Modifikation bei der Streckenführung, Wiederholungstäter en masse, gute Bedingungen. Ein idealer Lauf, um seine Form früh im Jahr zu testen. Wie mein Ergebnis ausfällt, das erfahrt Ihr hier. Nur so viel vorneweg: Der Thermenmarathon lohnt sich, wie immer.
Nach drei Jahren führt mich der Weg wieder ins Bayerische Bäderdreieck. Bad Griesbach, Bad Birnbach und Bad Füssing sind die drei Orte, die sich Regenerarion, Kur und Erholung des Gastes in ihr Handbuch geschrieben haben. Und der letzte Ort, Bad Füssing, zieht Anfang Februar, noch zeitig im Jahr, viele Sportler zum Thermenmarathon an. Die ganz Cleveren wie Walter Zimmermann, der Agile aus dem Würzburger Raum, vertreiben sich eine ganze Woche mit Training, Saunieren und Thermalbaden. Wer sich das eigene Wochenende von der Arbeit freischaufeln kann, hat die Gelegenheit, das Rahmenprogramm mit Jeffrey Norris und Rüdiger Nehberg erleben zu dürfen.
Bei mir schaut es so aus, dass ich am Samstagvormittag noch ein Krafttraining im Wald einlege. Nein, kein Waldlauf, sondern etwas mit den Händen schaffen: Holzfällen, anrichten, den Sägern zur Hand gehen. Ein toller Zeitvertreib, der mir ein-, zweimal im Jahr einen Muskelkater verursacht.
Für den Vortrag von Sir Vival Nehberg, so wird der frühere Bäcker und Konditor aus Hamburg genannt, komme ich zwar ein paar Minuten zu spät, aber der Vortragssaal ist auch so proppenvoll gefüllt. „Unmögliches möglich machen“, heißt sein Thema, und was der 78jährige aus seinem Lebenswerk erzählt, ist äußerst kurzweilig und informativ. Eine Überquerung im Tretboot über den Atlantik oder der gleiche Weg mittels einer Tanne sind für unmögliche gehaltene Unternehmungen. Dass er für die Vorbereitung solcher Extreme bei den Kampfschwimmern in die Lehre ging und sich von denen sprichwörtlich den Arsch aufreißen ließ, passt ins Bild.
Seine Abenteuereskapaden hat er mittlerweile aufgegeben, stattdessen gründete er die Menschenrechtsorganisation TARGET, die sich dem Kampf gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien widmet. Rüdiger Nehberg gelang es sogar, eine Konferenz höchster staatlicher und religiöser Größen in Kairo einzuberufen - ein großer Schritt für TARGET. Mit langanhaltendem Applaus wurde Rüdiger Nehberg entlassen. Wer seine Neugier weiter stillen möchte, dem empfehle ich einen Besuch auf www.ruediger-nehberg.de.
Nach dem Vortrag treffe ich meinen Master (of Disaster) und Cheffe Klaus. „Komm mit, wir gehen Nudel essen, du kannst es für morgen leicht vertragen,“ so motiviert er mich zum Pastamahl im Restaurant des Johannesbads. Platz ist da genug, man hat die normalen Tische und Stühle herausgeschafft und stattdessen Biertische und Bierbänke aufgebaut. Wir sind ja in Bayern und da sitzt man gern länger, wenn man „net hoam mog“. Draußen werden im letzten Sonnenschein die notwendigen Arbeiten am Start und Ziel noch erledigt. Die heutigen Temperaturen von zehn Grad bei Föhn werden wir morgen nicht erleben. Vielleicht bleibt es trocken, aber sicher ist es nicht.
Am nächsten Morgen fahre ich mit meiner Vereinskollegin Henriette von unserer Unterkunft zum Bad. Ein Polizist weist kurzerhand die Automobilisten auf die Grünfläche neben der Straße ein, denn der Parkplatz ist voll. 200 Meter müssen wir zum Bad marschieren. In der Nacht hat es gescheit abgekühlt, der Boden ist angefroren und es nebelt leicht. Einige Sportler laufen sich jetzt, eine Stunde vor unserem Start, schon ein. Ich werde das auf den ersten Kilometern nachholen. Mein Plan für den Marathon, Gemütlichkeit, Ratschen, Fotoschießen und vielleicht mit dem 3.45er Pacer mitlaufen. Übrigens, weitere Zeitläufer sind im Angebot, und die freuen sich, wenn der eine oder andere sich anschließt.
Perfekt ist das Drumherum im Johannesbad: Du bekommst einen Chip gegen Abgabe des Badegutscheins, kannst deine Klamotten in einen Spind einsperren, wartest bis kurz vor dem Start, gehst raus und brauchst nur noch laufen. Nach dem Zieleinlauf bist du in wenigen Augenblicken im Warmen, außer man hält sich im Verpflegungszelt länger auf.
An den Meldeschaltern ist die meiste Arbeit mittlerweile getan, rund 10 Prozent der Meldenden werden nicht erscheinen, das ist anderswo in der gleichen Größenordnung. 1700 Athleten werden auf die Strecken von zehn Kilometern, Halbmarathon und Marathon gehen, dazu wird noch ein Schülerlauf organisiert.
Kurz vor 10.00 Uhr, dem Start des Halb- und Vollmarathons gehe ich in das Startfeld. Die Zehn-Kilometer-Läufer sind längst auf und davon. Ich schieße noch ein paar Bilder und dann werden wir schon eingestimmt auf den Start.
Mit einem Böllerschuss werden wir auf die Strecke gehaut. Es ist zwar jetzt das Feld eng beieinander, doch nach ein, zwei Kilometer wird sich das entzerren. Nach rund 200 Metern laufen wir in einen Kreisverkehr und es geht in den Ortsteil Safferstetten. Der 3.30er Zugläufer geht vorbei. Ich lasse ihn ziehen, es ist mir einen Tick zu schnell.
Erst bei der Gebietsreform 1971 wurden die umliegenden Gemeinden zu Bad Füssing zusammengeschlossen. 1938 wurde die erste Thermalquelle mehr aus Zufall entdeckt, war man doch auf der Suche nach Erdöl. Heute leben in der niederbayerischen Gemeinde unweit von Passau knapp 7000 Einwohner. Wenn man überlegt, dass mittlerweile 3 Millionen Übernachtungen gezählt werden, geht es dem Ort in der Pockinger Heide wirtschaftlich nicht schlecht.
Ich bin noch nicht warm gelaufen, da führt uns die bekannte Strecke an der Pfarrkirche St. Andreas vorbei. Einige Zuschauer stehen links und rechts, schauen und klatschen. Zwei mir bekannte Paparazzis nehmen das Feld vor die Linse und gehen nachher zum Frühschoppen zum Mühlbach-Wirt nebenan, vermute ich zumindest.
Nach Kilometerschild 2 geht es in das offene Gelände. Pichl, ein kleiner Ort ist einen Kilometer entfernt. Es geht auf einer kleinen Landstraße dahin, die Straßen sind meist gesperrt. Übrigens, Feuerwehr, Polizei und Helfer machen ihren Job prima, du musst kaum auf den Verkehr schauen.
An einer Kapelle biegen wir links ab. Ich steuere jedoch auf das kleine Gotteshaus zu, vielleicht kann ich da ein Bild schießen. Ein Helfer beobachtet mich und lässt mich mit seinem lauten „Holt“ aufschauen. „Do geht’s lang“, deutet in Laufrichtung. Früher sind wir hier nach rechts in Richtung Golfplatz abgebogen.
Nach zwei Minuten können wir uns schon das erste Mal verpflegen. Warmer Tee, warmes Iso und Wasser wird angeboten, dazu Bananen, Orangen und Riegel, verhungern braucht da keiner. Acht Tankstellen reichen dicke. Genau richtig für unsere Motivation hören wir von AC/DC „Highway To Hell“.