouctou) ist im Museum, an der Originalstelle steht eine Replik.
Vom Zagoraberg hat man einen wunderbaren Gesamtüberblick über die Marathonstrecke: Zuerst der lange Weg über die Hochebene, dann die Durchquerung des Draa-Flusses, die endlosen Palmenhaine, die Lehmdörfer und den ewig weiten Weg durch die Geröllwüste, über den Gebirgszug und hinein in die Sanddünen. Dann entlang des steilen Ufers des Draa. Nach einer zweiten Durchquerung des Flusses folgt die neue Streckenführung durch tiefe Dünen entlang der Palmerai (Flussoase).
Wettervorhersage : 2-14 Grad, Windstärke 7.
Zum ersten Mal wird ein 10 km-Lauf angeboten, zusammen mit dem HM und dem Marathon (ca 80 Läufer) versammeln sich etwa 1500 Läufer vor dem Startbogen. Nur die Marathonläufer und die schnellsten HM-Läufer erhalten einen Chip (in der Startnummer). Die zahlreiche Jugend braucht kein Startgeld zu zahlen, schliesslich will man hier auch Nachwuchsläufer entdecken. Auch mein Freund, der bärtige Mahtaj Ismail, zahlt kein Startgeld. Er hat die 400 km Reise aus Casa in mehreren Tagen bewältigt. Die Sponsoren- und Startgelder werden für den Bau einer Schule in der Region Boutyous verwendet.
Der Startplatz befindet sich ab diesem Jahr unterhalb des Gebäudes der Provinzialregierung, nur wenige Meter entfernt von den Hotels. Dort ist ein neuer Park angelegt worden, hier gibt es auch Toiletten und Büsche. Sieben Fernseh- und drei Radio-Teams sind anwesend, unterstreichen damit die Wichtigkeit des von den Halbgöttern Marokkos, den Ahansal-Brüdern, organisierten Laufes.
Zum zehnten Mal wird der Zagoramarathon von den Brüdern Mohamad und Lahcen Ahansal ausgerichtet, die insgesamt 15mal den Marathon des Sables (MdS) gewannen.
Europäische Läufer erkennt man an den Rennstrapsen, einige Marokkanerinnen laufen mit Schleier. Sehr viele Läufer sind dabei, die hier ihre Ausrüstung für den Marathon des Sables im April in Originalumgebung ausprobieren, so auch Thomas und Weking, der Belgier, den ich beim UTAT kennengelernt habe, und der kaum französisch spricht, da er in Chile aufgewachsen ist. Witzigerweise in dem Ort, in dem der Onkel von Bernd wohnt. Bernd ist mit Erika angereist, die heute den dritten Platz bei den Damen erreichen wird. Nachdem Gaby letztes Jahr den zweiten Platz gewann, ist wohl in 2014 das Siegertreppchen für Deutschland fällig. Bei den Männern bleibt alles wie immer: Hammou Moudouij (2:32) wird zum vierten Mal in Folge gewinnen.