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Laufberichte

Weit über dem Weißwurst-Äquator

07.10.12

Im Juni 1646 wurde von Kaiser Ferdinand III in Linz eine Urkunde ausgestellt, die die Reichsunmittelbarkeit der Stadt Bremen besiegelte. Diese Urkunde heißt Linzer Diplom. Reichsunmittelbarkeit heißt, Bremen war unmittelbar dem Kaiser unterstellt und nicht einem Landesherrn. 

320 Jahre später fuhr ich mit meinem Bruder, meinem Vater und seinen Eltern nach Bremen, um Tante und Onkel zu besuchen; mit einem Fiat 1400 Berlina. Dieser hatte 44PS, Zweifarbenlackierung und einen mittigen Nebelscheinwerfer, wie eine Lokomotive. Ich bin bis dahin noch nie im Ausland gewesen und war schon recht gespannt. In Bayern angekommen, waren die weißen Bodenmarkierungen auffällig, verglichen mit den damals gelben in Österreich. Und die Ortsschilder hatten hier andere Farben als am rechten Innufer, aber sonst? Es gab noch recht wenige Autobahnen und so benötigte man für etwa 1000km den ganzen Tag. Von frühmorgens bis spätabends waren wir unterwegs. Irgendwann dazwischen verkündete mein Vater, wir hätten soeben den Weißwurstäquator überquert, wir kamen also nach Norden.

Das Haus meiner Verwandten im Norden Bremens kam mir riesig vor, ich fühlte mich sofort wohl. Es roch so gut. Man konnte wunderbar von der Vordertür zur Hintertür laufen, musste in der Mitte nur eine scharfe Kurve nehmen.

Und dann sah ich in Vegesack meine ersten Hochseeschiffe, die die Weser rauf kamen. Bisher kannte ich nur die Frachtschiffe auf der Donau. Das hier waren ganz andere Kaliber! 

Im Laufe der Jahre kam ich immer wieder gerne nach Bremen, mit dem Auto, mit dem Zug, mit dem Flugzeug. Das Haus meiner Verwandten kam mir mit jedem Besuch immer kleiner vor. Seit Mitte der 1970er schrumpft es aber nicht mehr. 

Hannes im Frankenland gibt Gert und mir am Freitag Quartier, sodass wir nicht in einem Rutsch so weit fahren müssen. Samstags kommen wir gut voran. Dass das Wetter in Bremen schlecht ist, wissen wir. Bei Hannover kommen wir in einen Wolkenbruch, der zum Glück nicht lange andauert. Als wir kurz vor Bremen sind, erkennen wir blauen Himmel und in Bremen scheint doch tatsächlich die Sonne.

Das Hotel haben wir an der Halbmarathonstrecke, nicht weit vom Bahnhof, sodass das Abholen der Startnummern im swissôtel locker zu Fuss gemacht werden kann. Da ist alles sehr entspannt, keine Hektik und nur bei den An- und Ummeldungen eine kleine Warteschlange. Gert wird leider doch nicht starten können, er ist noch verletzt. Hannes ist wieder genesen, ich kann ihn überzeugen, dass morgen ein Halbmarathon drinnen ist. Bis zur Pasta-Party ist noch Zeit, so kann ich den beiden Ösis „mein“ Bremen zeigen. Strahlender Sonnenschein, kühl ist es geworden, 10 Grad hat es.

Der Schweinehirte mit seinen Tieren aus Messing in der Sögestraße (Sau = niederdt. Söge) ist quasi am Eingang zur Innenstadt. Nahezu ständig werden die Messingschweine von Urlaubern belagert und damit poliert.

Wir wollen zum Rathaus, wo rege Geschäftigkeit herrscht. Nicht nur viele Touristen genießen es, dass endlich die Sonne scheint, die Aufbauarbeiten für die morgigen Laufbewerbe sind in vollem Gange. Start und Ziel werden wieder zwischen dem Roland von Bremen und dem Rathaus sein. Aus 1971 gibt es von mir ein Foto mit dem Roland, da war er noch nicht eingezäunt. Da war es vielleicht noch nicht notwendig. Sein Vorgänger war aus Holz und wurde im 14. Jahrhundert zerstört, seit 1404 steht er nun in Stein gehauen. Trägt allerdings seinen Reservekopf, der Originalkopf ist im Focke-Museum zu besichtigen. Roland war angeblich ein Neffe Karls des Großen und so lange er steht, wird Bremen frei sein, heißt es. Um ihn zu schützen, ist er im Zweiten Weltkrieg eingemauert worden. 

Der Schütting (1538 Renaissance), das Rathaus (1405), der Sankt Petri Dom mit 1200jähriger Geschichte, sind zu recht weitere beliebte Fotomotive. In die Böttcherstraße wird uns der Marathon nicht führen und auch nicht in den (das?) Schnoor, eine ehemalige Fischersiedlung, die nach 1945 wieder aufgebaut werden konnte. Die Zerstörungen hier waren nicht ganz so stark. Die Touristenströme werden durch enge Gässchen geschleust, die oft nicht einmal schulterbreit sind. Ja, sehr malerisch hier.

Bilder von der Stadtbesichtigung gibt es im Anschluss an den Bericht.

Natürlich müssen wir auch noch in den Hafen und nach Vegesack zum „Schulschiff Deutschland“, einem Dreimaster, der an der Mündung der Lesum in die Weser liegt. Ein wahres Schmuckstück, das wir gerade noch vor Sonnenuntergang erreichen. Dann ist Verwandtenbesuch angesagt. Viel zu kurz, wie auch meine knapp 90jährige Tante findet.

Am Renntag treffe ich um 09h00 mit Gert auf Traudi, Erich und Linda – meinen vierköpfigen Bremer Fanklub - am Bremer Hauptbahnhof. Einstellige Plusgrade und kaum Wind, das bei gleißendem Licht der noch tief stehenden Sonne. Gert hat sich damit abgefunden, dass er heute nicht mitlaufen kann, er wird Bremen als Zuseher genießen. Ich freue mich auf Stadtteile, die ich noch nicht kenne.

Den Bremen-Marathon wollte ich schon länger laufen, aber Anfang Oktober ist jedes Jahr in Bezug auf Marathons in Europa wirklich sehr viel los und gleich ums Eck liegt die Stadt ja auch nicht gerade, zumindest nicht von Oberösterreich aus.

2007 habe ich angefangen an Orten an Laufbewerben teilzunehmen, mit denen ich schöne Kindheitserinnerungen verbinde. Heute der Abschluss dieses Zyklus also und zur Krönung ist es ein Marathon. Mit der Kleiderbeutelabgabe habe ich es nicht so eilig, es ist kühl und das Startgelände liegt fast zur Gänze im Schatten, den der Ev.-Luth. St. Petri Dom wirft.

09.35 Uhr die 10km-LäuferInnen werden losgelassen und machen somit Platz für die Marathonis, die nun begrüßt werden. Besonders die ausländischen Gäste aus Holland, die keine so weite Anreise haben und daher zahlreich gekommen sind, werden erwähnt. Ich selber stehe in einem Pulk mit schwedischen Startern.

09.45 Uhr Countdown, das Startsignal. Die Sonne im Rücken geht es die Obernstraße entlang, zwei Linkskurven und wir haben die Sonne von vorne. Ich fühle mich gut. Zu Beginn wird die Altstadt umlaufen. Ein flinker Zuseher kann das Starterfeld innerhalb weniger Minuten mehrmals vorbeilaufen sehen. Viele machen das auch. Wir laufen unter den Ausläufern der Wilhelm-Kaisen-Brücke durch und den Altenwall hoch. Dafür, dass Bremen jenes deutsche Bundesland ist, mit der geringsten natürlichen höchsten Erhebung – was für ein Superlativ! – beginnt es ja recht hügelig.

In der Windmühle, an der wir jetzt vorbei kommen, kann man gut brunchen. Das weiß ich von Anne, der Tochter meines Cousins! Das helle Licht mit den Schatten macht meiner Kamera zu schaffen, dafür ist sie nicht ausgelegt. Aber immer noch besser als das Regenwetter, das hier die letzten Tage herrschte. Wir haben gute Luft und vom Wind merkt man im verbauten Gebiet nicht viel. Es geht über die Weser, die Strecke ist breit genug, kein Gedränge. Mein Bremer Fanklub ist da, ist ja wie ein Heimspiel für mich!

Km5 nach 27min; Ich laufe nun genau gegen die Sonne, etwa 1km lang. Der nasse Asphalt reflektiert das Sonnenlicht, eine Schneebrille wäre jetzt ideal. Bei der ersten Tränke gibt es nur Wasser. Es geht an einem Campingplatz und einem Sportplatz vorbei, wir sind jetzt in einem Naherholungsgebiet. Es geht an den Werdersee, die Sonne im Rücken. Bis wir über eine Brücke laufen und nun am Damm wieder stadtauswärts.

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Informationen: Bremen Marathon
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